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Thomas Feist
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Frage von Hannes B. •

Frage an Thomas Feist von Hannes B. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Dr. Feist,

Sie gehören zu den wenigen Unions-Abgeordneten die gegen die Einführung des flächendeckenden Mindestlohnes in Höhe von 8,50 Euro im Juli letzten Jahres gestimmt haben. Was waren die Hintergründe für Ihr Abstimmungsverhalten?

Schließlich ist gerade der Anteil an Geringverdienern im Osten Deutschlands relativ hoch. Damit verbunden sind mangelnde gesellschaftliche Wertschätzung und Teilhabe, sowie Langzeitfolgen wie etwa Prekarisierung und Altersarmut. Darüber hinaus zeigen die ersten Monate des Jahres 2015, dass die Warnungen vor einer signifikanten Erhöhung der Arbeitslosigkeit (oder des Preisniveaus) durch den Mindestlohn, stark überzogen waren. Würden Sie mit diesem Wissen heute dieselbe Entscheidung wie vor einigen Monaten treffen?

Freundliche Grüße aus Leipzig
Hannes Böhm

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Böhm,

ich danke Ihnen für Ihre Anfrage zu meinem Abstimmungsverhalten bei der Einführung des flächendeckenden Mindestlohnes in Deutschland. Als Mitglied im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung und vor allem als zuständiger Berichterstatter für den Bereich der beruflichen Bildung ist es mir ein besonders Anliegen, die Belange der jungen Menschen im Auge zu behalten, welche sich am Übergang von der Schule in eine Ausbildung befinden. Daher habe ich meine Entscheidung aus meiner Sicht als (Berufs-)Bildungspolitiker heraus getroffen.

Gern stelle ich Ihnen an dieser Stelle noch einmal meine Persönliche Erklärung zur Verfügung, die ich begleitend zu meiner Nein-Stimme abgegeben habe.

Sie finden sie auch auf meiner Homepage unter http://thomasfeist.de/falsches-signal-fuer-berufsbildung-deshalb-habe-ich-gegen-den-mindestlohn-gestimmt/.

Nachfolgend findet sich der Text der persönlichen Erklärung von Dr. Feist, der auch im Abstimmungsprotokoll zu finden ist:

„Erklärung zur Abstimmung nach § 31 Abs. 1 Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages

TOP 4. a)

- Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie (Tarifautonomiestärkungsgesetz)

Drucksache 18/1558 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss)

Drucksache 18/2010

- Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung

Drucksache 18/2011

Ich stehe zum Koalitionsvertrag und hätte daher dem Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie gern zugestimmt. Ich gönne den Beschäftigten, die von der Einführung des flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns profitieren werden, diesen hart erarbeiteten Lohnzuwachs in vollem Maße. Ich sehe dabei jedoch auch die Gefahr dass die Einführung des flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns zu massiven Arbeitsplatzverlusten in Ostdeutschland führen könnte.

Ich hätte das Gesetz für vertretbar gehalten, wenn durch seine Inkraftsetzung weder negative Effekte auf dem Arbeitsmarkt noch im Ausbildungssektor zu erwarten wären. Während eventuell negative Effekte auf den Arbeitsmarkt in der für 2017 vereinbarten Evaluation korrigiert und behoben werden können, gilt dies für den Fehlanreiz junger Menschen zur Aufnahme einer ungelernten Beschäftigung zu Lasten einer beruflichen Ausbildung nicht in gleicher Weise.

Die Einführung des Mindestlohns ab 18 Jahre für Jugendliche ohne abgeschlossene Berufsausbildung ist ein solcher Fehlanreiz, der vor allem Jugendliche, die aus bildungsunerfahrenen Familien stammen, verleiten wird, einen Anlern-Job anzunehmen, statt eine berufliche Ausbildung zu durchlaufen. Zwar verdienen sie zunächst etwa das Doppelte wie Auszubildende. Auf ein Erwerbsleben bezogen bekommen sie allerdings rund ein Drittel weniger und ihr Arbeitslosigkeitsrisiko ist um das Vierfache erhöht. Der durchschnittliche Ausbildungsanfänger ist knapp 20 Jahre alt. Drei Viertel der Jugendlichen, die eine Ausbildung beginnen, sind 18 Jahre und älter. Insgesamt sind schon heute über 300.000 unter 25-Jährige sozialversicherungspflichtig beschäftigt, die sich weder in Ausbildung befinden noch über eine abgeschlossene Ausbildung verfügen. Es kann nicht in unserem Interesse liegen, dass sich diese Zahl erhöht.

Das Gesetz wird durch diese Fehlsteuerung die starke duale Ausbildungslandschaft in Deutschland über ein erträgliches Maß hinaus schwächen, und zwar langfristig und voraussichtlich irreparabel. Dies ist nicht nur meine persönliche Meinung, sondern wird ausdrücklich und einstimmig von den bildungspolitischen Sprechern der CDU/CSU-Landtagsfraktionen geteilt. Die von mir als zuständigem Berichterstatter der Fraktion formulierte Position der AG Bildung, die eine Anhebung der Altersgrenze für Jugendliche ohne Ausbildung im geplanten Mindestlohngesetz für unumgänglich hält bzw. fordert, dass Mindestlohn eine Mindestqualifikation im Sinne einer beruflichen oder akademischen Ausbildung voraussetzt, wurde am 4. April 2014 in einer gemeinsamen Sitzung der AG Bildung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit den bildungspolitischen Sprechern der CDU/CSU-Landtagsfraktionen in einer gemeinsamen Erklärung verabschiedet. Der Freistaat Sachsen forderte im Antrag 841. AS / TOP 5 / SN im Deutschen Bundesrat, die Altersgrenze für Menschen ohne abgeschlossene Berufsausbildung zumindest auf 25 Jahre anzuheben. Mit dieser Regelung, die einen Kompromiss darstellt, wäre es mir eher möglich gewesen, dem Gesetz zuzustimmen. Leider wurde diesem Punkt nicht stattgegeben.

Von vorn herein wurde seitens der SPD signalisiert, dass bei der Verschiebung der Altersgrenze oder der von mir in die Diskussion eingebrachten Forderung „Mindestlohn braucht Mindestqualifikation“ keine Gesprächsbereitschaft besteht. Die Bezugnahme des Gesetzentwurfes hinsichtlich der Altersgrenze von 18 Jahren nimmt fälschlicher Weise Bezug auf das Jugendarbeitsschutzgesetz. Diese Begründung ist irreführend, hat doch dieses Gesetz eine völlig andere Schutzrichtung. So sollen die dort verankerten Beschäftigungsverbote Gesundheit und Leben der Jugendlichen bei der Arbeit schützen. Damit ist aber nichts über das Alter ausgesagt, das als angemessener Anknüpfungspunkt für eine Lenkung hin zur Aufnahme einer Ausbildung dienen kann.

Die Festsetzung der Altersgrenze auf 25 Jahre wäre ein angemessener Kompromiss gewesen, wenn ich auch weiterhin dazu stehe, dass ein mit dem Mindestlohn verbundenes Anreizsystem für das Erreichen einer abgeschlossenen Erstausbildung der bessere Weg ist. In der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung wird zur Altersgrenze mit 18 ausgeführt, dass typischerweise von jungen Menschen nach Abschluss der Sekundarstufe 1 wichtige Weichen für ihren späteren beruflichen Werdegang gestellt werden. Allerdings entspricht es nicht der Lebenswirklichkeit, für die Typisierung auf eine Altersgrenze von 18 Jahren abzustellen. In 2013 lag der durchschnittliche Ausbildungsbeginn bereits bei 20,1 Jahren - bei steigender Tendenz. Über die Hälfte der Auszubildenden war beim erfolgreichen Abschluss der Ausbildung älter als 22 Jahre. Typischerweise wird somit die Entscheidung über eine Berufsausbildung aktuell wesentlich später getroffen als mit 18 Jahren.

Auch wenn hinsichtlich der Ausnahmetatbestände für Praktikanten und Studenten an den Berufsakademien im vorliegenden Gesetz wesentliche Verbesserungen erreicht wurden, die ich durchaus anerkenne, ist hinsichtlich der Aufhebung oder zumindest der Verschiebung der Altersgrenze von 18 Jahren und einer damit einhergehenden Vorbeugung gegenüber den genannten Fehlanreizen ein für mich zentraler Punkt im Gesetz nicht geändert worden. Ich kann daher dem Gesetz nicht zustimmen."

Ich hoffe, Ihnen meine Beweggründe hiermit deutlich gemacht haben zu können und möchte - um auf Ihre letzte Frage zu antworten - ausdrücklich erwähnen, dass ich vor dem Hintergrund dieser Argumentation auch weiterhin fest zu meiner Entscheidung stehe.

Mit herzlichen Grüßen

Ihr
Dr. Thomas Feist