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Frage von Michael H. •

Frage an Wolfgang Tiefensee von Michael H.

Sehr geehrter Herr Tiefensee,

ich habe prinzipiell nichts gegen den Grundsatz, wer viel leistet, soll viel dafür bekommen. Und Sie als Berufspolitiker haben unbestritten ein hohes Arbeitspensum und auch viel Stress. Leider habe ich noch nie verstanden, wieso sich die Berufsgruppe der Politiker, die Höhe der Diäten selbst festlegen kann. Nun glaubte ich meinen Augen nicht, als ich in einem Artikel www.welt.de las, dass ein Großteil der Mitglieder des Deutschen Bundestages für eine Diätenerhöhung von 10% zugestimmt hat, so auch Sie. Ebenfalls habe ich mit Erstaunen gelesen, dass es bald zu einer Art Automatismus bei der Anpassung der Diäten an das allgemeine Lohnniveau kommen soll. Können Sie mir bitte sagen, wie Sie Ihre Zustimmung moralisch rechtfertigen? Denn wie kann es sein, dass zum Beispiel eine junge Erzieherin, die unbestritten eine hohe Verantwortung trägt und auch großem Stress ausgesetzt ist, nach TVöD oeffentlicher-dienst.info ein Monatsentgelt von ca. 2200 € bekommt. Bleiben unterm Strich nach Abzug von Sozialversicherung und Lohnsteuer ca. 1600 - 1700 €. Und Sie haben nun einer Erhöhung der Diäten, um 830 € auf 9082 € monatlich zugestimmt. Woran machen Sie die Verhältnismäßigkeit von Arbeit zu Verdienst fest? Ist denn die Arbeit von so vielen Menschen in Deutschland, die im Grunde durch die enormen Steuerabgaben auch Ihre Diäten finanzieren, nichts mehr wert? Ich bitte Sie um Beantwortung meiner beiden Fragen?

Mit freundlichen Grüßen
Michael Hauschild

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Sehr geehrter Herr Hauschild,

dass wir Mitglieder des Bundestages die Höhe unserer zu versteuernden Diäten selbst festlegen, ändert sich mit dem Beschluss des Bundestages vom 21. Februar 2014 – das finde ich richtig so:

Ab 2016 wird die Entwicklung der zu versteuernden Entschädigung der Abgeordneten an die Brutto-Lohnentwicklung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gekoppelt. Damit wird der von einer unabhängigen Kommission empfohlene sogenannte Nominallohnindex Maßstab für die Diät-Höhe. Dieser Index wird stets vom Statistischen Bundesamt ermittelt und stellt zugleich die prozentuale Veränderung zum Vorjahr fest. Diese prozentuale Veränderung muss natürlich nicht zwangsläufig positiv, sondern kann auch negativ sein. Dieses neue Anpassungsverfahren ist somit kein Automatismus für eine Erhöhung der Diät. Es kann auch zu einer Absenkung der Diät kommen.

2011 hat der Deutsche Bundestag die oben genannte unabhängige Kommission damit beauftragt, Fragen des Abgeordnetenrechts zu prüfen, dessen Ergebnisse im März 2013 vorgestellt wurden. In den Empfehlungen rät die unabhängige Kommission dazu, die zu versteuernde Höhe der Abgeordnetenentschädigung an der Besoldung von Richtern (Besoldungsgruppe R 6) zu orientieren. Das wird nun in zwei Stufen geschehen.

Begründet wird das damit, dass die Tätigkeit eines Abgeordneten als Mitglied eines obersten Verfassungsorgans laut Kommission am ehesten mit einem Richter an einem obersten Gerichtshof des Bundes vergleichbar ist und beide ihre Tätigkeit unabhängig wahrnehmen. Mit dieser Orientierungsgröße erhalten Abgeordnete zukünftig eine Entschädigung wie Landräte und Bürgermeister mittelgroßer Städte mit ca. 250 000 Einwohnern.

Die Besoldungsgruppe R 6 als Orientierungsgröße ist allerdings nicht neu, da sie bereits seit 1995 den bestehenden gesetzlichen Regelung entspricht. Allerdings haben die zu versteuernden Abgeordnetenbezüge diesen Betrag nie erreicht, da die Abgeordneten des Deutschen Bundestages wiederholt auf eine Diätenerhöhung verzichtet haben. So gab es beispielsweise in den Jahren 2003 bis 2007 und 2009 bis 2011 keine Anhebung. So liegt die derzeitige Differenz zwischen der Abgeordnetenentschädigung und der Besoldung von Richtern an obersten Bundesgerichten bei ca. 830 Euro.

Zur Wahrheit des Beschlusses des Bundestages vom 21. Februar gehören jedoch auch verschärfende Maßnahmen gegen Abgeordnetenbestechung: Abgeordnete sind Vertreterinnen und Vertreter des ganzen Volkes, sie sind an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. So besagt es Artikel 38 unseres Grundgesetzes.
Politik und damit auch jeder Abgeordnete ist auf Informationen, Meinungsaustausch, dem Werben für Positionen und der Artikulation unterschiedlicher Interessen angewiesen. Der Austausch von Meinungen und die Durchsetzung von Auffassungen und Interessen sind Kernbestandteile unserer pluralistischen Gesellschaft. Ist transparent und nachvollziehbar, wie die Gesetze entstehen und von wem welche Interessen vertreten und Einfluss genommen wird, erhöht das die Akzeptanz der Ergebnisse bei den Bürgerinnen und Bürgern.

Wenn allerdings die Durchsetzung von Interessen gegenüber des Parlaments mit nicht legitimen Vorteilen oder Geldzahlungen einhergeht, werden die Regeln einer fairen Wahrnehmung von Interessen verletzt. Korruption, Klüngelwirtschaft und undurchsichtige Mauscheleien beschädigen die demokratischen Institutionen und zerstören das Vertrauen in die Politik.

Bislang war in Deutschland nur der Kauf bzw. Verkauf der Abgeordnetenstimme bei Wahlen und Abstimmungen verboten. Alles andere blieb straffrei. Wir haben im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD vereinbart, das zu ändern. Strafwürdige Manipulationen bei der Wahrnehmung des Abgeordnetenmandats können künftig geahndet werden. Zugleich haben wir die Voraussetzung geschaffen, dass Deutschland die bereits 2003 unterzeichnete UN-Konvention gegen Korruption endlich umsetzen kann.

Künftig wird bestraft, wer einem Mandatsträger einen ungerechtfertigten Vorteil als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass der Abgeordnete bei Mandatswahrnehmung eine vom „Auftraggeber“ gewünschte Handlung vornimmt bzw. unterlässt. Umgekehrt trifft es die Abgeordneten, wenn sie für solche Handlungen einen Vorteil fordern, sich versprechen lassen oder annehmen. „Vorteile“ meint materielle genauso wie immaterielle Vorteile. Die Straftat kann mit bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe sanktioniert werden.

Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang Tiefensee