Welche Mehrheit braucht der Bundestag zum Aufrufen des Spannungsfalls?
Sehr geehrter Herr Lucassen, diese Frage ist bei unseren Stammtischen im KV Regen schon des öfteren gestellt worden. Leider weiß ich keine abschließende Antwort darauf. Meiner Meinung und der Meinung im November COMPACT nach braucht es eine 2/3 Mehrheit, da der Spannungsfall auch einschränkende Grundrechte bedeuten kann. Leider gibt das Internet nur her, dass es 316 Stimmen sein müssen. Bitte klären Sie das auf.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas S., KV Regen, Kreisrat und stellv. Fraktionsvorsitzender AfD-Fraktion
Sehr geehrter Herr S.,
nach Art. 80a Abs. 1 Satz 2 GG erfordert die Feststellung des Spannungsfalls eine relative Zweidrittelmehrheit, also zwei Drittel der abgegebenen Stimmen im Bundestag. Initiativberechtigt ist nach herrschender Kommentarliteratur (vgl. Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 230. Lieferung, 6/2025, Art. 80a GG, Rn. 75) ausschließlich die Bundesregierung.
Die Feststellung des Spannungsfalls „entsperrt“ sodann die Sicherstellungs- und Vorsorgegesetze („Notstandsgesetze“). Damit erhält der Staat in Zeiten schwerer außenpolitischer Spannungen weitergehende Handlungsspielräume, etwa zur beschleunigten Herstellung der Verteidigungsbereitschaft der Streitkräfte, zum Zivilschutz, zur Sicherung kritischer Infrastruktur oder zur zentraleren Steuerung von Versorgung, Transport und Produktion.
Grundrechtseingriffe erfolgen dabei allerdings nicht pauschal. Sie sind nur möglich, soweit das jeweils einschlägige Vorsorgegesetz sie ausdrücklich vorsieht. Der Spannungsfall öffnet also den Zugriff auf gesetzlich definierte Einzelfallbefugnisse. Ein generelles Außerkraftsetzen von Grundrechten ist damit nicht verbunden.
Freundliche Grüße
Rüdiger Lucassen

