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Andrew Ullmann
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Frage von Sami A. •

Frage an Andrew Ullmann von Sami A. bezüglich Familie

Sehr geehrter Herr Ullmann,

da Sie Abgeordneter eines bayerischen Wahlkreises sind und ich leidliche Erfahrungen an bayerischen Gerichten (FG Amberg und OLG Nürnberg) hinsichtlich der familienrechtlichen Situation sammeln konnte, interessiert mich Ihre Haltung zu zwei familienrechtlichen Themen besonders.

1. Strafbarkeit von Umgangsboykott
In Frankreich wird Umgangsboykott strafrechtlich verfolgt (Code Pénal Article 227-5). In Deutschland hingegen, kann man mit § 1684 (2) BGB als Grundlage nur zivilrechtlich dagegen angehen. In der Praxis ist es allerdings so, daß der anzeigende Part in familienrechtlichen Fällen den Ruf eines Querulanten bekommt, was den Paragraphen somit überflüssig macht. Meiner Meinung nach ist dies ein Indikator dafür, daß in diesem Aspekt die Beziehung des Kindes zu seinen Eltern vom französischen Staat als schützenswerter angesehen wird, als es der deutsche Staat tut.
Wie stehen Sie zu einer Einführung eines solchen strafgesetzlichen Paragraphen? Würden Sie selber einen solchen Gesetzesantrag vorbringen?

2. Automatische geteilte Sorge ab Geburt für unverheiratete Paare
Die Sorgerechtsregelung bei unverheirateten Paaren ist für Männer sehr nachteilhaft. Männer sind in der Regel vom Wohlwollen der Mutter abhängig, ohne Einverständnis der Mutter ist die Erlangung der geteilten Sorge nicht möglich. Ich sehe darin weder die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau verwirklicht (Art. 3 (2) GG), noch sehe ich darin, daß andere Modelle des Zusammenlebens respektiert werden. Dabei ist es ausdrücklich im Koalitionsvertrag festgehalten, daß kein Familienmodell vorgeschrieben wird (siehe Seite 19 des Koalitionsvertrags).
Welch enorme Auswirkung diese gesetzliche Schieflage hat, wird durch den bekannten und skandalösen Fall Görgülü deutlich.
Darüberhinaus ist in Frankreich die gemeinsame Sorge ab Geburt bereits jetzt Realität.
Wie stehen Sie zur geteilten Sorge ab Geburt des Kindes bei unverheirateten Paaren?

Mit freundlichen Grüßen,

S. A.

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Sehr geehrter Herr A.,

vielen Dank für Ihre Nachricht vom 13.06.2018 in der Sie sich auf die Strafbarkeit des Umgangsboykotts und das geteilte Sorgerecht von Geburt an beziehen.

Im allgemeinen Sprachgebrauch ist mit „Umgangsboykott“ die Tatsache gemeint, dass die Eltern eines Kindes getrennt voneinander leben und das betreuende Elternteil den Umgang mit dem anderen Elternteil verwehrt. Für die Freien Demokraten steht in allen Fragen des Familienrechts das Kindeswohl im Vordergrund.

§ 235 des Strafgesetzbuches (StGB) stellt bereits jetzt besonders eklatante Fälle des „Umgangsboykotts“ unter Strafe. Dies ist zum einen der Fall, wenn List, Drohung oder Gewalt angewandt werden, um einem Elternteil das Kind oder den Jugendlichen zu entziehen, oder wenn ein Elternteil entgegen dem Willen des anderen Elternteils das Kind ins Ausland verbringt. Durch diese Strafnorm werden sowohl die sorgeberechtigten Elternteile geschützt als auch die Elternteile, die zwar kein Sorgerecht, aber Umgangsrecht haben. Da hiermit bereits die besonders schweren Fälle des „Umgangsboykotts“ strafrechtlich sanktioniert werden, ist fraglich, ob das Strafrecht als schärfstes Schwert des Rechtsstaates das geeignete Mittel ist, um jeder Form des „Umgangsboykotts“ wirksam zu begegnen. Zudem ist zu beachten, dass, auch wenn ein strafbares Verhalten nach § 235 StGB vorliegt, diese Feststellung nicht ohne Weiteres zur Herausgabe des Kindes oder Jugendlichen führt; dafür muss vielmehr der Zivilrechtsweg beschritten werden. Wenn es um die Herausgabe des Kindes geht, kann dies z.B. durch einen Antrag zur Kindesherausgabe nach § 1632 Abs. 1 BGB beim zuständigen Familiengericht geschehen. Deswegen ist davon auszugehen, dass die Rechtsordnung schon jetzt geeignete Mittel bereithält, um gegen ein „Umgangsboykott“ wirksam vorzugehen. Dass ein „Umgangsboykott“ für den betroffenen Elternteil emotional immer sehr belastend und schwierig ist, ist natürlich verständlich.

Dass bei nicht miteinander verheirateten Eltern grundsätzlich alleinig die Mutter die elterliche Sorge innehat, wird nicht immer den tatsächlichen familiären Gegebenheiten gerecht. Weiterhin werden moderne Familienkonstellationen in diesem System nicht ausreichend berücksichtigt und eine solche Regelung steht im Widerspruch zu den Erwägungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und des Bundesverfassungsgerichts. Die Freien Demokraten setzen sich deshalb für die Einführung einer Verantwortungsgemeinschaft ein. Dieses Rechtsinstitut soll mit flexiblen Bausteinen der Verantwortungsübernahme zwischen mehreren Personen unabhängig von der Art des Zusammenlebens ausgestaltet sein.

Ebenso setzen wir uns für ein gemeinsames Sorgerecht beider Eltern unabhängig von ihrer rechtlichen Beziehung zueinander von Geburt an ein. Eine solche Regelung könnte z.B. als Widerspruchslösung ausgestaltet sein. Danach hätten grundsätzlich beide Elternteile das Sorgerecht, es sei denn, dass einer von ihnen dem widerspricht und durch ein familiengerichtliches Urteil etwas anderes festgelegt wird. Weiterhin könnte man im Rahmen der Vaterschaftsanerkennung auch die Übernahme des Sorgerechts abfragen. Hier handelt es sich aber nur um erste Ideen.

Fest steht, dass es einer dringenden Reform des Elternschaftsrechts bedarf. Die Freien Demokraten werden zu diesem wichtigen Thema noch in dieser Legislaturperiode entsprechende Initiativen in die parlamentarische Debatte einbringen.

Mit freundlichen Grüßen

Andrew Ullmann

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