Sollte der Staat nicht erst einmal seine "Schulden" bei den GKVs zahlen, bevor Beitragszahler der GKV durch eine weitere Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze belastet werden?
Sehr geehrter Herr Dr. Pantazis, sie fordern, dass die Beitragszahler der GKVs über eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze weiter belastet werden.
Sicher ist die Finanzlage der GKVs sehr angespannt. Ein Grund ist u.a. das der Staat Leistungen bei den GKVs bestellt, für die er nicht ausreichend zahlt. Wie die Chefs der GKVs beschreiben, erhalten die Kassen für jeden der ca. 5,6 Millonen Bürgergeldempfänger 119€/Monat. Der Mindestbeitrag für freiwilllig in der GKV Versicherte liegt bei 205 €/Monat. Der durch den Bund gezahlte geringe Beitragssatz führt jeden Monat zu einem immer größer werdenden Defizit. In Summe ergibt sich eine geschätzte Finanzierungslücke von 9,2 Milliarden Euro, die die Versicherten bereits jetzt über Beitragserhöhung, Erhöhung des Zusatzbeitrages und starker Erhöhung der Bemessungsgrenze stopfen mussten.
Wie sage ihr SPD Kollege Tschentscher kürzlich in der MPK: „Wer bestellt, bezahlt.“ und das sind nicht "nur" die Versicherten der GKVs und ggf. PKVs.

Sehr geehrter Herr A.,
vielen Dank für Ihre sehr fundierte und wichtige Frage. Sie sprechen einen zentralen Punkt an: die unzureichende Finanzierung sogenannter versicherungsfremder Leistungen durch den Staat. Ich teile Ihre Einschätzung ausdrücklich: Wer bestellt, muss auch bezahlen. Es kann nicht sein, dass Leistungen, die im gesamtgesellschaftlichen Interesse erbracht werden – etwa für Bürgergeldempfänger, ALG-I- und ALG-II-Beziehende oder Geflüchtete – dauerhaft durch die Beiträge der gesetzlich Versicherten finanziert werden, ohne dass der Bund dafür vollständig aufkommt.
Deshalb fordere ich mit Nachdruck, dass diese Leistungen künftig vollständig aus Steuermitteln finanziert werden müssen. Das ist eine Frage der Fairness gegenüber den Beitragszahlenden – und auch eine Frage der haushaltspolitischen Redlichkeit.
Gleichzeitig müssen wir uns den strukturellen Herausforderungen stellen: Die demografische Entwicklung, der medizinisch-technische Fortschritt und der steigende Versorgungsbedarf lassen sich nicht wegdiskutieren. Genau deshalb habe ich einen umfassenden Maßnahmenkatalog zur Stabilisierung der GKV vorgelegt. Dieser beinhaltet:
- die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze zur faireren Lastenverteilung,
- die Anhebung der Versicherungspflichtgrenze, um gutverdienende Versicherte im System zu halten,
- die Stärkung der Einnahmeseite durch gezielte Strukturreformen,
- die vollständige steuerliche Finanzierung versicherungsfremder Leistungen,
- sowie strukturelle Effizienzgewinne im Zuge der Krankenhausreform, an der ich als Berichterstatter maßgeblich mitarbeite.
Dass die Bild-Zeitung aus diesem durchdachten Maßnahmenbündel nun ausschließlich die Beitragsbemessungsgrenze herausgreift, um gezielt Stimmung zu machen, überrascht mich leider nicht. Aber wir sollten uns davon nicht beirren lassen. Die Herausforderungen sind real – und sie verlangen nach verantwortungsvoller, vorausschauender Politik, nicht nach plakativen Vereinfachungen.
Ich möchte ausdrücklich betonen: Von den von mir vorgeschlagenen Maßnahmen wäre ich selbst betroffen. Ich fordere nichts, was ich nicht auch selbst mittragen würde. Für mich ist das eine Frage der politischen Glaubwürdigkeit.
Deshalb halte ich Kurs – für eine solidarisch finanzierte, verlässliche und gerechte gesetzliche Krankenversicherung, die auch morgen noch allen Menschen in unserem Land zur Verfügung steht.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Christos Pantazis, MdB