Hätten Sie, hätte Frau Prof. Brosius-Gersdorf im Deutschen Bundestag zur Wahl als Bundesverfassungsrichterin gestanden, für sie gestimmt?

Sehr geehrter Tom S.,
das Bundesverfassungsgericht ist das intellektuelle Gewissen unserer Republik, weswegen die Wahl der Verfassungsrichter besonders relevant ist. Einige der Positionen von Frau Prof. Brosius-Gersdorf sind aus Unionssicht kritikwürdig – insbesondere ihre Auffassung, dass nicht jedem menschlichen Leben automatisch Menschenwürde zukommt, sondern diese juristisch definiert werden müsse. Dieses Dogma geht aus ihrer Positionierung zu Schwangerschaftsabbrüchen hervor. Damit wirft sie eine Grundfrage unseres Verfassungsverständnisses auf, die weitreichende Folgen für den Lebensschutz ungeborener Kinder, für Menschen mit schweren Behinderungen sowie für Fragen des Lebensendes hat.
Bedauerlich ist, dass diese grundlegende Debatte erst spät geführt wurde, nachdem die Koalitionsspitze und der Richterwahlausschuss bereits eine Einigung zur Personalentscheidung erzielt hatten. Politische Verlässlichkeit verlangt, dass zentrale Bedenken rechtzeitig eingebracht und diskutiert werden – sonst wird Vertrauen in den Entscheidungsprozess untergraben.
Wie geht es weiter? Teil einer nachhaltigen Lösung, die das Gericht stärkt, sollte Neuregelung der Postenverteilung des Bundesverfassungsgerichts sein, die die gegenwärtigen Mehrheitsverhältnisse in Bundestag und Bundesrat besser widerspiegelt.
Mit freundlichen Grüßen
Carl-Philipp Sassenrath