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Annalena Baerbock
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Tezgin T. •

Sehr geehrte Frau Baerbock, Was halten Sie vom sog. "Kopftuchverbot" für muslimische Frauen, welches in jedem Beruf je nach Arbeitgeber gilt?

Jeder Arbeitgeber kann eine kopftuch tragende Frau kündigen, wenn es laut dem Arbeitgeber die religiöse Neutralität stört.
Das gilt auch für beamte wie Anwälte und hochrangige Berufe.

Das nimmt Frauen mit kopftuch die Möglichkeit, angesehene Berufe zu haben.

Wie ist Ihre Meinung dazu, und wie wollen Sie kopftuch tragenden Muslima helfen?

Mfg

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau T.,

vielen Dank für Ihre Nachricht. Grundsätzlich lehnen wir es ab, Menschen vorzuschreiben, welche Kleidung sie tragen – oder eben nicht tragen – dürfen. Sowohl Verpflichtung als auch Verbot zum Tragen bestimmter Kleidungsstücke sind gleichermaßen Eingriffe in das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit.

Ein Verbot von weltanschaulichen/religiösen Kleidungsstücken (z.B. Kippa oder Kopftuch) ist eine Einschränkung der grundrechtlich geschützten Religionsfreiheit, wenn nicht klar und vor allem begründet nachgewiesen wird, dass das Vertrauen in die neutrale Amtsführung beeinträchtigt ist. Dafür bräuchte es neben der weltanschaulichen/religiösen Kleidungsstücke weitere Umstände.

Am 22.4.2021 hat der Bundestag das „Gesetz zur Regelung des Erscheinungsbilds von Beamtinnen und Beamten sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften“ beschlossen. Dieses soll als Rechtsgrundlage dienen, das äußerliche Erscheinungsbild von Beamtinnen und Beamten durch Verbote zu reglementieren. Bündnis 90/Die Grünen haben sich dem Gesetzentwurf der Bundesregierung im Bundestag nicht zugestimmt, sondern wir haben uns enthalten und deutliche Kritik an Teilen des Gesetzentwurfes geübt. Denn leider bezieht sich das Gesetz auch auf Kleidungsstücke, die aus religiösen oder weltanschaulichen Gründen getragen werden und steht damit im Widerspruch zur oben benannten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.

Die Grünen eint ein Grundwert: Wir setzen uns ein für die Ermächtigung und Selbstbestimmung aller Frauen, für ihre Grundrechte und ihre gerechte Teilhabe. Dafür, dass jede Frau selbst entscheiden kann, was sie glauben und wie sie sich kleiden möchte. Wir sagen klar: Niemand darf Frauen vorschreiben, was sie aus religiösen Gründen anzuziehen haben, noch sie zwingen, sich auszuziehen. Wir stehen dafür, dass jede Frau ihre Persönlichkeit frei entfalten kann, ihren Beruf frei wählen und ihren Glauben frei ausleben. Das machen wir für jede einzelne Frau. Und dafür kämpfen wir auch auf der strukturellen Ebene.

Deshalb lehnen wir auch das Berliner Neutralitätsgesetz ab, denn es diskriminiert und entmündigt gläubige Menschen mit einem sichtbaren religiösen Symbol oder Kleidungsstück – allen voran kopftuchtragende Frauen. Für so viele Frauen bedeutet es de facto ein Arbeitsverbot. Und es spricht muslimischen kopftuchtragenden Frauen pauschal ab, selbstbestimmt agieren und die Werte des Grundgesetzes teilen zu können.

Mit freundlichen Grüßen
Team Annalena Baerbock

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