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Anton Hofreiter
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Margot A. •

Frage an Anton Hofreiter von Margot A. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Hofreiter,
Kennen Sie den offenen Brief/die Initiative für ein neues Wirtschaftswunder? https://neues-wirtschaftswunder.de/about/q-a
Wie positionieren Sie sich dazu? Setzen Sie sich dafür ein, daß die Forderungen aus dieser Initiative bekannt werden und in Verhandlungen über Wirtschaftshilfen in der Coronavirus-Krise im Bundestag einfließen?
Mit freundlichen Grüßen.
Margot Arabin (für die Gemeinwohlökonomie-Regionalgruppe Kassel)

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Arabin,

haben Sie vielen Dank für Ihre Frage und für Ihr Interesse.

Wir begrüßen und freuen uns über die zivilgesellschaftlichen Initiativen für eine Politik, die auf Nachhaltigkeit, zukunftsfähige Wirtschaftspolitik und eine sozial-ökologische Transformation setzt. Als Grüne sind wir davon überzeugt, dass die aktuelle Krise neue Antworten braucht. Nur ein Aufbruch mit den nötigen Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft führt nachhaltig aus der Krise. Wir teilen die Forderung der Initiative "Neues Wirtschaftswunder", die Bekämpfung der Corona-Krise mit einem sozial-ökologischen Aufschwung zu verbinden, der eine den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts angemessene Form des Wirtschaftens ermöglicht. Deshalb haben wir einen Zukunftspakt vorgelegt, in dem die ökonomisch, sozial, ökologisch und epidemiologisch notwendigen Maßnahmen zusammengebracht sind.

Für den sozial-ökologischen Aufbruch schlagen wir einen Dreiklang aus weiteren Stabilisierungs- und Rettungsmaßnahmen, einem kurzfristigen Konjunkturprogramm in einer Größenordnung von 100 Milliarden Euro und einem Investitionsprogramm in Höhe von 500 Milliarden Euro über die nächsten zehn Jahre vor. Notwendig ist eine Investitions-, Innovations- und Modernisierungsoffensive. Wir wollen den Klimaschutz voranbringen, die Infrastrukturen der Zukunft schaffen und Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit sichern. Darüber hinaus braucht es auch kurzfristige Maßnahmen, um Arbeitsplätze zu sichern und ein Insolvenzwelle zu verhindern. In einem begrenzten Maße schlagen wir deshalb auch konjunkturelle Impulse vor. Wir wollen Ladenbesitzern und Gastronomen mit gezielten Kauf-Vor-Ort-Gutscheinen helfen und so verhindern, dass die Innenstädte veröden und am Ende nur die Onlineriesen übrig bleiben. Und mit einer Energiepreissenkung entlasten wir kleine Unternehmen und Privathaushalte. Unser Zukunftspakt bringt damit Klimaschutz, den Erhalt und die Schaffung von Jobs sowie die Entlastung unterer Einkommen zusammen. Mehr Details dazu finden Sie unter:
https://www.gruene-bundestag.de/fileadmin/media/gruenebundestag_de/themen_az/corona/pdf/Der_gruene_Zukunftspakt-lang-web-200527-ihv.pdf

Bei dem von der Koalition jetzt vorgelegten Konjunkturpaket konnte ein fossiler Rückschritt verhindert werden, dass ist ein großer Erfolg der Klimabewegung! Das Paket ist aber leider kein Aufbruch für den Klimaschutz und hat eine deutliche soziale Schieflage. Für einen echten Aufbruch für konsequenten Klimaschutz braucht es Entschlusskraft bei der Umsetzung und Langfristigkeit, damit entsprechende Investitionen in die Transformation auch erfolgen. So fehlen beispielsweise konkrete Maßnahmen für eine Ausbauoffensive bei den Erneuerbaren Energien, völlig fehlen Ansätze zur Energie- und Ressourceneffizienz, die Kreislaufwirtschaft kommt überhaupt nicht vor, Maßnahmen für eine Gebäudesanierung und die Verkehrswende gehen in die richtige Richtung, greifen aber zu kurz.

Zugleich hat die Regierung eine Chance verpasst, mit ihrem Paket den sozialen Zusammenhalt zu stärken. Das Konjunkturpaket hat eine soziale Schieflage. Wer 130 Milliarden Euro in die Hand nimmt, sollte auch die Ärmsten der Gesellschaft im Blick haben. Eine Aufstockung der Hartz IV-Regelsätze wäre dringend nötig gewesen, hier enttäuscht die Koalition. Auch eine Besserstellung von Geringverdienern und Auszubildenden beim Kurzarbeitergeld fällt leider aus, ebenso die Einführung einer Qualifizierungs-Kurzarbeit, um die beruflichen Auszeiten mit Weiterbildung sinnvoll zu verknüpfen. Komplett vergessen bleiben diejenigen, die schon jetzt arbeitslos sind. Wir halten einen Anspruch auf Arbeitslosengeld für alle Menschen, die Beiträge gezahlt haben, für gerecht und notwendig.

Und leider setzt sich fort, was von Beginn der Krise an das große Problem war: Frauen, Familien und Kinder sind nicht wirklich im Blick. Es fehlt eine planvolle Perspektive für die Wiedereröffnung von Kitas und Schulen für alle Kinder unter den Bedingungen der Pandemie. Der beschlossene Kinderbonus kann nur ein Trostpflaster sein. Er wird viele Familien kurzfristig freuen, Eltern brauchen aber finanzielle Sicherheit für die gesamte Zeit der Krise. Ein Corona-Elterngeld wäre die bessere Hilfe. Nötig wäre außerdem, mit einem Geschlechtergerechtigkeits-Check alle in der Krise geplanten Maßnahmen und Gesetze zu überprüfen und staatliche Hilfen für Unternehmen an die Förderung von mehr Geschlechtergerechtigkeit, zum Beispiel Quoten, zu koppeln.

Mit freundlichen Grüßen
Team Hofreiter

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