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Christian Lindner
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Frage von Andreas R. •

Frage an Christian Lindner von Andreas R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Lindner,

die Präambel unseres Grundgesetzes beginnt wie folgt:

"Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben."

Laut Eurostat (Quelle: http://ec.europa.eu/public_opinion/archives/ebs/ebs_225_report_en.pdf ) kennen nur 47% der Deutschen eine Gottesgläubigkeit, während Präambeln in Verfassungen üblicherweise einen Minimalkonsens widerspiegeln sollen. Im Umkehrschluss heißt dies überspitzt formuliert: unsere Verfassung beginnt mit einer Lüge. Das Volk soll sich vor einem Gott verantwortlich fühlen, den es mehrheitlich gar nicht anerkennt. Somit besteht hier eine zumindest theoretische Gefahr, dass ein Teil der Bevölkerung Schwierigkeiten bei der Anerkennung des Grundgesetzes hat. In meinen Augen ist der Gottesbezug im Grundgesetz anachronistisch und ausgrenzend.

Es ist umstritten, inwiefern die Präambel rechtlich als integraler Bestandteil des Grundgesetzes aufzufassen ist, jedoch hat das Bundesverfassungsgericht bereits Urteile gefällt, bei denen die Präambel als mehr als nur eine bloße Auslegungshilfe gedeutet wurde, etwa im KPD-Urteil.

Wird sich die FDP als liberale Partei für eine Streichung des Gottesbezuges, der übrigens ein Novum in der deutschen Verfassungsgeschichte darstellt, einsetzen?

Mit freundlichen Grüßen
Andreas Reichhardt

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Reichhardt,

vielen Dank für Ihre sehr persönliche Frage, die ich auch nur für meine Person beantworte:

Das Grundgesetz ergreift nicht Partei für eine Religion. Stattdessen ist es offen gegenüber dem Pluralismus weltanschaulich-religiöser Anschauungen, die den Prinzipien der Menschenwürde sowie der freien Entfaltung der Persönlichkeit in Eigenverantwortung und Selbstbestimmung entsprechen. Damit ist es aber eben doch eine objektive Wertordnung, die unsere christlich-abendländische Tradition aufnimmt. Deshalb sehe ich vor diesem Hintergrund keinen Anlass, den Gottesbezug im Grundgesetz zu entfernen.

Mit freundlichen Grüßen
Christian Lindner

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