Werden Sie sich im kommenden Wahlgang klar gegen die rechte Hetzkampagne gegen Prof. Dr. Brosius-Gersdorff positionieren und sich öffentlich für ihre Wahl zur Richterin am BVerfG einsetzen?
Sehr geehrter Herr Grosch,
ich bin eine besorgte Bürgerin aus Rinteln und möchte mich für eine unabhängige, demokratische Justiz einsetzen.
Die Hetze gegen Frau Prof. Dr. Brosius-Gersdorff, die sich in den letzten Wochen (aus Teilen des rechten Spektrums) formiert hat, macht mir große Sorgen, gerade auch mit Blick auf den politischen Zustand in Sachsen und Ostdeutschland.
Frau Brosius-Gersdorff ist eine hochqualifizierte Juristin, deren wissenschaftliche Arbeiten – etwa zum Schwangerschaftsabbruch – sich im Rahmen des verfassungsrechtlichen Diskurses bewegen und gesellschaftlich mehrheitsfähige Positionen vertreten. Ihre klare Haltung für Selbstbestimmung, Grundrechte und den Rechtsstaat ist in Zeiten wie diesen dringend notwendig!
Ich bitte Sie daher inständig, mit Ihrem politischen Einfluss ein Zeichen für eine unabhängige Justiz zu setzen, und deutlich zu machen, dass demokratische Verfassungsrichter*innen nicht unter Druck rechter Narrative geraten dürfen.
Freundliche Grüße!

Haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht und Ihr Engagement für eine unabhängige und demokratische Justiz.
Ich unterstütze Frau Prof. Dr. Brosius-Gersdorff uneingeschränkt. Es gibt keinerlei Zweifel an ihrer fachlichen Kompetenz, und auch ihre politischen Haltungen halte ich für richtig und gut vertretbar. Der Vorgang der letzten Wochen stellt in meinen Augen einen Dammbruch dar: Das Bundesverfassungsgericht wurde in einer Weise politisiert, wie wir es bisher nicht kannten, und ein potenzielles Mitglied wurde öffentlich wie medial in einer Form angegriffen, die jeder sachlichen Auseinandersetzung widerspricht.
Gerade das Bundesverfassungsgericht ist in unserer Verfassungsordnung einzigartig. Es ist die einzige Institution, die dem Parlament wirksam Grenzen setzen kann – auch dann, wenn ein Gesetz von einer deutlichen Mehrheit beschlossen wurde oder eine gesellschaftliche Mehrheit es befürwortet. Damit schützt es die Grundrechte jedes Einzelnen auch gegen den Willen der Mehrheit. Diese Konstruktion ist eine bewusste Lehre aus der Geschichte: In einer Demokratie darf die Mehrheit nicht schrankenlos über die Rechte der Minderheit verfügen. Das Bundesverfassungsgericht ist die institutionelle Garantie dafür, dass Freiheit, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit nicht dem politischen Zeitgeist oder parteipolitischen Mehrheiten geopfert werden.
Umso fataler ist es, dass im Deutschen Bundestag über eine einzelne Person für dieses Amt parteipolitisch gestritten wurde, statt allein auf Eignung, Integrität und verfassungsrechtliche Kompetenz zu schauen. Eine solche Debatte unterminiert das Vertrauen in die Unabhängigkeit des Gerichts und öffnet Tür und Tor für den Eindruck, Richterinnen und Richter würden nicht mehr nach fachlicher Qualifikation, sondern nach politischer Opportunität ausgewählt.
Den Rückzug von Frau Prof. Dr. Brosius-Gersdorff aus der Kandidatur bedauere ich zutiefst. Als Mitglied des Rechts- und Verfassungsausschusses des Niedersächsischen Landtags werde ich alles daransetzen, dass sich ein solcher Vorgang für unseren Staatsgerichtshof nicht wiederholen kann.
Mit freundlichen Grüßen
Constantin Grosch