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Frage von Eric M. •

Frage an Fabio De Masi von Eric M. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr De Masi,

vielen Dank für Ihre Antwort vom 12.4.
Leider haben Sie aber einige meiner Fragen irgendwie umschifft, ich möchte daher noch einmal nachhaken.

Was passiert mit Menschen, die keine Erwerbsarbeit machen wollen? Dahinter steht die Frage nach der "Freiwilligkeit" von Erwerbsarbeit, die es ohne ein Bedingungsloses Grundeinkommen schlicht nicht gibt. Natürlich steht es denn Menschen immer frei, nicht zu arbeiten, nur verhungern sie dann halt eben, siehe https://bit.ly/3a3k0Ne

Auch die Frage nach der Art der Jobs haben Sie für meine Begriffe nicht ausreichend beantwortet. David Graebers "Bullshitjobs" sind, da war meine Frage unpräzise, so definiert, dass sie _subjektiv_ von den sie Ausführenden als sinnlos oder schädlich empfunden werden. Sie werden aber offenbar von irgendjemandem als sinnvoll empfunden, sonst gäbe es sie ja nicht (und sie sind keineswegs auf den privaten Sektor beschränkt). Es gibt keinen objektiven Begriff von Gemeinnützigkeit, das ist ja das Problem (deshalb müssen wir uns auf viele subjektive Begriffe einlassen). Die Frage ist also, wie Sie sicherstellen wollen, dass die Jobs von ihren Inhabern als sinnvoll und machbar empfunden werden. Im real existierenden Sozialismus wurde dieses Problem trotz großer propagandistischer Anstrengungen nie gelöst.

Schlussendlich: Warum achten Sie die unbezahlte Arbeit eigentlich so gering? Sie gehen davon aus, dass die Qualifikationen von Menschen ohne Erwerbsarbeit verkümmern, dabei ist die unbezahlte Arbeit in hohem Maße volkswirtschaftlich relevant, warum sollten die Menschen ihre Qualifikationen nicht dort einbringen? Siehe dazu z.B. https://bit.ly/3s8avm5
Warum möchten Sie die vielen wichtigen und schönen Tätigkeiten, die Menschen wirklich freiweillig ausüben (Sorgearbeit, Demokratiearbeit, kreativ-schöpferische Arbeit), unbedingt in die Erwerbsform zwingen?

Mit freundlichen Grüßen
Eric Manneschmidt

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Antwort von
BSW

Sehr geehrter Herr Manneschmidt,

ich habe Ihre Fragen nicht umschifft. Es ist nur so, dass Ihnen meine Antworten nicht gefallen.

Die Jobgarantie ist ein zusätzliches Angebot und soll Menschen, die arbeiten können und wollen, eine sinnvolle Tätigkeit verschaffen. Sie ersetzt selbstverständlich keine soziale Sicherung bei Arbeitslosigkeit. Darauf habe ich hingewiesen. Wenn Sie gerne persönlich keiner Erwerbsarbeit nachgehen wollen, verschafft Ihnen das nicht das Recht, anderen die Möglichkeit einer sinnvollen Tätigkeit zu verwehren.

Und selbstverständlich haben Sie keinen unbegrenzten Anspruch darauf, dass andere Menschen für Sie arbeiten. Würde niemand mehr einer Erwerbstätigkeit nachgehen, wäre ja übrigens auch das von Ihnen gewünschte bedingungslose Grundeinkommen nicht finanzierbar. Ein Recht kann aber nur bestehen, sofern es für jeden existiert. Dies ist ein Widerspruch, den Sie beantworten müssen, nicht ich.

Eine soziale Grundsicherung ist immer auch aus verfassungsrechtlichen Gründen zu garantieren und sollte nach meiner Vorstellung über die gegenwärtigen Leistungen des Hartz-IV-Systems hinausgehen. Allen voran die Zumutbarkeitskriterien, die Menschen in Jobs drängen, die sie gar nicht wollen, und nebenbei noch Arbeit unanständig billig machen, gehören abgeschafft. Außerdem kann auch das BGE auch zu niedrig sein, weil eine pauschale Zahlung unterschiedliche realen Bedarfe nicht abdecken kann, etwa bei den Wohnkosten oder den Ausgaben für Gesundheit und Pflege!

Ich bin aber der Auffassung, dass jene, die einer Erwerbsarbeit nachgehen, ein Einkommen beziehen müssen, das über der sozialen Grundsicherung liegt.

Zu den „Bullshit-Jobs“: Seit dem Beginn der Lohnarbeit ist es Ziel - etwa der Arbeiterbewegung - gewesen, die Erwerbsarbeit zu humanisieren (Arbeitszeitverkürzung, Arbeitsschutz) und in bestimmten Bereichen auch gesellschaftlich darüber zu entscheiden, was und wie produziert wird (Wirtschaftsdemokratie). Arbeit ist nicht nur Einkommen, sondern kann auch soziale Kontakte und Sinn stiften.

Wenn der Maßstab hierfür alleine ist, was Sie oder jemand anderes persönlich empfinden, braucht es keine Wirtschaftsdemokratie. Der eine findet Windräderbauen falsch, der andere Burgerbraten. Das muss eine Gesellschaft verhandeln. Für mich sind der Maßstab Kriterien des Gemeinwohl (etwa eine ressourcenschonende Produktionsweise) und gute Arbeit, die ein Leben frei von Existenzängsten ermöglicht.

Ich achte unbezahlte Arbeit überhaupt nicht gering. Mein Anspruch ist es, viele Tätigkeiten, die derzeit unentgeltlich und privat verdichtet werden, ordentlich sozial abzusichern (z.B. Kinderbetreuungszeiten in der Rentenversicherung) bzw. in der Daseinsvorsorge zu organisieren. Wir bezahlen ja auch Altenpfleger*innen oder Beschäftigte in Kinderbetreuungseinrichtungen. Oder drängen wir diese Menschen in Erwerbsarbeit und soll dies nur noch privat verrichtet werden?

Ich empfehle zur weiteren Lektüre: https://wipo.verdi.de/++file++5a292c6ae58deb5c69280a44/download/04-2017%20Bedingungsloses%20Grundeinkommen.pdf

Beste Grüße,

Fabio De Masi