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Arnold Vaatz
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Frage von Joachim S. •

Frage an Arnold Vaatz von Joachim S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Vaatz,
warum haben Sie als ehemaliger Buergerrechtler im Bundestag gegen die Einfuehrung von Volksentscheiden gestimmt ?

Warum koennen Sie nicht verstehen, dass gegen Stuttgart 21 demonstriert wird?. Sie haben ja gestern auf dem CDU-Parteitag eindeutig fuer Stuttgart 21 geworben. Weshalb haben Sie die neue Gesundheitsreform bejaht, die die Solidargemeinschaft aufkuendigt ?

Wie stehen Sie zu den Polizeieinsaetzen in Stuttgart gegen Kinder und alte Menschen ?
Haben Sie dies nicht in der DDR zu Recht verurteilt, dass auf Demonstranten eingepruegelt und geschossen wird ?
Weshalb sind Sie jetzt ploetzlich dafuer !

mfg
Schubert

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Schubert,

auf kommunaler Ebene halte ich Bürgerentscheide für notwendig, da es um konkrete Projekte vor Ort geht. Allerdings zeigte sich in den beiden Fällen, in die ich seit 1990 besonders involviert war (Dresden: Bau der A 17, Dresden: Bau der Waldschlößchenbrücke), dass ausgerechnet diejenigen, die sich im politischen Raum immer besonders deutlich für Volksentscheide aussprechen, plötzlich mit großer Selbstverständlichkeit daran arbeiten, die Umsetzung der Ergebnisse des Volksentscheids zu verhindern, weil die Abstimmung in beiden Fällen gegen sie ausgegangen war.

Seit einiger Zeit wird von den politischen Befürwortern von mehr direkter Demokratie ein regelrechter Demonstrationstourismus gegen die Ergebnisse der direkten Demokratie in Gang gesetzt. Da ich derartige Entwicklungen auch auf Bundesebene für möglich halte und sie dort für die Demokratie weitaus gefährlicher wären, bin ich strikt gegen eine Ausweitung der Anwendungsgebiete von Plebisziten. Die Meinung, dass ein breiterer Anwendungsbereich von direkter Demokratie automatisch mehr Demokratie bedeutet, halte ich für unbegründet.

Beim Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs ist die Lage ähnlich, auch wenn es sich nicht um einen Bürgerentscheid handelt. Die Pläne sind seit Jahren bekannt, das Planfeststellungsverfahren wurde nach den rechtlichen Vorgaben geführt, Einwände geprüft und öffentlich nachvollziehbar beschieden. Die im Verwaltungsverfahren unterlegenen Gegner des Projektes fordern nun mehr direkte Demokratie, um Planungsprozesse so lange wie möglich zu verzögern, immer neue Einspruchsmöglichkeiten zu schaffen und nach erfolgreicher Verzögerung zu argumentieren, die Sachlage hätte sich verändert und das Ganze sei nicht mehr zeitgemäß. Passend dazu ist die Überzeugung der Wortführer, stets im Sinne einer deutlichen Mehrheit zu handeln. Ins Bild der angeblich objektiven Betrachtungsweise passt daher auch ihre Beschreibung, die Polizei hätte vornehmlich auf Kinder und alte Menschen eingeprügelt und geschossen.
Auch wenn die demonstrierenden Gegner viel Lärm erzeugen, bedeutet dass noch lange nicht, dass sie in der Mehrheit sind. Es geht vielmehr darum, die teils ideologischen Vorstellungen einer Minderheit einer Mehrheit aufzuzwingen. Das ist das Gegenteil von dem, was ich unter Demokratie verstehe.

Mit freundlichem Gruß

Arnold Vaatz