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Anette Kramme
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Frage von Jörg M. •

Frage an Anette Kramme von Jörg M. bezüglich Soziale Sicherung

Jörg Morka Köln, 21.08.2010

„ Kölner Modell“

Sehr geehrte Frau Anette Kramme

Die sog. „Bildungschipkarte“ ist zwar ein Reizthema, allerdings sehe ich in ihr auch eine große Chance.
Wie wäre es mit einer Chipkarte ( ein griffiger Name könnte man in einem Ideewettbewerb unter Jugendlichen ausloben ), für die alle Kinder/Jugendliche unter 18 Jahre 20% Rabatt auf alle kulturellen und sportlichen Anbieter * erhalten. (*, Sportvereine, Museen, Theater, Buchhandel... )
Diejenigen, die aus dem schwachen sozialen Umfeld entstammen, bekommen auf dieser Karte einen entsprechenden Geldwertbetrag monatl. gutgeschrieben.

Alle haben dann vom Aussehen die gleiche Karte, alle profitieren.

Was halten Sie davon?

Mit freundlichen Grüssen

Jörg Morka

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Morka,

herzlichen Dank für Ihre Zuschrift zum Thema Bildungschipkarte. Zum speziellen „Kölner Modell“, das Sie nennen, kann ich mich derzeit nur bedingt äußern. Mir ist zwar bekannt, dass die Forderung nach einer Chipkarte für alle Familien vom stellvertretenden SPD-Landesvorsitzenden Jochen Ott erhoben wurde. Sollte es tatsächlich gelingen, mit dieser Lösung eine Stigmatisierung armer Kinder zu verhindern, ist die Idee zumindest bedenkenswert. Prinzipielle Fragen nach Datenschutz und Kosten bleiben aber nach meinem Wissen unbeantwortet.

Denn generell sehe ich beim Thema Chipkartenlösung diverse Probleme. Zum einen fürchte ich ein hohes Maß an Bürokratie und hohe Investitions- und Abrechnungskosten für eine elektronische Karte. Wir sollten vermeiden, dass Abermillionen in ein Chipkartensystem investiert werden, die dann an anderer - für mich wichtigerer - Stelle fehlen.

Fraglich ist auch, ob Privatpersonen, die kindergemäße Leistungen anbieten, bei einer Chipkartenlösung nicht ausgebootet werden. Individueller Musikunterricht außerhalb von Schulen wäre so ebenso wenig abrechenbar wie z.B. private Nachhilfe, die nicht durch Nachhilfevereine, sondern durch Klassenkameraden erfolgt, welche vermutlich kein Kartenlesegerät haben dürften. Ich sehe hier die Gefahr einer „Vermarktlichung“, bei der nur die Leistungen abgerechnet werden, für die sich auch kommerzielle Anbieter finden. Dies entspricht gerade nicht den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes, wonach sicher gestellt werden muss, dass die Leistungen zur kulturellen Betätigung und Persönlichkeitsentwicklung von Kindern auch tatsächlich erfolgen.

Schwierig finde ich auch den datenschutzrechtlichen Aspekt einer Chipkarte. Es sollte auf keinen Fall nachvollziehbar sein, wann, wie und wo Kinder ihre Freizeit verbringen.

Die von Frau Bundesministerin von der Leyen losgetretene Debatte um die
Chipkarten empfinde ich eher als Ablenkungsmanöver denn als ernstgemeinten Lösungsvorschlag. Die nötige Mehrheit im Bundesrat ist nicht in Sicht. Frau von der Leyen sollte erst einmal die neu errechneten Regelleistungen präsentieren, statt Zukunftsmusik zu spielen, denn die Einführung einer Chipkarte würde Jahre dauern. Außerdem haben wir bisher keine seriöse Datenbasis und damit auch keine Diskussionsgrundlage, ob und welche Beträge man den Kindern in Form von Sachleistungen zur Verfügung stellen könnte.

All das soll nicht heißen, dass ich die Einführung einer Chipkarte perspektivisch für unmöglich halte. Sie ist aber nicht das vordringlichste Problem und könnte nur ergänzend zu generell höheren Regelsätzen für Kinder wirken.

Mit freundlichen Grüßen

Anette Kramme

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