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Sahra Wagenknecht
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Frage von Daniel K. •

Frage an Sahra Wagenknecht von Daniel K. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Wagenknecht,

ich verfolge immer mit Interesse ihre oftmals konträren Meinungen in TV-Sendungen, die dem politisch Interessierten eher die Augen öffnen als das dies bei den sonstigen Parteien der Fall ist.

Nun zu meinem Anliegen: ich habe aktuell das Buch von Dirk Müller namens "SHOWDOWN - Der Kampf um Europa und unser Geld gelesen". Dies sollte zur Pflichtlektüre aller Politiker werden.

Aus diesem Buch ergeben sich viele Fragen:

a.) Warum gewähren wir Griechenland u. Zypern diverse Kredite ohne dafür Gegenleistungen zu verlangen bzw. den Ländern wieder auf die Beine zu helfen? Herr Müller führt aus, dass es riesige Bodenschätze (Gas, Erdöl, ...) gibt, die die betroffenen Länder komplett unabhängig von der Troika und Europa von Rohstofflieferanten machen würden.

Lt. Herr Müller wird seitens Amerika ein gezielter Wirtschaftskrieg gegen Europa geführt, demzufolge sollen Griechenland u. Zypern bewusst durch den IWF kaputt gemacht werden, um sich dann als großer Retter zu präsentieren und selbst die Bodenschätze auszubeuten.

b.) Warum gestatten wir Goldman Sachs so großen Einfluss in allen politischen Ebenen, z. B. EZB (Draghi, ...), diverse aktuelle u. ehem. Regierungschefs? Wann werden die Banken u. deren Vorstände endlich zur Verantwortung gezogen?

c.) Warum nehmen wir Europäer meist den IWF mit ins Rettungsboot, obwohl bekannt ist, dass die Beteiligung des IWF noch größeren Schaden anrichtet bzw. die Länder noch mehr in Abhängigkeiten bringt - die Türkei, Argentinien, ... können ein Lied davon singen.

Ich danke Ihnen vorab für die Beantwortung meiner Fragen u. wünsche alles Gute im Wahlkampf u. bei den Wahlen

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Sehr geehrter Herr Kliewe,

vielen Dank für Ihre Fragen und für die guten Wünsche zur Wahl.

Zu Ihren Fragen:

a. Die "Euro-Rettung" ist eine gezielte Bankenrettung durch die herrschende Politik. Rund 95 Prozent der ausgezahlten "Hilfskredite" an Griechenland in Höhe von 210 Milliarden Euro flossen durch Kredittilgungen, Zinszahlungen oder Bankenrekapitalisierungen an Banken und private Gläubiger. Jetzt stehen die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler für die uneinbringlichen griechischen Staatsschulden im Feuer.
Es ist unbestritten, dass die Kürzungspolitik des Internationalen Währungsfonds (IWF), der von den USA dominiert aber zur Zeit von der Französin Christine Lagarde geführt wird, in den betroffenen Krisenländern zu Rezession und sozialen Verwerfungen führt. Aber genau weil der IWF für diese "Qualifikation" bekannt ist, wurde er auf den ausdrücklichen Wunsch von Bundeskanzlerin Merkel mit ins Troikaboot geholt. Dieses Trio Infernale überwacht die sogenannten Anpassungsprogramme in den Krisenländern wie Griechenland oder Portugal. Auch die anderen beiden Troika Mitglieder, die Europäische Kommission und die Europäische Zentralbank unterstützen uneingeschränkt die IWF-Politik des sozialen Kahlschlags. Sicherlich versuchen die USA auch in Europa ihre Interessen durchzusetzen, wobei auch der Zugriff auf Rohstoffreserven eine gewisse Rolle spielen dürfte. Es ist Ansichtssache inwieweit man das als "gezielten Wirtschaftskrieg" bezeichnen will.
Ich stimme der Ansicht zu, dass es für die Krisenländer einen eigenen Weg aus der Krise ohne Troika gibt. Dabei ist die souveräne Verfügung über Rohstoffreserven ohne Zweifel von Vorteil.

b. und c. Die Querverbindungen zwischen Goldman Sachs und der Politik sind tatsächlich Besorgnis erregend. Um die Demokratie zu retten, muss der enorm gestiegene Einfluss der Finanzbranche auf die Politik zurückgedrängt werden. Einfluss und Macht der Banken haben maßgeblich durch die Deregulierung der Finanzmärkte zugenommen, die von der rot-grünen Bundesregierung vorangetrieben und von CDU/CSU und FDP befürwortet wurde. Das muss rückgängig gemacht werden. Die Finanzbranche muss streng reguliert und Großbanken vergesellschaftet werden. Zwar war durch die entsprechende Lockerung der Regelungen das Agieren der Finanzbranche bisher meist formal legal. Der Vorwurf, dass u.a. die Deutsche Bank den Libor-Zinssatz ("London Interbank Offered Rate") manipuliert haben soll, deutet aber darauf hin, dass die Finanzbranche auch vor kriminellen Machenschaften nicht zurückschreckt. Ein Unternehmensstrafrecht könnte hier wirkungsvoll die Lücken im Strafrecht schließen.

Mit freundlichen Grüßen
Sahra Wagenknecht

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