Frage an Anne Franke von Andrea W. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrte Frau Franke,
Sie haben sich mit verschiedenen Verbänden an der traditionellen Demonstration der Umweltverbände im Rahmen der Grünen Woche beteiligt. Diese Verbände befürworten die sogenannte ökologische Stilllegung von Ackerflächen in Höhe von 7%, die der Agrarkommisar Ciolos fordert und auf denen keinerlei Anbau mehr erlaubt wäre.
Stehen auch Sie hinter dieser Forderung nach ökologischer Stilllegung?
Wenn ja, befürchten Sie dadurch nicht eine weitere Intensivierung des Anbaues, der jetzt schon dadurch sichtbar wird dass Bauern aus günstigen Lagen (z.B. bei Straubing) die ackerbaulich schwierig nutzbaren Flächen im Bayerischen Wald kaufen und verwildern lassen?
Wird dadurch die Abwanderung in wirtschaftsschwachen Gebieten nicht noch weiter forciert?
Wenn nein, wie haben Sie dann deutlich gemacht, dass Sie nicht hinter allen Positionen dieser Verbände stehen?
Sehr geehrte Frau Weber,
vielen Dank für Ihre Frage.
Ich habe aus voller Überzeugung an der großen Demo "Wir haben es satt" zum dritten Mal in Berlin teilgenommen und mich sehr gefreut, dass wir die Teilnehmerzahlen wieder steigern konnten. Waren es im ersten Jahr 2011 noch 13.000, 2011 22.000, so sind heuer bereits ca. 25000 Menschen (nach Angaben des Agrarbündnisses und eigener Einschätzung) auf die Straße gegangen, um bei eisiger Kälte gegen die weitere Industrialisierung der Landwirtschaft zu demonstrieren.
Vielleicht wurde Ihnen noch nicht klar, wie sehr unsere Ernährung, der Umwelt- und Klimaschutz und die Vitalität der ländlichen Räume unter den Entwicklungen in der Landwirtschaft, wie sie von der Agroindustrie vorangetrieben werden, leiden. Seit 1960 mussten 80% unserer bayerischen Bauern aufgeben und jedes Jahr kommen 3% dazu. Viele Bauern verschulden sich hoch, um nach dem Diktat "Wachse oder Weiche" neue große Ställe zu bauen. Wenn dann, wie häufig geschehen in den letzten Jahren, die Erzeugerpreise sinken, steht schnell die Bank vor der Tür und verpfändet den Hof. Die weitere Spezialisierung und Rationalisierung der Landwirtschaft dient in erster Linie den großen Chemie-, Pharma- und Landmaschinenkonzernen. Nicht den kleinen und mittleren Landwirten. Diese aber sind es, die unsere Kulturlandschaft erhalten. Diese sorgen sich genauso wie ich um gesunde Ernährung ohne Antibiotika, um den Erhalt von Boden, Wasser und Luft, um die Artenvielfalt und unser Klima. Diese Bäuerinnen und Bauern wissen, dass durch das Ausbringen vieler Chemikalien auf unsere Felder seit über 60 Jahren das Leben vieler Insekten, Vögel, etc. gefährdet ist. Vielleicht haben auch Sie den Film "More than honey" gesehen, der die weltweite Schwächung und das Sterben vieler Bienenvölker zeigt.
Wir brauchen eine ökologischere Landwirtschaft. 7% der landwirtschaftlichen Fläche sollen ohne Chemikalien bewirtschaftet werden. Das ist das Ziel von Agrarkommissar Ciolos, das ich voll unterstütze. Von Stilllegung ist keine Rede und Biolandwirte sind sowieso ausgenommen. In der Schweiz sind längst 10% ökologische Vorrangflächen vorgeschrieben. Der 7%-Vorschlag war bereits ein Kompromiss, aber auch dieser wird nicht kommen, denn die Agroindustrie kämpft mit dem Bauernverband und Ilse Aigner intensiv dagegen, sodass jetzt nur noch ein äusserst verwässerter Stufenvorschlag mit einem Einstieg bei 3% übrig blieb, den Deutschland längst erfüllt.
Wir brauchen eine bäuerliche Landwirtschaft, in der Tiere und Natur geschützt werden. Ansonsten muss der Steuerzahler wieder herhalten, wenn es z.B. darum geht, Verunreinigungen im Trinkwasser zu beseitigen. Wir brauchen eine Mengenbegrenzung bei der Milch und ein Milchmonitoring. Wir brauchen mehr regionale Vermarktung und Wertschöpfung vor Ort, eine Förderung nach Arbeitsbedarf statt nach Hektarflächen, damit sich die arbeitsintensivere, bäuerliche Landwirtschaft wieder lohnt. Denn in selbstständiger Arbeit liegt auch ein Stück Lebensqualität.