Brigitte Lösch
Brigitte Lösch
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Uwe M. •

Frage an Brigitte Lösch von Uwe M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Brigitte Lösch,

Seitdem die Grünen im Wahlkampf die Volksabstimmung zum endgültigen Entscheidungsorgan für dieses Projekt erkoren haben, wachsen in mir Zweifel, ob diese Partei es wirklich ernst mit der Demokratie und vor allem einer zeitgemäßen Bürgerbeteiligung meint. Formal gesehen hat das Volk bei dieser Abstimmung die letzte Wahrheit gesprochen und heilt in gewisser Weise alle impliziten Fehler des Verfahren von der Schlichtung über den Untersuchungsausschuss bis zum Stresstest. Bei ehrlicher Betrachtung muss aber einem verantwortlich denkenden Politiker auffallen, dass dieser Prozess aus meiner persönlichen Sicht mit Täuschungen und Verheimlichungen der Projektbetreiber gepflastert war. (Baurisiken, Kosten, Leistungsminderung Hierüber gibt u.a. die Webseite von wikireal Auskunft).

Bedeutsam ist hier die Pressekonferenz mit dem Juristen Dr. Eisenhart von Loeper, der die Grundfesten des demokratischen Rechtsstaates gefährdet sieht, wenn sich Politik in solcher Weise als unglaubwürdig erweisen könnte, wie sich dies im Zusammenhang mit Stuttgart 21 andeutet. Es geht hier um den heute vom Verwaltungsgericht abgelehnten Eilantrag, die gesunden Bäume nicht fällen zu lassen, nur weil dies offenbar zu teuer sein könnte, obwohl dies ausdrücklich im Schlichterspruch ausgeschlossen worden war. Zudem hat der Landtag mehrfach den Schlichterspruch bestätigt.
siehe auch http://vimeo.com/36598314

Können Sie bestätigen, dass eine Schlichtung nur glaubwürdig ist, wenn das vom Schlichter verkündete und vom Landtag bestätigte Ergebnis, ohne Wenn und Aber befolgt wird?

Muss die Politik nicht die Schlichtung für aufgehoben erklären, wenn entscheidende Teile der Schlichtungsentscheidung revidiert werden sollen. Es reicht doch nicht, dies in einem niederschwelligen Mediationsverfahren, unter Ausschluss einer Schlichtungspartei zu veranstalten?

Handelt es sich somit nicht um einen Vertrauensbruch gegenüber der Bürgerschaft?

Mit freundlichen Grüßen
Uwe Mannke

Brigitte Lösch
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Mannke,

herzlichen Dank für Ihre Anfrage.
Wie ich von Seiten der Landesregierung weiß, ist der Schlichterspruch zwar nicht juristisch verbindlich aber im Sinne eines einklagbaren Vertrages haben sich alle Projektpartner dazu bekannt, den Schlichterspruch so weit wie möglich umzusetzen. Genau nach dieser Maxime handelt die Landesregierung.

Mit der Beantwortung der Frage, wie man den Schlichterspruch in Punkto der Baumfällungen im Schlossgarten vollständig umsetzen kann, haben sich die Bahn, die Landesregierung und die Landeshauptstadt Stuttgart über mehrere Monate hinweg intensiv unter Einbeziehung von Sachverständigen befasst. Am 19. Dezember 2011 tagte auch ein Expertenforum im Stuttgarter Rathaus. Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger beteiligten sich mit Fragen und Anregungen. Erst am Ende dieses langen Prozesses stand die Erkenntnis, dass leider nur 68 kleinere und mittlere Bäume mit der so genannten Rundspatentechnik verpflanzt werden können. Im Stadtgebiet und im Schlossgarten wurden entsprechende Ersatzstandorte gefunden.

Die großen Bäume könnten zwar theoretisch mit der so genannten Plattformtechnik verschoben werden. Aufgrund der schieren Größe und des enormen Gewichts der Bäume wäre dies örtlich nur innerhalb des Schlossgartens möglich. Für eine Verschiebung im Schlossgarten müssten wegen der Größe aber erst andere intakte Bäume gefällt oder sehr stark rückgeschnitten werden, um Schneisen zu schaffen. Aufgrund des Gewichts würden zudem das im Schlossgarten verlegte Leitungsnetz für Fernwärme, Abwasser, Bewässerung und Strom zerstört sowie das Erdreich extrem verdichtet werden, was die Wurzelräume anderer, zu erhaltender Bäume, massiv schädigen würde. Die Verpflanzung der Bäume würde den restlichen unter Denkmalschutz stehenden Schlossgarten, den wir alle schätzen, im Grunde erst zerstören.

Es waren also keinesfalls finanzielle Gründe, sondern allein fachliche und faktische Gründe, die zu dem bekannten Ergebnis führten. Insoweit dürfte der von Herr Dr. Geißler zitierte lateinische Grundsatz des „ultra posse nemo tenetur“ geradezu gelten. Das heißt die Deutsche Bahn kann weder moralische noch rechtlich zu etwas verpflichtet werden, wenn die Leistung objektiv, also für jedermann, unmöglich ist.

Vor allem aber würde eine Versetzung im Schlossgarten zu ganz erheblichen Zerstörungen führen und es stünden unter dem Gesichtspunkt des Denkmalschutzes keine geeigneten Standorte zur Verfügung. Eine Versetzung aller Bäume würde für den Park und unter ökologischen Gesichtspunkten mehr zerstören als retten. Sie ist deswegen nicht realistisch und kann unter der Überschrift „Parkschutz“ nicht befürwortet werden.

Zum 22. Februar 2012 waren die Baumarbeiten zur Hälfte abgeschlossen. Die Arbeiten werden wohl bis Ende Februar abgeschlossen sein. Bislang wurden 35 Bäume versetzt (davon 4 im Schlossgarten und 31 im Stadtgebiet).

Niemand in der Landesregierung denkt daran, hinter die Ergebnisse und den Konsens der Schlichtung zurückzugehen. Im Gegenteil: Nach der klaren Entscheidung des Souveräns in der Volksabstimmung wird die Landesregierung den Bau von Stuttgart 21 zwar fördern. Dabei gilt es aber das Projekt gemeinsam mit den anderen Projektpartnern konstruktiv und kritisch zu begleiten und die Schwächen, die in der Schlichtung zu Tage gefördert wurden, mit Stuttgart 21 PLUS zu beheben.

Eindeutige Haltung der Landesregierung aufgrund des Ministerratsbeschlusses vom 13.09.2011 ist, dass der Kostendeckel von 4,526 Mrd. € gilt. Es gibt aber keine Rechtsgrundlage, dass mit dem Bau des Bahnhofs erst begonnen werden darf, wenn eine Einigung über etwaige Mehrkosten vorliegt. Die Bahn handelt insoweit auf eigenes Risiko. Die Landesregierung wird allerdings darauf achten, dass der vertraglich vereinbarte Kostendeckel eingehalten wird: Denn der Kostendeckel in Höhe von 4,526 Milliarden Euro gilt unabhängig von dem Ausgang der Volksabstimmung. Hierzu gibt es einen einstimmigen Beschluss des Ministerrats vom 13. September 2011. Das Land wird sich nicht an den Mehrkosten beteiligen und darauf achten, dass die Kosten nicht „aus dem Ruder“ laufen.

Ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesen Zeilen eine zufriedenstellende und ausführliche Antwort geben konnte.

Mit freundlichen Grüßen,

Brigitte Lösch