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Thomas Feist
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Frage von Andreas S. •

Frage an Thomas Feist von Andreas S. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Dr. Feist,

Ihre Partei, die CDU, formulierte in einem Flugblatt zur Europawahl 1999 wörtlich:
"Deutschland muss nicht für die Schulden anderer Länder aufkommen. Der Maastrichter Vertrag verbietet ausdrücklich, dass die Europäische Union oder die anderen EU-Partner für die Schulden eines Mitgliedsstaates haften."
Mittlerweile haftet Deutschland mit über 650 Milliarden Euro (das sind über 118 mal die Gesamtkosten, die für das Milliardenprojekt Stuttgart 21 veranschlagt sind) für die südeuropäischen Krisenstaaten.

Dazu meine Frage:
Verstehe ich das Flugblatt richtig, wenn ich feststelle, dass die gegenwärtige Politik der Bundesregierung einen permanenten Bruch europäischen Rechtes darstellt? Falls nein, wie sollte ich das Flugblatt dann verstehen?

Mit herzlichen Grüssen,
Andreas Schönberger.

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CDU

Sehr geehrter Herr Schönberger,

vielen Dank für Ihre Anfrage.

Nein, die Maßnahmen verstoßen nicht gegen bestehende EU-Verträge. Der Europäische Rat hat zur Schaffung der notwendigen Rechtsklarheit eine ausdrückliche Regelung für die Errichtung des ESM in den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union aufgenommen. Nach dem neuen Artikel 136 Absatz 3 AEUV können die Euro-Mitgliedstaaten einen Stabilitätsmechanismus einrichten, der aktiviert wird, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt zu wahren. Alle Finanzhilfen unterliegen dabei strengen Auflagen.

Der Europäische Gerichtshof hat in einer Entscheidung vom 27. November 2012 in der Rechtssache C-370/12 (Pringle/Irland u.a.) geurteilt, dass das Recht der Europäischen Union dem ESM nicht entgegenstehe. Ich zitiere dazu aus einer Zusammenfassung des Urteils ( http://www.bundestag.de/dokumente/analysen/2012/Pringle.pdf ):

„Mit dem Vertrag zur Errichtung des ESM gingen die Vertragsstaaten keine unionsrechtswidrigen Pflichten ein. […] Der ESM umgehe auch nicht das Verbot der monetären Haushaltsfinanzierung (Art. 123 AEUV). Dieses richte sich nur an die Europäische Zentralbank und die nationalen Zentralbanken und erfasse nicht den unmittelbaren finanziellen Beistand der Mitgliedstaaten untereinander oder mittels des ESM. Die strengen Auflagen stellten schließlich die Vereinbarkeit der ESM- Hilfen mit der „Nichtbeistandsklausel“ sicher.[…]. Weder der ESM noch seine Mitglieder hafteten für die Verbindlichkeiten des Empfängerstaates einer Finanzhilfe, und sie würden weder durch einen Ankauf von Staatsanleihen noch bei einem erhöhten ESM-Kapitalabruf für sie eintreten. Der Empfängerstaat bleibe vielmehr für seine eigenen Verbindlichkeiten gegenüber seinen Gläubigern haftbar, und mit einer Finanzhilfe entstehe eine neue Schuld gegenüber dem ESM.“

Hilfe vom ESM erhält ein betroffenes Eurozonenland ja nur:
• wenn die Stabilität der Eurozone insgesamt gefährdet ist (ultima ratio),
• auf der Basis einer unabhängigen Schuldentragfähigkeitsanalyse,
• im Rahmen eines strikten wirtschafts- und finanzpolitischen Reform- und Anpassungsprogramms, das die ESM-Inanspruchnahme für eine Regierung wenig attraktiv macht,
• nach einstimmiger Entscheidung (damit auch deutsches Vetorecht).

Es gilt ausdrücklich das Prinzip: Solidarität nur gegen entsprechende Eigenanstrengungen des betroffenen Landes. Nur dann erhält das betroffene Land Kredite, die selbstverständlich verzinst zurückzuzahlen sind und deshalb keine Transfers darstellen.

CDU und CSU haben sich bisher gegen jede Form der Transferunion bzw. Haftungsgemeinschaft ausgesprochen, sei es z.B. über Eurobonds, Schuldentilgungsfonds oder Vereinheitlichung der Einlagensicherungsfonds. Das finde ich richtig und dazu stehe ich. Bei den ESM-Anleihen gibt es gerade keine gesamtschuldnerische Haftung Deutschlands, wie dies mit Eurobonds der Fall wäre.

Änderungen in den betroffenen Staaten brauchen allerdings Zeit, sowohl in der Umsetzung als auch in der späteren Wirkung. Daher gewähren wir diese Unterstützung, wollen aber niemand davon abhängig machen. Daher ist und bleibt für uns entscheidend, dass solidarische Hilfen nur dann gegeben werden können, wenn gleichzeitig Reformen zur Verbesserung des wirtschaftlichen Wachstums in den Ländern, aber auch eine Konsolidierung der öffentlichen Haushalte erfolgen. Beides trägt dazu bei, dass die Hilfen nicht dauerhaft gewährt werden müssen, sondern gleichzeitig die Grundlage gelegt wird, in absehbarer Zeit wieder auf eigenen Füßen zu stehen. Der Weg ist für die betroffenen Staaten nicht sehr angenehm, er ist steinig und wird auch durch einige Widerstände begleitet. Aber auch hier gehört die Glaubwürdigkeit in den betroffenen Staaten, die wir von den politisch Verantwortlichen einfordern müssen: Es ist niemand Externes da, der die Rechnung für diese Staaten wirklich übernimmt. Das müssen die Betroffenen am Ende schon selbst machen.

Mit freundlichen Grüßen

Thomas Feist