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Sabine Friedel
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Frage von Rainer L. •

Frage an Sabine Friedel von Rainer L. bezüglich Familie

Sehr geehrte Frau Friedel,

wie ist Ihre persönliche Meinung zum bedingungslosen Grundeinkommen?

Vielen Dank für Ihre Antwort.

Rainer Locke

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Antwort von
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Hallo Herr Locke,

Danke für die Frage! Ich habe mich seit Mitte der 90er Jahre mit dem Thema Bedingungsloses Grundeinkommen beschäftigt, viel Literatur dazu gelesen, viele Gespräche geführt und konnte mir als TU-Dozentin auch den Luxus leisten, ein eigenes Seminar dazu zu veranstalten. Über die Zeit bin ich zu dem Schluss gekommen, dass ich die - ohne Zweifel sehr attraktive - Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) ablehne. Ich will in der gebotenen Kürze drei Gründe dafür nennen:

1. Das BGE ist ein rein monetärer Transfer - jemand bekommt pauschal Geld. Schon jetzt setzt der Staat in zu vielen Bereichen auf rein monetäre Transfers, um die soziale Situation von Menschen zu verbessern. Das halte ich für falsch. Ein Beispiel: Kindern nutzt es viel mehr, wenn sie in der Schule ein kostenfreies Mittagessen bekommen, als wenn ihre Eltern ein Kindergeld ausgezahlt kriegen, von dem sie dann das Schulessen bezahlen (oder auch nicht). Wir müssen mehr in unsere soziale Infrastruktur investieren: Ganztagsschulen, Pflegeeinrichtungen, soziale Dienstleistungen. Denn die werden von jenen genutzt, die sie wirklich brauchen. Und solidarisch von allen bezahlt. Und genau deswegen tut sich ja Gesellschaft zusammen: Um gemeinsam etwas zu schaffen, was jeder für sich allein nicht schaffen könnte.

2. Besonders reizvoll ist der Gedanke, dass sich mit einem BGE Arbeitnehmer und Arbeitgeber auf Augenhöhe begegnen würden - da ja ein Arbeitnehmer einen Job nicht mehr annehmen muss, wenn die Löhne zu niedrig oder die Arbeitsbedingungen zu schlecht sind. Doch Befürworter des Grundeinkommens übersehen m.E. häufig, dass Menschen nicht nur wegen des Einkommens, sondern auch wegen der Beschäftigung, des Gebrauchtwerdens und Selbstverwirklichung arbeiten wollen. Und im Falle eines BGEs auch eine niedrigere Entlohnung in Kauf nehmen würden, um die Beschäftigung aufzunehmen. Da sind wir dann ganz schnell in der Kombilohn-Spirale: Arbeitgeber "leisten" es sich, niedrige Löhne zu bezahlen, da ja die Allgemeinheit in Form des BGEs zuzahlt.Und Arbeitnehmer geben diesem Niedriglohndruck nach, da sie ja noch ein BGE dazu haben. So entlasten sich die Unternehmen um ihre Lohnkosten auf dem Rücken der Steuerzahler.

3. Die Grundformel des BGE lautet: Jedem sein Geld in die Hand und zur Gegenfinanzierung dafür sozialstaatliche Leistungen abschaffen. Das ist schlecht wegen der unter 1. beschriebenen Probleme. Das wissen auch viele BGE-Befürworter und sagen deshalb, dass sozialstaatliche Leistungen weiterhin erhalten werden sollen. Und hier sind wir an dem Punkt, wo es dann nicht mehr funktioniert: Sozialstaat wie heute und zusätzlich ein BGE - das ist schlicht nicht finanzierbar.

Alles in allem halte ich das BGE für eine sehr attraktive Idee - die genau dazu gut ist, die bestehende Verteilung in unserer Gesellschaft in Frage zu stellen und zu überlegen, mit welchen Maßnahmen man mehr Gerechtigkeit herstellen kann. Zum Gedankenanstoßen also super - als Instrument zur Verbesserung unserer Gesellschaft jedoch nicht geeignet. Denn das BGE hilft vor allem denen, die es nicht brauchen. Jene aber, die auf eine sozialstaatliche Infrastruktur angewiesen sind, die lässt es mit einem monatlich hingeworfenen Almosen allein.

Ich habe mich lange geärgert, dass sich die SPD des Themas kaum angenommen hat. Doch schließlich hat sie das, und zwar sehr gründlich! Das Papier der Grundwertekommission dazu ist wirklich sehr empfehlenswert: http://www.spd.de/de/pdf/2008_GWK_Grundeinkommen.pdf

Beste Grüße
Sabine Friedel

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