Ist Bildungsföderalismus noch zeitgemäß?
Sehr geehrter Herr Frei,
Deutschland ist im Bereich Bildung mittlerweile so weit im Hintertreffen, dass wir uns ernsthaft Sorgen um die Zukunft des Landes machen müssen. Das unterstreicht unter anderem die letzte PISA-Studie. Dänische Freunde von uns, die seit über 10 Jahren in Deutschland leben, planen zurück nach Dänemark zu gehen, weil sie ihre Kinder nicht in unserem Bildungssystem aufwachsen lassen wollen.
Meine Frau ist Lehrerin und arbeitet trotz nur 70% Deputat weit mehr als 40h pro Woche, muss als Teilzeitkraft aber an allen außerunterrichtlichen Aktivitäten zu 100% teilnehmen, ohne dies gezahlt zu bekommen.
Sobald dieses gesamte Thema zentral angesprochen wird, lautet die Antwort stets "das ist Sache der Länder".
Am Ende steht aber Deutschland als Verlierer da.
Halten Sie es vor diesem Hintergrund für angemessen, dass man das Thema Bildung immer noch den Ländern überlässt?
Mit freundlichen Grüßen
Matthias B.

Sehr geehrter Herr B.,
es gibt in jedem System größere und kleinere Herausforderungen. Und es ist auch kein Geheimnis, dass dies auch auf das Bildungssystem in Deutschland an ganz vielen Stellen zutrifft. Deshalb würde ich aber nicht sagen, dass der Bildungsföderalismus in Deutschland nicht mehr zeitgemäß ist. Schließlich sind die Länder und die Qualität der Bildung in Deutschland sehr unterschiedlich.
Entscheidend für mich ist, dass der Bildungsföderalismus nicht zum Nivellierungsföderalismus hin zum kleinsten gemeinsamen Nenner verkommt. Vor diesem Hintergrund wollen wir mit einem neu zugeschnittenen Bildungsministerium, dass alle Phasen des Lernens abdecken wird, und der erfahrenen schleswig-holsteinischen Bildungsministerin Karin Prien im Zusammenwirken mit den Ländern viele Impulse für mehr Qualität, mehr Wettbewerb und mehr gemeinsame Standards setzen. Es braucht Anreize, besser zu werden.
Ich glaube aber auch, dass es ein Irrglaube wäre, dass man das dänische System auf Deutschland projizieren kann und dann alles gut wird. Dazu sind die Länder viel zu unterschiedlich. Das beginnt bei der Größe.
Mit freundlichen Grüßen
Thorsten Frei