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Checkliste

Lobbyregister oder Etikettenschwindel?

Die Amthor-Affäre bringt Schwung in eine alte Debatte: Was dürfen Lobbyist:innen in Deutschland eigentlich - und was sollte verboten werden? Ein wichtiger Lösungsansatz ist ein verpflichtendes Lobbyregister, was abgeordnetenwatch.de seit Jahren fordert. Inzwischen bewegen sich sogar CDU/CSU - doch am Ende könnte ein weitgehend wirkungsloses Gesetz stehen.

von Roman Ebener, 25.06.2020

Kommt denn nun ein Lobbyregister? Kurz: Vermutlich ja, aber wahrscheinlich wird es nicht mal Mindestanforderungen erfüllen. Aktuell verhandeln Union und SPD über die Eckpunkte einer solchen Regelung, ein fertiges Gesetz steht noch aus, genau wie die abschließende Bewertung. Doch die bislang bekannten Fakten machen eher wenig Mut. In der Diskussion ist eine Ergänzung der bestehenden Verbändeliste und ein „Verhaltenskodex“ für Lobbyist:innen. Das dürfte nicht annähernd ausreichen, um den von abgeordnetenwatch.de und LobbyControl in einem 2017 ausgearbeiteten Gesetzentwurf aufgestellten Standard zu genügen.

Zusammenfassend geht es darum, dass die Öffentlichkeit nachvollziehen soll, welche Einflüsse auf politische Entscheidungen gewirkt haben. Also: Welche Lobbyist:innen, wann zu welchen Themen Kontakt mit der Politik hatten.

Zur Übersicht haben wir eine 15-Punkte Liste erarbeitet, die ein Lobbyregister mindestens erfüllen muss, um wirksam zu sein.

Grundlegend

ÖffentlichkeitDas Register wird elektronisch geführt. Die Angaben im Lobbyregister sind öffentlich über das Internet abrufbar.
Verpflichtung

Alle* Interessenvertreter:innen müssen sich eintragen.

* Eine Relevanzschwelle ist so zu setzen, dass professionelle Interessenvertretung erfasst wird.

VerifizierungEine unabhängige Prüfinstanz ist für die Führung des Registers verantwortlich und erhält Befugnisse, Verstöße zu prüfen und zu sanktionieren.
SanktionierungVerstöße werden mit relevanten Sanktionen & Vorteilsabschöpfung versehen. Schwere Verstöße müssen öffentlich gemacht werden.

Ebenen

BundestagWelche Abgeordneten bzw. deren Mitarbeiter:innen oder welche Ausschüsse sind zu registrierungspflichtigen Aktivitäten kontaktiert worden?
BundesregierungWelche Mitglieder der Bundesregierung bzw. deren Mitarbeiter:innen / Stellen sind zu registrierungspflichtigen Aktivitäten kontaktiert worden?
BundesratWelche Mitglieder des Bundesrates bzw. deren Mitarbeiter:innen / Stellen sind zu registrierungspflichtigen Aktivitäten kontaktiert worden?
BundesbehördenWelche Mitarbeiter:innen / Stellen sind in Bundesbehörden zu registrierungspflichtigen Aktivitäten kontaktiert worden?

Register-Details

Wer: Basis-DatenGeben Aufschluss über die Organisation, verantwortliche Stellen, offizielle Eintragungen (Handelsregister, Vereinsregister etc.), handelnde Personen
Für Wen: ggf. AuftraggeberWenn nicht im eigenen Auftrag gehandelt wird, müssen Auftraggeber veröffentlicht werden.
Mit Wem: Entscheidungsträger:innenWelche Entscheidungsträger:innen wurden kontaktiert?
Was: VorhabenWorauf bezieht sich die Interessenvertretung? Dies können z.B. Initiierung, Ablehnung, Vorbereitung oder Formulierung von Gesetzen, Rechtssetzungsakten oder Vorlagen sein, aber auch Beratungen, Bewertungen oder Empfehlungen. Genannt werden sollte also z.B. der konkrete Gesetzentwurf oder eine konkrete Bezeichnung des Anliegens.
Wie: FormEintragung der Kategorie, wie der Austausch stattgefunden hat, also z.B. telefonisch, im persönlichen Gespräch, schriftlich, etc.
Wann: DatumZur Nachvollziehbarkeit gehört auch ein Datum des jeweiligen Kontaktes
Umfang: Ressourcen & EinsatzAus dem Lobbyregister müssen die finanziellen Aufwendungen deutlich werden, also wie hoch das für Interessenvertretung aufgewendete Budget ist und wie viele Mitarbeiter:innen eingesetzt werden

Die Liste als PDF zum Download / als Grafik (PNG) 

Wie kam es zum aktuellen Wandel?

Bei der Union, lange die stärkste Gegnerin von mehr Lobby-Transparenz, ist inzwischen die Total-Blockade Geschichte. Mehrere Abgeordnete, darunter auch CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak, haben sich öffentlich für ein Lobbyregister ausgesprochen. Damit ist der letzte offizielle Widerstand vorbei. Zuvor hatte auch die FDP ein Lobbyregister gefordert. Selbst Lobbyverbände fordern schon länger klare Regeln.

Die SPD, die das Thema während der Koalitionsverhandlung noch nicht durchsetzen wollte, tritt nun öffentlich wieder stark für ein Lobbyregister ein. Eine Expert:innen-Anhörung wurde jedoch mit den Stimmen der GroKo auf den Herbst verschoben.

 

 

Marco Buschmann, FDP im Bundestag
Screenshot Bundestag.de

 

Das Lobbyregister war am 19.06.2020 auch Thema einer aktuellen Stunde im Bundestag. (Ganze Debatte in der Mediathek auf Bundestag.de)

Warum jetzt die Verzögerung?

Union und SPD wollen bis Herbst einen gemeinsamen Vorschlag erarbeiten. Da es bislang keine Einigungen gab, würde Zeit für Verhandlungen benötigt.

Jan Korte, 1. Parlamentarischer Geschäftsführer DIE LINKE, kritisierte: „Seit Jahren fordern nicht nur DIE LINKE, sondern auch Transparenzorganisationen ein Lobbyregister. Seit Beginn der Legislaturperiode liegt unser Gesetzentwurf vor, auch Grüne und FDP haben Initiativen dazu vorgelegt. Eine Anhörung vor der Sommerpause wäre nicht nur ein Zeichen der Koalition gewesen, dass sie verstanden hat, was die Menschen bewegt. Sie hätte ihr auch die Möglichkeit geboten, Erkenntnisse aus der Anhörung in einen möglichen Koalitionsentwurf aufzunehmen. Es ist nicht nachvollziehbar, dass sie diese Chance hat verstreichen lassen.“

Und was hat das mit Amthor zu tun?

Der Fall Amthor hat erneut gezeigt, dass die fehlenden Regeln für Lobbyismus in Deutschland bereits ein ausgewachsenes Problem darstellen. Allerdings ist Phillipp Amthor für das Lobbyregister eigentlich ein Spezialfall. Denn in diesem Fall findet der Lobbyismus durch einen Abgeordneten selbst statt. Hier fehlen also auch noch Transparenzregeln für Abgeordnete, die Lücken in den Verhaltensregeln sind viel zu groß. So konnte Amthor - völlig legal - vor der Öffentlichkeit verbergen, dass er Aktienoptionen von Augustus Intelligence besaß. Auch den Hintergrund seiner monatlichen Einkünfte zwischen 1000 - 3.500 Euro von der Kanzlei White & Case braucht er nicht offenzulegen.

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