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Ulla Jelpke
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Frage von michael h. •

Frage an Ulla Jelpke von michael h. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Jelpke,

nach der eingehenden Lektüre Ihrer Homepage und Ihrer Antworten auf www.abgeordnetenwatch.de, stelle ich fest, dass Sie per se nichts gegen Streitkräfte haben; solange diese der vermeintlich richtigen Sache dienen. Als Beispiel führe ich folgendes Zitat aus, das ich Ihrer Rede in der venezuelanischen Botschaft im April 2008 entnommen habe:

"Am Widerstand des Volkes und loyaler Armeeeinheiten scheiterte vor sechs Jahren der Versuch, Präsident Hugo Chavez durch einen reaktionären Putsch zu stürzen..."

Nun gehören Sie in Deutschland zu denjenigen, die vor einer Militarisierung des Landes warnen und jegliches auftreten der Bundeswehr in der Öffentlichkeit kritisieren. Wie verträgt sich diese Einstellung mit Ihrer Unterstützung von Gesellschaften wie Kuba oder Venezuela, wo Militarismus und dessen Symbolik quasi zur Staatsräson gehören.

Des Weiteren verstört mich Ihre
Antwort auf www.abgeordnetenwatch.de vom 04.01.2010, wo Sie alle militärische Aktivitäten verurteilen, die von vermeintlichen kapitlistischen Staaten oder Organisationen befördert wurden, zeitgleich aber den bewaffneten Kampf "antikapitalistischer" Regime und Staaten befürworten. In diesem Kontext würde ich von Ihnen gerne erfahren, wie Sie den Überfall der Sowjetunion auf Afghanistan im Jahr 1979 einordnen, der eindeutig nicht einem kapitalistischen System zugeordnet werden konnte. Die Besatzung der Sowjets dauerte 9 Jahre und kostete über eine Million Afghanen das Leben. Hier sei zu ewähnen, dass dieser Krieg der Sowjets nach landläufigem historischem Erkenntnisstand die Initinalzündung für die Genese der Warlords und der Instabiliät war, das wir heute noch in Afghanistan erleben.

Auf eine Antwort hoffend verbleibe ich mit freundlichen Grüßen

Michael Hecking

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Hecking,

lassen Sie mich eines vorausschicken: Ich bin davon überzeugt, dass Krieg keine politischen Probleme löst. Dennoch bin ich keineswegs absolute Pazifistin. Es gibt leider bestimmte politische Konstellationen, die aus meiner Sicht die Existenz von Streitkräften notwendig machen können. Der springende Punkt ist allerdings, dass ich strikt darauf bestehe, dass das Militär einen Verteidigungscharakter haben muss. In diesem Sinne ist für mich überhaupt nichts daran auszusetzen, dass loyale Armeeeinheiten den Putsch gegen den venezolanischen Präsidenten Chavez gemeinsam mit breiten Schichten der Bevölkerung niedergeschlagen haben. Das Beispiel Venezuela zeigt auch, wie wichtig es ist, dass ein politisches System sich nicht vorrangig auf das Militär stützt, sondern auf ein breites Engagement der Bevölkerung. So wird die Vorherrschaft des Militärs gerade verhindert. Dass in Venezuela, oder auf Kuba, Militarismus zur „Staatsräson“ gehört, kann ich daher nicht erkennen. Allerdings ist die Bedrohung dieser Länder durch die USA ganz real, und die Abwehr dieser Bedrohung ist legitim. Damit sage ich nicht, dass in Venezuela und auf Kuba alles gut wäre, aber eines ist doch klar: Würden diese Länder ihr Militär komplett abrüsten, wäre die Landung von US-Truppen oder die Machtübernahme bewaffneter rechter Gruppen in Bälde zu erwarten. Aufgabe linker Regierungen ist es allerdings aus meiner Sicht, die Bevölkerung so stark für den revolutionären Prozess zu gewinnen, dass im Falle einer Bedrohung Mittel sozialer/ziviler Verteidigung greifen können.

Einen Widerspruch zu meiner kritischen Haltung zur Bundeswehr stellt das nicht dar. Denn wenn Sie meine bisherigen Äußerungen zu diesem Themenbereich aufmerksam gelesen haben, dann wissen Sie: Was ich an der Bundeswehr vor allem kritisiere, ist ihr offen expansionistischer Auftrag. Die Bombardierung Jugoslawiens hatte mit dem durch die Verfassung vorgegebenen Verteidigungsauftrag genausowenig zu tun wie die derzeitige Besetzung Afghanistans. Das Weißbuch der Bundeswehr formuliert deutlich den Anspruch, deutsche Soldaten in der ganzen Welt einzusetzen, wenn es den vermeintlichen nationalen Interessen dient. Das ist nicht Verteidigung, das ist Kriegspolitik.
Im Übrigen kann ich Ihnen versichern, dass aus meiner Sicht auch der Einmarsch der Sowjetarmee in Afghanistan falsch gewesen ist. Militär darf nicht dazu benutzt werden, in anderen Staaten gewaltsam die eigenen politischen Ordnungsvorstellungen durchzusetzen. Wenn Sie folgern, dieser „Krieg der Sowjets“ sei die Initialzündung für den bis heute virulenten Konflikt, muss ich Sie aber doch darauf hinweisen, dass es die USA waren, die islamistisch-reaktionäre Kreise wie Mujaheddin bzw. die Taliban-Vorläufer mit Geld und Waffen versorgt haben.

Mit freundlichen Grüßen

Ulla Jelpke