Sehr geehrte Frau Butschkau, ich möchte Sie fragen, ob Sie sich gegen die Chatkontrolle einsetzen, also die anlasslose Massenüberwachung privater Nachrichten.
Sehr geehrte Frau Butschkau,
ich mache mir große Sorgen wegen der Chatkontrolle, über die am 14.10. im Rat der EU abgestimmt werden soll. Diese würde eine anlasslose Massenüberwachung privater Nachrichten bedeuten. Private Inhalte auf den Geräten der Nutzer sollen dabei ohne jeden Anlass gescannt werden. Ein analoger Vergleich: Das ist, als wenn die Post ständig sämtliche Briefe öffnen und kontrollieren würde. Ich finde dieses Vorhaben zutiefst beunruhigend.
Offiziell soll es dabei um Kindesmissbrauch gehen. Aber wer garantiert, dass nicht auch auf politische Inhalte gescannt wird, sexuelle Orientierung, Krankheiten, oder was auch immer eine zukünftige Regierung verdächtig findet?
Insgesamt entsteht so ein Klima der Angst, was insbesondere Menschen betreffen wird, die Opfer von Marginalisierungen sind. Ein freier Diskurs kann so nicht mehr stattfinden.
Bitte setzen Sie sich daher gegen die Chatkontrolle ein.
Sehr geehrte Frau L.,
vielen Dank für Ihre Anfrage zur geplanten EU-Chatkontrolle und den damit verbundenen Bedenken hinsichtlich anlassloser Massenüberwachung und Eingriffen in die Privatsphäre. Die SPD-Landtagsfraktion Nordrhein-Westfalen nimmt Ihre Sorgen ernst und teilt die grundsätzliche Skepsis gegenüber unverhältnismäßigen Überwachungsmaßnahmen, die das Vertrauen in digitale Kommunikation untergraben und grundrechtliche Freiheiten gefährden könnten.
Die von Ihnen angesprochene Thematik fällt jedoch nicht in die Zuständigkeit der Landespolitik. In Fragen der EU-Gesetzgebung – wie der geplanten Chatkontrolle – sind die Abgeordneten des Europäischen Parlaments die richtigen Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner. Unabhängig davon möchte ich Ihnen gerne die Haltung der SPD-Landtagsfraktion Nordrhein-Westfalen zu Fragen der Überwachung und des Datenschutzes auf Landesebene erläutern.
Die Fraktion setzt sich in ihrem Positionspapier zur Inneren Sicherheit vom 1. Januar 2024 (insbesondere Seiten 33 und 20) für einen ausgewogenen Ansatz ein, der Sicherheit und Freiheit in Einklang bringt. Dabei wird betont, dass Maßnahmen zur Bekämpfung von Schwerstkriminalität und Terrorismus – wie die befristete Vorratsdatenspeicherung von IP-Adressen – stets verhältnismäßig, transparent und unter strenger rechtlicher Kontrolle erfolgen müssen. Die Fraktion kritisiert ausdrücklich, dass aktuelle Vorhaben der Landesregierung, etwa die Einführung der Palantir-Software mit explodierenden Kosten von 14 auf 39 Millionen Euro, nicht nur finanziell fragwürdig, sondern auch verfassungsrechtlich bedenklich sind. Solche Projekte zeigen, wie schnell Sicherheitsinteressen zu unkontrollierbaren Datensammlungen führen können, ohne dass ein klarer Nutzen für die Bürgerinnen und Bürger nachweisbar ist. Die SPD-Fraktion lehnt daher undifferenzierte Massenüberwachungsinstrumente ab, die ohne konkreten Anlass in die Privatsphäre eingreifen.
Gleichzeitig wird im Dokument „NRW muss funktionieren: Mehr Schutz und Sicherheit im Cyberraum“ vom 18. März 2025 (Seiten 2 und 3) hervorgehoben, dass der Schutz von Kindern und Jugendlichen im digitalen Raum eine zentrale Priorität darstellt. Die Fraktion schlägt hier jedoch keine flächendeckende Überwachung vor, sondern setzt auf präventive Maßnahmen wie die Einrichtung eines „Online-Kommissariats“. Dieses soll als Anlaufstelle für Betroffene dienen, Medienkompetenz stärken und durch Aufklärung in Schulen und sozialen Medien gezielt gegen Missbrauch, Extremismus und Cybermobbing vorgehen. Der Fokus liegt dabei auf freiwilligen Meldewegen, anonymen Beratungsangeboten und der Förderung von Schutzräumen – nicht auf der anlasslosen Auswertung privater Nachrichten.
Ihre Befürchtung, dass eine Chatkontrolle zu einem Klima der Angst führen und marginalisierte Gruppen besonders treffen könnte, ist nachvollziehbar. Die SPD-Fraktion warnt in diesem Zusammenhang vor den Risiken unklarer gesetzlicher Rahmenbedingungen, die Missbrauch Tür und Tor öffnen. So wurde etwa die Nutzung privater Messenger-Dienste durch Justizminister Limbach für dienstliche Absprachen scharf kritisiert, da dies Transparenz untergräbt und das Vertrauen in staatliches Handeln beschädigen kann. Die Fraktion fordert stattdessen klare Regeln für den Umgang mit sensiblen Daten, wie sie in der Geschäftsordnung des Landtags verankert sind, sowie eine Stärkung der Landesdatenschützerin, deren Arbeit in der Vergangenheit blockiert wurde.
Zusammenfassend lehnt die SPD-Landtagsfraktion NRW eine undifferenzierte, anlasslose Massenüberwachung privater Kommunikation ab. Stattdessen werden zielgerichtete Präventionsmaßnahmen, transparente Sicherheitsarchitekturen und die Stärkung digitaler Mündigkeit gefordert. Die Fraktion wird sich weiterhin dafür einsetzen, dass Sicherheitsgesetze verhältnismäßig bleiben und nicht auf Kosten der Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger gehen. Ihre kritische Haltung zu diesem Thema ist daher ein wichtiger Impuls, der in den weiteren politischen Diskurs einfließen wird.
Mit freundlichen Grüßen
Anja Butschkau