Sehr geehrter Herr Alhamwi, wie stehen Sie zur von der EU geplanten Chatkontrolle?
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich fordere Sie auf, das Ansinnen einer Chatkontrolle wie von der EU imitiert gänzlich abzulehnen.
Ich bin ein betroffener Vater, dessen Tochter als Kind missbraucht wurde.
Ich glaube nicht, dass diese Taten mittels der Chatkontrolle hätten verhindert werden können, so gerne ich es wünschte.
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr L.,
vielen Dank für Ihr Schreiben. Dass Ihre Familie, insbesondere Ihre Tochter, persönlich diese furchtbare Erfahrung machen musste, löst große Betroffenheit und Sorge bei mir aus. Umso mehr danke ich Ihnen für Ihre Anfrage und Ihre Haltung zu dem geplanten Chatkontrollgesetz.
Für mich als Bundestagsabgeordneten, der sich in der Verantwortung sieht, aufmerksam auf die Belange der Bürger: innen zu achten und diese zu vertreten, steht die Verteidigung der demokratischen Grundlagen und der Schutz der Bürgerrechte im Vordergrund.
Für uns als grüne Bundestagsfraktion ist der Einsatz für die Bürgerrechte im Digitalen ein Kernanliegen unserer Arbeit. Deshalb teilen wir Ihre Bedenken hinsichtlich der sogenannten „Chatkontrolle“, die im Rahmen der CSA-Verordnung auf europäischer Ebene verhandelt wird. Ich stimme Ihnen zu, dass diese Missbrauchstaten alleine durch das geplante Gesetz nicht verhindert werden. Daher ist immens wichtig, auf wirksame Maßnahmen hinzuwirken.
Seit Beginn der Verhandlungen über die CSA-Verordnung begleiten wir diese Diskussion parlamentarisch und öffentlich kritisch. Wir treten als grüne Bundestagsfraktion sowohl für tatsächlich zielführende Instrumente zur Effektivierung der Bekämpfung von sexuellem Missbrauch und seiner Darstellung als auch für den Schutz und Erhalt digitaler Grundrechte ein.
Die grüne Bundestagsfraktion unterstützt ausdrücklich die von der EU-Kommission angestrebten Ziele zur Bekämpfung und der Prävention sexualisierter Gewalt an Kindern sowie zum besseren Schutz von Kindern.
Die derzeit im EU-Rat diskutierten Vorschläge gehen über dieses Ziel deutlich hinaus: Sie würden Anbieter digitaler Kommunikationsdienste verpflichten, die private Kommunikation ihrer Nutzenden massenhaft und anlasslos zu durchsuchen. Dies gefährdet die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung und eröffnet Wege für eine flächendeckende Überwachung privater Kommunikation. Ebenso besteht die Gefahr, dass der effektive Bruch der Ende-zu-Ende Verschlüsselung risikoreiche Schwachstellen schafft, die immer auch von Dritten ausgenutzt werden können und somit vor dem Hintergrund der aktuellen Cyberbedrohungslage nicht zu verantworten sind. Und letztlich neue Tore für missbräuchliche Nutzung öffnen würden. Die Implementierung dringend notwendiger, tatsächlich wirksamer Schutzmaßnahmen für Kinder und Jugendliche bisher weitgehend aus.
Aus Sicht der grünen Bundestagsfraktion liegen eine Vielzahl anderer wirkungsvoller Vorschläge vor.
Dazu zählen unter anderem:
• der deutliche Personalausbau bei Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden
• die Stärkung der Ermittlungsbehörden, beispielsweise durch die Schaffung eines „Quick-Freeze“-Gesetzes und die Nutzung von „Login-Fallen“
• die Implementierung zielgerichteter Methoden zur Effektivierung der Strafverfolgung im Netz wie Blockchain-Analysen und Netzwerkanalysen zur Aufdeckung und Zerschlagung von Täter*innen-Netzwerken.
• eine ausreichende finanzielle und personelle Ausstattung des Digital Services Coordinator (DSC) und der Stelle zur Durchsetzung von Kinderrechten in digitalen Diensten (KidD)
• mehr Präventionsarbeit, beispielsweise auch durch den Einsatz von digitalen Streetworkern, und die bessere Unterstützung von Betroffenen
Deutschland war in der Vergangenheit eine entscheidende Stimme, die Einführung der Chatkontrolle im Rat der EU zu verhindern. Wir drängen die Bundesregierung mit Nachdruck dazu, hier nicht zu wanken. Wir haben daher aktuell einen umfassenden Antrag in den Bundestag eingebracht, den sie hier finden: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/21/020/2102045.pdf
Wir fordern wir die Bundesregierung darin auf, sich im Europäischen Rat gegen eine anlasslose Überprüfung jeglicher privaten Inhalte und Speichermedien auszusprechen und stattdessen zielführende Alternativvorschläge umzusetzen, um Kinder und Jugendliche endlich besser zu schützen.
Das Ziel ist klar: Wir wollen Kinder und Jugendliche wirksam schützen und zugleich die Grundrechte aller Bürgerinnen und Bürger wahren. Beides darf nicht gegeneinander ausgespielt werden.
Ich habe großen Respekt dafür, dass Sie sich trotz der persönlichen Betroffenheit gegen diese geplante Verordnung aussprechen und sich mit Ihrer Bitte an mich gewandt haben.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Alaa Alhamwi, MdB
Bündnis 90 / Grüne

