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Sepp Daxenberger
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Frage von Max M. •

Frage an Sepp Daxenberger von Max M. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Sehr geehrter Herr Daxenberger,

Ihren vorhergehenden Antworten kann man entnehmen, dass Sie für eine Steuerung der Milchmengen durch die Milchbauern sind, also ein Kartell der Anbieter auf Kosten der Verbraucher, zugunsten der sog. Grünlandstandorte, weg von den "Gunststandorten". Dazu meine Fragen:
1. Halten Sie Kartelle zu Lasten der Verbraucher generell für eine gute Sache oder nur im Fall der Milchbauern?
2. Was ist denn dagegen einzuwenden, dass Milch dort erzeugt wird, wo die "Gunst" der Lage besonders hoch ist? Wieso muss Milch denn ausgerechnet an Standorten erzeugt werden, die nicht oder weniger geeignet sind?
3. Ist Milchbauer ein Beruf der in Ihren Augen mehr Wert ist als andere Berufe? Wieso muss dieser Berufsstand mehr gefördert werden als andere Berufe?

Mit freundlichen Grüßen

Max Munter

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Munter,

gerne beantworte ich Ihre Fragen zum Thema Milch und Milchmengensteuerung. Gestatten Sie mir zunächst einige Vorbemerkungen. Milch wurde seit Jahrhunderten immer an den Typischen Grünlandstandorten im Alpenvorland und in den Mittelgebirgsstandorten produziert. Dort ist der Boden meist zu ertragsschwach um etwa Getreide anzubauen. In den sog. Gunstlagen wurde Getreide, Kartoffeln oder Sonderfrüchte angebaut. An diesen Standorten wurde das Getreide häufig besonders duch Schweine- oder Geflügelmast weiterveredelt. In den letzten Jahrzehnten änderte sich die Produktion. Milch wanderte immer mehr weg von den Grünlandstandorten. Immer weniger Gras und das daraus gewonnene Futter Silage und Heu wanderte in die Milch und Rinderproduktion. Dafür wurden auch in klassischen Grünlandstandorten Grasland umgebrochen, um darauf Mais, etwa für die Biogasproduktion anzubauen. Das macht auch Probleme mit den Gewässerschutz und mit den Erosionsschutz. Dramatisch wurde es aber, als immer mehr Futtermittel für die Rindermast und die Milcherzeugung aus den Überseeländern wie Amerika oder Brasilien unsere Milchviehställe überschwemmte. Schon in den 80 er Jahren gab es kirchliche Bewegungen die gegen diese Entwicklung protestierten. Vor allem auch deßhalb, weil gerade in Südamerika die Flächen der Landbevölkerung und deren Ernährung immer mehr entzogen wurde, um in Europa billig Nahrungsmittel zu erzeugen. Immerhin steigt die Zahl der hungernden Weltweit ständig an. Inzwischen hat sie die 1 Milliarde Grenze überschritten. Das liegt weniger daran, daß zuwenig Nahrung auf der Welt vorhanden ist, sondern im wesentlichen daran, daß diese Nahrung ungleich verteilt ist. Viele sog. arme Länder sind gezwungen billig Nahrungs- und Futtermittel auszuführen um Devisen zu bekommen. Das Nahrungssystem ist zutiefst ungerecht, bevorzugt die reichen Länder und schädigt die armen. Nun aber zu den einzelnen Fragen.

Frage 1:
Ich habe mich nie für ein Kartell ausgesprochen, sondern lediglich für eine Milchmengensteuerung in Bauernhand, meines Erachtens eine Selbstverständlichkeit. Im Nahrungsmittelbereich gibt es meines Erachtens sowas wie ein Kartell, wenn 4 Große Konzerne 80 % der Nahrungsmittel in handeln. Milchbauern gibt es aber Europaweit viele 100 000. Schon seit beginn der 80 er Jahre gibt es in Europa eine Milchmengenregelung. Sie wurde eingeführt, um die Mengen zu begrenzen, weil es in der EU Milchseen und Butterberge gab. Die Milchquote gestand jeden Milchbetrieb eine bestimmten Menge an Jahresmilch zu (die Mengen sind natürlich für jeden Betrieb anders). Leider haben aber die Molkerei- und Lebensmittelkonzerne immer Interesse daran gehabt, dafür zu sorgen, daß etwas mehr Milch am Markt ist, also etwas mehr Quote vergeben wird, als tatsächlich in Europa benötigt wird. Dadurch konnten die Preise kontinuierlich gedrückt werden und die Molkereien konnten außerdem auf die Politik Druck machen, sog. Exporterstattungen einzuführen, damit Überschußprodukte auf den Weltmarkt zu enormen Dumpingpreisen geworfen werden. Dadurch wurde außerdem der Nahrungsmittelmarkt in vielen Ländern zerstört. Kleines Beispiel von meinen Hof: Mitte der 80er Jahre übernahm ich von meinen Eltern den Betrieb. Damals bezahlte mir die Molkerei ca. 80 Pfennig für den Liter abgegener Milch. Derzeit bekommt ein Landwirt für konventionelle Milch ca. 25 Cent. Und das 25 Jahre später. Wie sind in dieser Zeit die Löhne gestiegen? Sind Sie dann auch gegen Mindestlöhne für die arbeitende Bevölkerung? Ich bin selbstverständlich gegen Kartelle, aber wenn sich die Milchbauern versuchen zusammenzuschließen um festzulegen, nicht mehr Milch zu produzieren, wie der Markt braucht, ist das eine Selbstverständlichkeit. Wichtig ist mir dabei aber vor allem, daß das Produkt Milch so erzeugt wird, daß der Verbraucher auch gute Qualität zu einen fairen Preis bekommt. Nicht mit Billig- und Gentechnikfutter, was unausweichlich ist, wenn die Preise immer mehr sinken. Dann muß eben an der Qualität gespart werden.

Frage 2:
Ich denke, daß meine grundsätzlichen Ausführungen schon deutlich gemacht haben, daß es genau die Grünlandstandorte sind, die ideal für die Milchproduktion geeignet sind. erst durch die Tatsache, daß z.b. Transportleistungen kaum noch was kosteten, 3.Welt Länder ausgebeutet werden und Getreide so billig ist, daß man es besser in die Futtertröge oder in die Energieerzeugung gibt, die EU eine völlig verfehlte Subventions- und Exportpolitik betrieben hat, wanderte die Milchproduktion in die Lagen, wo für die Tiere keine oder billige Ställe gebaut werden(Klima) wo vielleicht das Überseeschiff gut anlegen kann usw. Was wäre z.b. Ihr Vorschlag, auf den Grünlandstandorten für eine Produktion zu machen? Gras kann nur über den Magen eines Wiederkäuers verwertet werden, Getreide auch vom Menschen direkt. Wenn kein Grünland mehr benötigt wird, Ackerbau nicht möglch ist, würde das Land innerhalb weniger Jahre verbuschen und verwalden. Übrigens würde es auch unseren Almen sehr schnell so gehen, wenn über Milchproduktion die Flächen nichtbewirtschaftet würden.

Frage 3
Ich weiß nicht ob Milchbauer oder Bauer als Beruf mehr wert ist als andere Berufe. Auf diese Diskussion will ich mich auch gar nicht einlassen. Fakt ist aber, daß die Milchwirtschaft im Gegensatz zu Ackerbau oder gar Maisanbau in den letzten Jahrzehnten so gut wie keine EU Förderung bekommen hat. Ich lehne übrigens auch grundsätzlich diese staatlichen Prämien ab. Auch die Bundesmittel, die jetzt für die Milchwirtschaft beschlossen wurden sind Unsinn und bringen außer Belastungen für den Steuerzahler nichts. Für mich ist aber schon klar, daß ein Bauernhof eben nicht vergleichbar ist mit einer Zahnradfabrik. Landwirtschaft arbeitet mit Lebendigen. Boden, Tiere, Pflanzen Wasser. Unsere Lebensgrundlagen sind immer noch, gesundes Essen, Wasser zum Trinken, fruchtbarer Boden. Man könnte durchaus zu der Erkenntnis kommen, daß wir unsere Lebensmittel dort kaufen wo sie am billigsten produziert werden. Übrigens häufig unter Mißachtung von Gesundheit, Nachhaltigkeit, Naturschutz und Umweltschutz. In den USA aber auch Weltweit gibt es dafür zahlreiche Beispiele.

Mir ist bewußt, daß die Thematik eine sehr umfassende ist. Ich bin mir nicht sicher, ob ich umfassend informieren konnte. Ich mache aber zu diesen Thema häufig Vorträge. so z.b. im letzten Jahr bei der allianz Umweltstiftung, wo es genau auch um diese Sache gegangen ist. Der Vortrag und der Tagungsband liegt vor.

Mit freundlichen Grüßen,
Sepp Daxenberger