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Frage von Friedhelm S. •

Frage an Thomas Feist von Friedhelm S. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Dr. Feist,
am 22.5.2015 soll der Regierungsentwurf des „Tarifeinheitsgesetzes“ in 2. und 3. Lesung im Bundestag behandelt werden. Zahlreiche Verfassungs- und Arbeitsrechtler und auch der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages halten diesen Gesetzentwurf für verfassungswidrig.
Tarifeinheit bei mehreren im Unternehmen agierenden Gewerkschaften ist gesetzlich nur dadurch realisierbar, dass einer von mehreren Tarifverträgen als der einzig gültige ausgewählt wird und die Mitglieder der anderen Gewerkschaften der aus dem auserwählten Tarifvertrag sich ergebenden Friedenspflicht unterworfen werden.
Dadurch haben während der Laufzeit dieses Tarifvertrags der sog. Mehrheitsgewerkschaft weder die durch Mitgliedschaft in der Mehrheitsgewerkschaft an die Friedenspflicht gebundenen Beschäftigten noch die Mitglieder der Minderheitsgewerkschaft noch die Unorganisierten ein Streikrecht. Dies nützt vor allem den Arbeitgebern.
Das Streikrecht würde bei Inkrafttreten des Tarifeinheitsgesetzes faktisch massiv eingeschränkt. Hinzu kommt noch, dass aufgrund höchstrichterlicher Rechtsprechung in Deutschland bekanntlich nur für tarifvertraglich regelbare Forderungen gestreikt werden darf. Da aus den o.g. Gründen nur die Forderungen der jeweiligen Mehrheitsgewerkschaft überhaupt zu konkreten Tarifabschlüssen führen könnten, wären Streiks der Minderheitsgewerkschaften „unverhältnismäßig“ und auch deshalb von Arbeitsgerichten aufgrund arbeitgeber- oder auch mehrheitsgewerkschaftsseitiger Anträge bei Arbeitsgerichten relativ leicht zu verbieten.
Gewerkschaften, die aufgrund der o.a. Bestimmungen zukünftig keine Tarifverträge mehr durchsetzen können, sind mangels Attraktivität mittelfristig dem Untergang geweiht.
Wollen Sie dies wirklich?
Bitte teilen Sie mit, ob Sie dieser faktischen Einschränkung des Streikrechts zustimmen oder ob Sie dies ablehnen wollen.
Mit freundlichen Grüßen

Friedhelm Schutt

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Schutt,

vielen Dank für Ihre Anfrage zum Gesetz über die Tarifeinheit, welches bereits im Mai durch das Plenum des Deutschen Bundestages verabschiedet wurde, am 10. Juli 2015 in Kraft trat, nach der Klage mehrerer Spartengewerkschaften derzeit jedoch immer noch der Prüfung auf Verfassungsmäßigkeit unterzogen wird.

Ziel des Gesetzes war und ist es nicht, auf die teils dramatischen Auswirkungen von Streiks bei Bahn, Post oder im Flugverkehr zu reagieren, sondern die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie dauerhaft zu sichern. Dabei wurde die Frage einer gesetzlichen Regelung der Tarifeinheit ausgiebig, gegensätzlich und leidenschaftlich diskutiert. Durchaus wie im parlamentarischen Raum fielen hierbei auch die Positionen von Teilen der Wirtschaft und der Gewerkschaften unterschiedlich aus, einige erachteten es als unbedingt notwendig, andere lehnten es als unzulässigen Eingriff in die Tariffreiheit rundweg ab. Unsere im Koalitionsvertrag festgeschriebene Aufgabe sehen wir darin, den Tarifpluralismus in geordnete Bahnen zu lenken, um einerseits Arbeitgebern und Arbeitnehmern eine konstruktive Tariffindung zu ermöglichen, andererseits aber auch unangemessene Belastungen dieser beiden Partner und der Allgemeinheit zu vermeiden.

Im gefundenen Gesetzeswerk sind verschiedene Stufen vorgesehen: Von der vereinbarten Tarifpluralität über Tarifgemeinschaften bis hin zur Einführung des Mehrheitsprinzips für den Fall, dass sich in einem Betrieb die Tarifverträge überschneiden. Die Rechte der Minderheitsgewerkschaften werden dabei berücksichtigt. Unverändert bleibt, dass über die Verhältnismäßigkeit eines Streiks im Zweifel die Gerichte zu befinden haben, nicht der Gesetzgeber. Nach intensiver Prüfung haben die Verfassungsministerien dem Gesetz die Verfassungsmäßigkeit bescheinigt, die letztendliche Entscheidung liegt nun jedoch beim Bundesverfassungsgericht in den von der Pilotenvereinigung Cockpit, dem Marburger Bund, dem Deutschen Journalisten-Verband, der Deutschen Feuerwehr-Gewerkschaft und der GDL eingereichten Verfassungsbeschwerden. Eine Entscheidung in den von drei Klägern eingereichten Eilanträgen zur Außerkraftsetzung des Tarifeinheitsgesetzes erfolgt in den nächsten Wochen

Auch in unserer Fraktion gab es differierende Auffassungen über die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes, ich jedoch sehe in ihm keine unzulässige Einschränkung des Streikrechts, sondern eine Aufforderung an die Gewerkschaften - sowohl an "Mehrheitsgewerkschaften" als auch an Spartengewerkschaften - sich auf die für Ihre Klientel - die Arbeiter und Angestellten - vordringlichsten Forderungen zu verständigen und diese in einem geregelten Tarifverfahren auszuhandeln. Dass es dabei auch innerhalb eines Unternehmens verschiedene Vertretungen für verschiedene Berufsgruppen geben kann, die jeweils eigene Forderungen aufstellen und diese dann mit den anderen im Unternehmen vertretenen Gewerkschaften abstimmen, sehe ich nicht als unangemessene Forderung an die Einzelgewerkschaften. Welche Forderungen von diesen gestellt werden und welche davon dann vor dem Arbeitsgericht im Ernstfall als verhältnismäßig und legitim angesehen werden, möchte ich jedoch den Arbeitsgerichten überlassen, berufe mich jedoch auch auf meine langjährige Erfahrung in Vereinen, Verbänden und der Politik: Wo viele Interessen und Interessengruppen aufeinandertreffen, bedarf es kluger Aushandlung und der Einsicht, dass anfängliche Maximalforderungen eben nicht schon das vorweggenommene Ergebnis sein können, sondern nur Verhandlungsbasis, an deren Ende ein für alle Seiten besseres Ergebnis vorliegt.

In diesem Sinne habe ich in der Abstimmung am 22.05.2015 mit Ja gestimmt.

Mit herzlichen Grüßen

Ihr
Dr. Thomas Feist