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Christian Hirte
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Frage von Rainer L. •

Frage an Christian Hirte von Rainer L. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Hirte!

Seit 2003 bin ich im Besitz einer Rehabilitierungsbescheinigung nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz(Verfolgungsmaßnahmen im Sinne des §3 Abs.1 BeRehaG,verfolgte Schüler).
Im Gegensatz zu anderen Verfogten wurden die zu "DDR-Zeiten" verfogten Schüler in keiner Weise finanziell entschädigt.
Dies ist mir unverständlich,da gerade bei dieser Gruppe der erzwungene!Lebenslauf zu finanziellen Einschränkungen führte.
Frage: Können wir in absehbarer Zeit mit einer finanziellen Entschädigung rechnen?

Mit freundlichen Grüßen
Rainer Lachmann

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Lachmann,

vielen Dank für Ihre Frage vom 12.10.2012, in dem Sie mir über die rentenrechtliche Situation der in der DDR verfolgten Schüler berichten. Da Sie etwas länger auf Ihre Antwort warten mussten möchte ich dafür um so ausführlicher antworten.

Anhand zahlreicher Petitionen hatte sich der Petitionsausschuss der 14. und der 15. Wahlperiode bereits eingehend mit der Thematik der verfolgten Schüler befasst. Hierbei wurden folgende Erwägungen berücksichtigt:

Die bereits als Schüler Verfolgten, die z. B. auf dem Weg zum Abitur oder zum Studium an einer Fach- oder Hochschule Opfer politischer Verfolgung geworden sind, sind in das BerRehaG einbezogen. Die Ansprüche sind allerdings auf Hilfe zur Selbsthilfe beschränkt, d. h. auf eine bevorzugte Studienförderung, auf eine bevorzugte berufliche Aufstiegsfortbildung und auf eine bevorzugte Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung.

Eine Einbeziehung der als Schüler Verfolgten in den rentenrechtlichen Nachteilsausgleich nach dem BerRehaG konnte und kann auch weiterhin nicht in Betracht gezogen werden. Der Nachteilsausgleich in der Rentenversicherung setzt einen Eingriff in den konkreten Beruf oder in die begonnene Berufsausbildung voraus. Das heißt, dass bestimmte, quantifizierbare Nachteile in der Rentenversicherung entstanden sein müssen. Derartige Nachteile sind aber für verfolgte Schüler nicht feststellbar. Insbesondere fehlt es an der Konkretisierung des Berufsbildes, wenn die Verfolgung bereits im vorberuflichen Feld eingesetzt hat. In diesen Fällen müssten hypothetische Lebensläufe über einen Zeitraum von bis zu 40 Jahren entworfen werden, ohne dass entsprechende Anhaltspunkte vorliegen, welchen beruflichen Entwicklungsweg der Schüler ohne die Verfolgung genommen hätte. Dies ist in vielen Fällen objektiv unmöglich, jedenfalls aber in einem Verwaltungsverfahren nicht zu leisten.

Hinzu kommt, dass der Zugang zu weiterführenden Schulen wie auch zur Hochschule in der DDR einer tief greifenden, ideologisch motivierten Reglementierung unterworfen war. Ganze Bevölkerungsgruppen waren in Ausbildung und Berufswahl benachteiligt. Die Abgrenzung einer individuellen Verfolgung vom Allgemeinschicksal ist hier kaum möglich.

Vor diesem Hintergrund hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die Beschränkung für die als Schüler Verfolgten auf bevorzugte berufliche Fortbildung und Umschulung mit Artikel 17 Einigungsvertrag und Artikel 3 Grundgesetz (GG) vereinbar ist (BVerwG, Az.: 3 C 5.98).

Für die am schwersten Betroffenen unter den als Schülern Verfolgten, für die "von der Schulbank weg" Verhafteten, gibt es hinsichtlich des Nachteilsausgleichs in der Rentenversicherung kein Problem, denn Haftzeiten gelten bereits nach den allgemeinen rentenrechtlichen Regelungen als Ersatzzeiten in der Rentenversicherung.

Nach der am 22. Juni 2001 im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Zweiten Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (2. AAÜG-ÄndG) beschlossenen Änderung des BerRehaG wird die rentenrechtliche Situation derjenigen, die bereits als Schüler politisch verfolgt waren, jedoch verbessert. Diese Betroffenen, deren Verfolgung bereits während der Schulausbildung begonnen hat, haben wegen ihrer politischen Verfolgung regelmäßig längere Zeit für die Erlangung des von ihnen angestrebten Schulabschlusses benötigt als andere und deshalb in der Vergangenheit häufig die Anerkennung längerer Ausbildungszeiten bei der Rentenberechnung gefordert. Mit der entsprechenden Änderung im BerRehaG wird die Anzahl anrechnungsfähiger Ausbildungsjahre auch für als Schüler Verfolgte von drei auf sechs Jahre verdoppelt. Sie werden insoweit den Verfolgten, die einen rentenrechtlichen Nachteilsausgleich erhalten, gleichgestellt.

Die bei der Bewertung von Verfolgungszeiten für die Rentenberechnung anzuwendenden Durchschnittsentgelte nach den Anlagen 13 und 14 zum Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) führten wegen der in der Lohndatenstatistik der ehemaligen DDR vorgenommenen Gruppierungen bestimmter Wirtschaftsbereiche in vielen Fällen zu Entgeltpositionen, die hinter der individuellen Verdienstposition vor der Verfolgungszeit zurückblieben. Um dieses unbefriedigende Ergebnis zu verhindern, wurde im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum 2. AAÜG-ÄndG auch eine Ergänzung der Regelungen zur Ermittlung des rentenrechtlichen Nachteilsausgleichs
– durch eine entsprechende Änderung des BerRehaG – beschlossen:

In einer weiteren Vergleichsberechnung nach dem BerRehaG ist anstelle der bisher für Verfolgungszeiten angerechneten Tabellenwerte künftig die letzte individuelle Entgeltposition vor dem Beginn der politischen Verfolgung über den Verfolgungszeit¬raum fortzuschreiben, wenn es für den Versicherten günstiger ist. Diese Entgeltposition wird – je nach Günstigkeit – aus den Pflichtbeiträgen der letzten 12 oder 36 Kalendermonate einer versicherten Beschäftigung oder selbstständiger Tätigkeit oder aufgrund von freiwilligen Beiträgen vor Beginn der Verfolgungszeit ermittelt. Durch eine solche weitere Vergleichsberechnung wird erreicht, dass der Versicherte mindestens die Rente bekommt, die er bei Weiterführung seiner beruflichen Tätigkeit ohne die Verfolgung erreicht hätte. Unverändert bleibt es dabei, dass die nach dem BerRehaG ermittelte Rente der nach den allgemeinen rentenrechtlichen Vorschriften ermittelten Rente gegenübergestellt wird. Der Verfolgte erhält die jeweils höhere Rente.

Zeiten nach der Verfolgung werden – auch rentenrechtlich – von den Rehabilitierungsgesetzen nicht erfasst; der Nachteilsausgleich in der Rentenversicherung ist bewusst auf Zeiten beschränkt worden, in denen Personen unmittelbar der Verfolgung ausgesetzt waren."

Ich bedaure, Ihnen keine günstigeren Nachrichten übermitteln zu können und verbleibe.

Mit freundlichen Grüßen

Christian Hirte

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