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Stephan Wefelscheid
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Frage von Arta G. •

Sehr geehrter Herr Wefelscheid, wie ist Ihre persönliche Meinung bezüglich gendergerechter Sprache?

Sehr geehrter Herr Wefelscheid,

Da dieses Thema äußerst aktuell ist, möchte ich Ihnen gerne folgende Frage stellen:

Wie ist Ihre persönliche Einstellung hinsichtlich gendergerechter Sprache? Ist es für Sie ein Schritt zur Gleichberechtigung, da sich hierbei auch Menschen angesprochen fühlen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühlen, oder gibt es Ihrerseits große Bedenken? Nutzen Sie selbst gendergerechte Sprache und wenn ja, in welcher Form (Genderstern, Unterstrich, Doppelpunkt, Binnen-I etc.)?
Über eine schnelle und ausführliche Antwort würde ich mich sehr freuen.

Vielen Dank.
Arta G.

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In der jüngsten Zeit durchgeführte Umfragen zeigen übereinstimmend, dass das sprachliche Gendern von einer deutlichen Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt wird. In einer Umfrage von Infratest Dimap vom Mai 2021 sprachen sich 65 % gegen eine gendergerechte Sprache aus. In einer Umfrage des MDR im Juli 2021 waren es sogar über 70 %. Eine Forsa-Umfrage im Juli 2021 kam wie auch einige weitere Umfragen zu gleichen Ergebnissen.

Bei der Forderung nach sprachlichem Gendern wird ignoriert, dass Sprache an sich ohnehin geschlechtsneutral ist was das biologische Geschlecht angeht. Die sprachliche Zuordnung zu einer der in unserer Sprache vorhandenen Grundformen „männlich“, „weiblich“, „sachlich“ hat nichts mit dem biologischen Geschlecht zu tun, sondern dient lediglich der grammatikalischen Einordnung. Die Tatsache, dass in der deutschen Sprache „der Busen“ grammatikalisch der „männlichen“ Form zugeordnet wird, bedeutet ja nicht, dass es sich dabei um ein männliches Körperteil handelt. Ebenso wie „die Nase“ nicht zwingend ein weibliches Körperteil ist.

Die von den Befürwortern des Genderns geforderten „neutralen“ Formulierungen führen nicht nur zu einer völlig unnötigen Komplizierung der Sprache, sie machen auch präzise Formulierungen von bestimmten Sachverhalten schwieriger, wenn nicht unmöglich. Hierzu ein Beispiel:

Das Wort „Studenten“ soll durch das Wort „Studierende“ ersetzt werden. Dabei wird übersehen, dass die Bezeichnung „Studenten“ eine (zeitlich ungebundene) Eigenschaft dieser Menschen beschreibt, das Wort „Studierende“ aber wegen seiner grammatikalischen Form eine (zeitlich gebundene, aktuelle) Tätigkeit impliziert. Nach den (immer noch geltenden) Regeln der deutschen Sprache sind „schlafende Studierende“ Menschen, die während des Schlafens studieren.

In der Schriftsprache führt das Gendern darüber hinaus dazu, dass Texte deutlich weniger flüssig und schwieriger zu lesen sind. Es führt außerdem zu klaren Verstößen gegen bestehende Rechtschreibregeln. Insbesondere für Menschen mit einer Lese- und Rechtschreibschwäche führt dies zu unüberwindbaren Schwierigkeiten, eine Entwicklung, die insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Inklusion nicht gewünscht sein kann, zumal sie künstlich erzeugt wird und nicht aus der normalen zeitbedingten Veränderung entsteht, der Sprache ohnehin unterliegt.

Dass eine nicht durch natürliche Sprachevolution herbeigeführte, diktierte Veränderung der Sprache wie das Gendern zum Scheitern verurteilt ist, kann an zwei Beispielen deutlich gemacht werden. Zum einen ist das vor einer Reihe von Jahren (auch von Printmedien) ebenfalls unter dem Label der "sprachlichen Gleichberechtigung“ eingeführte „man/frau“ anstelle von „man“ inzwischen wieder verschwunden. Zum anderen wurden große Teile der in den 1990er Jahren mit großem Aufwande eingeführten Rechtschreibreform zwischenzeitlich wieder zurückgenommen, da sie schlicht nicht durchsetzbar waren.

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