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Anton Hofreiter
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Frage von Günter M. •

Frage an Anton Hofreiter von Günter M. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Herr Hofreiter,

ich habe durch Anstrengung erreicht, dass ich trotz gesundheitlicher Einschränkungen mein Geld selbst verdiene. Ich erzog meine Kinder zu vorbildlichen Mitbürgern, die auch ehrenamtlich tätig sind.

Nunmehr bin ich etwas über 50 Jahre alt. Da ich meinen Arbeitsplatz wechseln musste, weil die gesundheitlichen Einschränkungen zu enorm wurden, hatte ich keinen Kündigungsschutz.
Mein Arbeitgeber sagte mir unmissverständlich, dass er lieber Spanier einstellt.
Daher wurde ich entlassen.

Letzten Monat war nun den Medien zu entnehmen, dass die Zuwanderung auf über 1 Mio. im Jahr 2012 angestiegen ist.
Wie Sie dem Link entnehmen können, begrüßte das Frau von der Leyen und bezeichnet das als Glücksfall:

http://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/id_63287564/deutschland-zuwanderungsstrom-fuer-ursula-von-der-leyen-gluecksfall-.html

Ich bin es leid, dass die offiziell 3 Mio. Erwerbslose, plus die Erwerbslosen die die Statistik nicht erfasst, als Bagatelle abgetan werden. Viele Menschen sind schon lange erwerbslos, auch durch widrige Umstände. Eine marktnahe Qualifizierung bzw. individuelle Lösungen erfolgen meistens nicht.

Wie kann es sein, dass man nach den hier lebenden Menschen kaum schaut, aber die Bundesagentur für Arbeit z.B. gezielt in Spanien Menschen anwirbt?
Ich bin kein Ausländerfeind, aber ich finde es unverschämt, dass die jungen und gesunden Zuzügler die anderen langsam verdrängen bzw. andere gar keine Möglichkeiten haben am Erwerbsleben teil zu nehmen.

Zwei Drittel der Renten sind Versicherungsleistungen, 1/3 der Renten werden aus Steuermitteln bezahlt. Wenn die Zuzügler als Rentner wieder nach Hause gehen, wird ihnen aber genauso viel überwiesen, wie den Leuten die hier leben.
Warum bekommen z.B. Thailänder die dort 20% der hiesigen Lebenshaltungskosten haben, 100% der Rente?
Kann es sein, dass die Entvölkerung im südl. Europa zu Problemen führt?

Mit freundlichen Grüßen

Günter Möder

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Sehr geehrter Herr Möder,

vielen Dank für Ihre Frage. Herr Dr. Hofreiter hat mich gebeten, sie zu beantworten.

Keine Sorge, wir verstehen Ihre Frage nicht als ausländerfeindlich, wie Sie es ja auch betonen und nehmen sie sehr ernst. Der aktuell angewachsene Zuzug von Arbeitsuchenden aus den Krisenländern der EU hängt mit der Wirtschaftskrise und letztlich mit der Austeritätspolitik der Bundesregierung zusammen. Die Bundesregierung zwingt die von der Krise betroffenen Länder zu harten Sparmaßnahmen, was dazu führt, dass viele Arbeitslose z.B. aus Spanien aufgrund wirtschaftlicher Not nun nach Arbeit in Deutschland suchen. Manchen Firmen nutzt das zusätzliche Angebot an Arbeitskräften zu vielfach niedrigerem Löhnen. Das ist für alle Betroffenen eine schwierige Situation, die aus der wirtschaftlichen Ungleichheit innerhalb der EU resultiert. Eine nachhaltige, auf langfristige Stabilität ausgerichtete Politik müsste dafür sorgen, die Krisenländer in der EU zu stärken. Dann würden die vielen Arbeitsuchenden in ihren Heimatländern wieder Arbeit finden. Leider schützt die Regierung Merkel lieber die Banken und die Vermögen der reichen Anleger als dass sie sich um die Stabilität in der EU, um Arbeitnehmerrechte und den sozialen Frieden kümmert.

Würde man nun populistisch sagen, man müsse den Arbeitsuchenden aus den Krisenländern pauschal die Arbeitserlaubnis verwehren, würde man meines Erachtens mehr Schaden als Nutzen erzeugen. Zum einen müsste man die Freizügigkeit innerhalb der EU rückgängig machen und das wäre ein schwerer Schlag gegen den europäischen Integrationsprozess, der uns das Wichtigste nämlich Frieden in Europa am Besten zu garantieren verspricht. Zum anderen beklagen viele unserer Unternehmen, dass Facharbeiter fehlen. Richtigerweise weisen Sie darauf hin, dass zunächst Arbeitssuchende aus Deutschland durch Weiterqualifizierung an die offenen Stellen gebracht werden müssen. Hier müssen die Bemühungen verstärkt werden, genauso wie der Arbeitnehmerschutz, d.h. Kündigungsschutz verbessert werden muss. Allerdings zeigen die Zahlen der offenen Stellen, dass oftmals speziell ausgebildete Berufe gesucht werden, die man nicht kurzfristig durch eine Umschulungsmaßnahme ersetzen kann.

Wenn Ihr Chef Ihnen lediglich mit der Begründung gekündigt hat, dass er lieber einen Spanier beschäftigt ist das unverschämt. Um Lohndumping zu verhindern wäre eine Maßnahme ein genereller gesetzlicher Mindestlohn, der dann auch für Arbeitsuchende aus anderen Ländern gilt.

inwieweit sich der aktuelle Zustrom von Arbeitskräften auf die Rentenkasse auswirkt kann man nicht pauschal beantworten. Es zeigt sich, dass sehr viele der Arbeitsuchenden aus dem Ausland nur vorübergehend in Deutschland bleiben - und natürlich auch in die Rentenkassen einzahlen, was für das umlagefinanzierte System angesichts des demographischen Wandels wiederum sehr vorteilhaft ist.

Und zum letzten Punkt: die "Entvölkerung" wie Sie sagen führt in den Krisenländern zu enormen Problemen. Man bezeichnet den Wegzug der gut asugebildeten Facharbeiter und auch Akademiker auch als "brain drain" also, als Abfließen des Wissens. Volkswirtschaftlich betrachtet ein großer Verlust. Und natürlich stellt es nicht zuletzt sondern zuvorderst die betroffenen Familien vor riesige Herausforderungen und Belastungen. Deswegen plädieren wir im Interesse von uns EU-Bürgerinnen und -Bürgern für eine die EU stabilisierende Politik, die die Menschen in allen EU-Ländern in den Mittelpunkt rückt.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Markus Büchler, Mitarbeiter im Team von Anton Hofreiter MdB

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