Frage von Thomas M. •

Was tun Sie dafür, uns Wahlberechtigten mehr politische Teilhabe an allen uns betreffenden Entscheidungen zu ermöglichen, als nur alle paar Jahre über den Parteienproporz abstimmen zu dürfen?

Portrait von Sara Nanni
Antwort von
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

 Sehr geehrter Herr M., 

Demokratie lebt schon heute nicht allein von Wahlen. Sie braucht eine aktive Zivilgesellschaft und Menschen, die sich einmischen – in Initiativen, Organisationen oder Parteien. Wer Parteimitglied ist, kann auf vielfältige Weise mitgestalten: Programme mitentwickeln, Anträge einbringen, Kandidat*innen mitbestimmen. Wir als Grüne setzen uns dafür ein, dass solche Beteiligung einfacher und inklusiver wird, besonders für junge Menschen, queere Personen und Gruppen, die bisher unterrepräsentiert sind.

Ein Schwerpunkt unserer Arbeit im Bereich Mitbestimmung ist die Stärkung deliberativer Beteiligung, insbesondere durch Bürgerräte. Die Grünen im Bundestag unterstützen diese neue Form der Bürgerbeteiligung ausdrücklich. Ein aktuelles Beispiel ist der Bürgerrat „Ernährung im Wandel“, dessen Bürgergutachten im Februar 2025 an die Bundestagspräsidentin übergeben wurde. Die darin formulierten Empfehlungen betrachten wir als wichtige Leitplanken für unsere politische Arbeit – über die aktuelle Legislaturperiode hinaus. Auch Veranstaltungen wie der Zukunftskongress 2024, bei dem zentrale gesellschaftspolitische Fragen gemeinsam mit Bürger*innen diskutiert wurden, zeigen: Wir unterstützen eine lebendige Zivilgesellschaft, die mitredet, mitdenkt und mitverantwortet.

Darüber hinaus fördern wir digitale Beteiligungsformate wie Online-Konsultationen oder Beteiligungsplattformen. Politische Teilhabe muss niedrigschwellig, transparent und zeitgemäß sein – dafür setzen wir uns ein. Ebenso wichtig ist der Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit, die immer wieder unter Druck gerät. Politische Teilhabe setzt informierte Bürger*innen voraus. Deshalb verteidigen wir konsequent unabhängige Medien und journalistische Freiheit.

Politische Teilhabe beschränkt sich nicht auf die Abgabe einer Stimme alle paar Jahre. Sie findet auf vielen Ebenen statt – durch Wahlen, Petitionen, Befragungen, direkte Beteiligungsformate, innerparteiliches Engagement und das Einbringen eigener Anliegen. Wir arbeiten daran, diese Räume zu erhalten, zu stärken und auszubauen. Denn wir sind überzeugt: Eine Demokratie, die Beteiligung ermöglicht und einfordert, ist eine starke Demokratie.

Hauptamtliche Politiker:innen können nicht erzwingen, dass Bürger:innen sich ehrenamtlich politisch einbringen. Aber wir können die Rahmenbedingungen verbessern, damit Engagement leichter wird. Neben den konkreten Instrumenten der Beteiligung ist deswegen Zeitpolitik, also ein Blick darauf, wieviel Zeit Menschen für welchen Bereich ihres Lebens aufbringen müssen, ein wichtiges Anliegen, das leider in den letzten Jahren politisch zu wenig besprochen wurde. 

Der Trend geht in der öffentlichen Debatte, geführt von Arbeitgeberverbänden und konservativen Kräften, eher dahin, von den Menschen mehr z.B. reguläre Arbeitszeit einzufordern und weniger Betreuungszeit für Kinder und Pflegebedürftige über die Gemeinschaft zu organisieren. Das würde am Ende nicht zu mehr sondern zu weniger Beteiligung führen. Nicht nur deshalb, aber auch deshalb, sehen wir das sehr kritisch. Bürger:innen müssen schlicht die Zeit haben, sich zu engagieren, damit sie in unserer Demokratie dauerhaft eine Rolle als Bürger:in einnehmen können und nicht nur Konsument:innen, Verbraucher:innen oder Wähler:innen sind.

Herzliche Grüße 

Sara Nanni 

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