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Annalena Baerbock
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Frage von durmus u. •

Frage an Annalena Baerbock von durmus u. bezüglich Migration und Aufenthaltsrecht

Sehr geehrte Frau Bärbock,

seit ca.12 Jahren arbeite ich bei unterschiedlichen Bildungsträgern mit ständig befristeten Verträgen. Warum unterstützen die Grünen den Zuzug von Ausländern ohne Arbeitsmotivation?

Warum ist der Harz 4 Satz höher als der Mindestlohn?
Warum sind Sie gegen die Sanktionierung bei Verstößen gegen die Arbeitsaufnahme?

Warum gibt es so einen großen Missbrauch des Sozialnetzes?

Warum habe ich einen 50% Spitzensteuersatz bei Steuerklasse 5?

Wie können Sie mir gegen meine Versorgungslücke (51j.) in 16 Jahren helfen?

Mit freundlichen Grüßen

Ugur

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Durmus Ugur,

vielen Dank für Ihre Fragen.

Zu Ihrer ersten Frage: Der Hartz IV-Satz ist nicht höher als der Verdienst, der sich bei einem Vollzeitjob zum Mindestlohn erzielen lässt. Das Existenzminimum berechnet sich aus dem Regelsatz (446) Euro, den Kosten der Unterkunft (durchschnittlich ca. 430 Euro) und Mehrbedarfen. Das macht zusammen 876 Euro, während ein Vollzeit-Verdienst zum Mindestlohn 1.689 brutto und netto 1.248 Euro netto monatlich bringt. Natürlich weichen die Kosten der Unterkunft von Region zu Region ab. In Ballungszentren wie Berlin oder Frankfurt kann es in seltenen Fällen dazu kommen, dass das errechnete Existenzminimum tatsächlich über dem Einkommen eines Vollzeitjobs zum Mindestlohn liegt. Nicht nur deswegen wollen wir den Mindestlohn sofort auf 12 Euro anheben und perspektivisch stärker erhöhen.

Zu Ihrer zweiten Frage: Wir wollen die Sanktionen in der Grundsicherung komplett abschaffen und dafür sorgen, dass das Existenzminimum immer gesichert ist. Statt die Menschen zu sanktionieren sollen sie von den Jobcentern ermutigt werden, individuelle Hilfe und Weiterbildungsangebote zur Verfügung gestellt bekommen. Sanktionen sind für eine erfolgreiche Vermittlungsarbeit in den Jobcentern kontraproduktiv. Vielmehr stehen Sanktionen für mangelnde Augenhöhe zwischen Leistungsberechtigten und Staat. Oftmals nehmen Menschen, die Sanktionen entgehen wollen, widerwillig an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen teil, die ihre persönlichen Fähigkeiten nicht berücksichtigen. Das Beispiel der Berliner Joboffensive zeigt, dass Sanktionen in der Vermittlungsarbeit überflüssig werden, wenn die Rahmenbedingungen für eine individuelle Beratung und Betreuung auf Augenhöhe stimmen. Statt Menschen das Existenzminimum zu kürzen und dadurch das Klima in den Jobcentern zu belasten, sollten die Rahmenbedingungen verbessert werden, um eine stärker personenzentrierte und passgenaue Unterstützung von Leistungsbeziehenden in den Jobcentern zu ermöglichen. Auch verursachen Sanktionen oft hohen Verwaltungsaufwand, wirken nicht und sind oft ungerechtfertigt. Statt auf Sanktionen setzen wir auf eine individuelle Beratung und Förderung auf Augenhöhe. Die Menschen brauchen Unterstützung, Anerkennung und gute Beratungsangebote. Sie wollen passgenaue Hilfen, ein Recht auf Qualifizierung und Weiterbildung sowie ein Wunsch- und Wahlrecht bei der Gestaltung des Integrationsprozesses in den Arbeitsmarkt. Wir wollen daher den Betreuungsschlüssel in den Jobcentern verbessern (derzeit kommt durchschnittlich ein Betreuer auf 150 Klienten), die Förderung und berufliche Weiterbildung quantitativ, flächendeckend und qualitativ ausbauen.

Zu Ihrer dritten Frage: Es ist nicht zu leugnen, dass das soziale Sicherungssystem immer wieder missbraucht wird, wenn Menschen Leistungen in Anspruch nehmen, die ihnen nicht zustehen. Plakative Fälle die sich in den Medien schnell verbreiten, brauchen das Phänomen aber auf. Von Einzelfällen abgesehen, lässt sich ein flächendeckender Missbrauch von Sozialleistungen nicht erkennen. Dennoch muss die unrechtmäßige Inanspruchnahme von Sozialleistungen durch die Kontrollbehörden konsequent geahndet werden.

Zu Ihrer vierten Frage: Die Steuerklasse 5 ist ein Ergebnis des sog. Ehegattensplittings für verheiratete Paare. Die Steuerklasse 5 benachteiligt Zweitverdiener*innen über Gebühr und macht eine zusätzliche Erwerbsarbeit unattraktiv. Damit zementiert die Steuerklasse 5 die klassische Einverdiener-Ehe und benachteiligt Paare mit gleichberechtigter Aufteilung der Erwerbs- und Familienarbeit. Im Ergebnis werden die steuerlichen Freibeträge auf den Partner mit der Steuerklasse 3 übertragen, so dass die Steuerbelastung in Steuerklasse 5 sehr schnell ansteigt. Das erklärt die hohe individuelle Belastung des Einkommens durch die Steuerklasse 5. Wir wollen das Ehegattensplitting für Neuehen insgesamt reformieren. Bereits verheiratete Paare können individuell entscheiden, ob sie sich weiter wie bisher oder nach den neuen Regeln besteuern lassen wollen. Bei der Lohnsteuer soll die/der heute über Gebühr belastete Zweitverdiener*in entlastet werden, indem das Faktorverfahren zur Regel und die Steuerklasse 5 für Zuverdiener*innen abgeschafft wird. Damit sorgen wir für eine gerechtere Besteuerung von Paaren.

Zu Ihrer letzten Frage: Versorgungslücken im Alter wollen wir vorbeugen, indem wir das gesetzliche Rentenniveau stabilisieren, die Grundrente zur Grünen Garantierente weiterentwickeln und einen arbeitgeberfinanzierten Mindestrentenbeitrag für Geringverdiener*innen einführen. Mit dieser sogenannten Mindestbeitragsbemessungsgrundlage wollen wir Arbeitgeber*innen, die niedrige Löhne zahlen, verpflichten, dass sie mehr für ihre Beschäftigten in die gesetzliche Rentenversicherung einzubezahlen. Damit setzen wir direkt beim Erwerbsleben an und sorgen dafür, dass auch Geringverdienende und Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen eine Rente oberhalb der Grundsicherung erhalten, ohne im Alter auf Sozialleistungen angewiesen zu sein.

Mit freundlichen Grüßen
Team Annalena Baerbock

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