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Tessa Ganserer
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Przemyslaw K. •

Umsetzung „EU-Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige (2019/1158)“ - Wann?

Sehr geehrte Frau Ganserer,
die „EU-Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige (2019/1158)“ bedingt die Umsetzung eines mindestens zweiwöchigen Vaterschaftsurlaubs bis spätestens August 2022. - Dieses Vorhaben findet sich auch im Koalitionsvertrag.
Ich bitte Sie entsprechend um folgende konkrete Antworten:
- Wird der 2-wöchige Vaterschaftsurlaub bis August 2022 eingeführt?
- Ist das entsprechende Gesetzgebungsverfahren bereits am Laufen? Wie sieht hier der Zeitplan aus?
- Wie sehen die konkreten Rahmenbedingungen aus?

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Antwort von
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Hallo Przemyslaw K. 

die Vereinbarkeitsrichtlinie wurde Ende 2022 vom Bundestag beschlossen.

Die „Richtlinie (EU) 2019/1158 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige und zur Aufhebung der Richtlinie 2010/18/EU des Rates (Vereinbarkeitsrichtlinie)“ formuliert Mindestvorschriften, die Eltern und pflegenden Angehörigen in den EU-Mitgliedstaaten die Vereinbarkeit von Beruf und Familienleben erleichtern sollen.

Elternzeit, Elterngeld, Pflegezeit und Familienpflegezeit erleichtern in Deutschland bereits die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Pflege. Folglich hat es im Zuammenhang mit der EU-Vereinbarkeitsrichtlinie nur geringen gesetzlichen Änderungsbedarf gegeben. Die Vereinbarkeitsrichtlinie sieht nun weitere Verbesserungen für Eltern vor, u.a. durch Änderungen im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz. Damit soll es Eltern auch in kleinen Betrieben erleichtert werden, ihre Arbeitszeit so anzupassen, dass sie Familie und Beruf unter einen Hut bekommen. 

Besonders positiv: Eltern können sich nun an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes wenden, wenn sie im Job Benachteiligungen dadurch erfahren, dass sie sich zuhause um Kinder oder zu pflegende Angehörige kümmern. Dass dies nötig ist, zeigt das Gutachten der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, wonach 40 Prozent der Eltern angegeben, im Job diskriminiert zu werden - etwa wenn sie wegen der Kinderbetreuung früher nach Hause gehen müssen. Gleiches erfahren Menschen, die Angehörige pflegen. Aus Sicht der Bundesregierung werden die erforderlichen Rechte durch die bestehenden nationalen Regelungen bereits mehrheitlich gewährt, insbesondere durch Regelungen im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, Pflegezeitgesetz und Familienpflegezeitgesetz. Das Bundeskabinett hat im Juni 2022 einem Gesetz zugestimmt, um die wenigen in Deutschland noch offenen Punkte aus der Richtlinie bis Ende des Jahres 2022 umzusetzen. Ziel ist, eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige.

Das Ziel des BMFSFJ war, erste Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag für die Unterstützung von mehr Partnerschaftlichkeit an die Vereinbarkeitsrichtlinie anzuhängen, wie die 2-wöchige Freistellung nach der Geburt oder den erweiterten Kündigungsschutz. Dies gelang aufgrund von Zurückhaltung in der Ampel-Koalition aufgrund der Krisensituation Ende des Jahres nicht, sodass die Vereinbarkeitsrichtlinie nun ohne Änderungsanträge durch das parlamentarische Verfahren geht und die Maßnahmen für mehr Partnerschaftlichkeit dieses Jahr auf den Weg gebracht werden.

Zur Familienstartzeit hat das BMFSFJ einen Gesetzentwurf vorgelegt, wonach der 2. Elternteil eine 10-tägige Freistellung bei vollem Lohnausgleich erhalten kann, um die Mutter im Wochenbett zu entlasten. Damit soll gleich zu Anfang ein Impuls für gleichberechtigte Care-Arbeit gesetzt und die Lohnnebenkosten geschlechterunabhängig gestaltet werden, damit Diskriminierung von Frauen am Arbeitsplatz vorgebeugt wird. Wir hoffen sehr, dass der Gesetzentwurf nach der Sommerpause schnell ins parlamentarische Verfahren eingebracht wird und wir ihn bald verabschieden können. 

 

Hier nochmal die Änderungen, die durch die Richtlinie erwirkt werden im Detail:

1. Änderungen im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz

Eltern, die in ihrer Elternzeit einen Antrag auf Verringerung der Arbeitszeit oder ihrer Verteilung stellen, sollen mit der geplanten Neuregelung im Falle einer Ablehnung eine Begründung erhalten. Diese Regelung betrifft insbesondere Eltern, die in Kleinbetrieben mit 15 oder weniger Arbeitnehmer*innen beschäftigt sind. Wenn sie ihre Arbeitszeit während der Elternzeit anpassen wollen, müssen diese Eltern individuell mit Arbeitgeber*innen eine Verringerung oder Verteilung der Arbeitszeit vereinbaren. Arbeitgeber*innen, die diesem Wunsch nicht entsprechen, sollen verpflichtet werden, ihre Entscheidung nun zu begründen.

2. Änderungen im Pflegezeit- und Familienpflegezeitgesetz

Arbeitnehmer*innen in Kleinbetrieben, mit in der Regel bis zu 15 (Pflegezeitgesetz) bzw. bis zu 25 (Familienpflegezeitgesetz) Beschäftigten, haben aktuell keinen Rechtsanspruch auf eine Freistellung nach dem Pflegezeit- oder Familienpflegzeitgesetz, können diese aber individuell beantragen. Künftig haben sie innerhalb von vier Wochen Anspruch auf eine Antwort ihres Antrags, die im Falle der Ablehnung zu begründen ist.

3. Kommt eine Vereinbarung zustande, sollen mit der Neuregelung auch in Kleinbetrieben Beschäftigte die Freistellung vorzeitig beenden können, wenn nahe Angehörige nicht mehr pflegebedürftig oder die häusliche Pflege unmöglich oder unzumutbar geworden ist. 

4. Für Beschäftigte in Kleinbetrieben, die mit ihren Arbeitgeber*innen eine Freistellung nach dem Pflegezeit- oder Familienpflegezeitgesetz vereinbart haben, soll ein Kündigungsschutz für die Dauer der vereinbarten Freistellung eingeführt werden

Zuständigkeit Antidiskriminierungsstelle des Bundes 

5. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes wird für Fragen im Zusammenhang mit Diskriminierungen, die unter die Richtlinie (EU) 2019/1158 fallen, als zuständig bestimmt.

Viele Grüße, 

Tessa Ganserer

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