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Rosa Domm
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Frage von Klaus-Peter S. •

Immer dichtere Bebauung auf kleinen Grundstücken durch Neubauten.Immer mehr zusätzliche Nachverdichtung.Die Städte werden immer mehr aufgeheizt.Hat Hamburg seine natürliche Wachstumsgrenze erreicht?

Sehr geehrte Frau Domm!
Es muss ein Umdenken bei der Stadtplanung erfolgen?Städte heizen sich bekanntlich im Sommer immer weiter auf. Besonders Großstädte mit enger Bebauung wie auch Hamburg.Das muss man bei der Bauplanung berücksichtigen!Leider passiert in der Hinsicht nichts.Ganz Im Gegenteil!Auffallend ist nämlich,dass Grundstücke nach dem Abriss alter kleiner Häuser, insbesondere durch die neuen würfelartigen Häuser ,völlig überbebaut werden! Die Grundstücke werden mit diesen Würfel- Neubauten regelrecht vollgeknallt!Dazu noch Nachverdichtungen ohne Ende wo immer noch was hinpaßt.Das aber schadet zunehmend und dauerhaft dem Stadtklima,denn die Neubauten bleiben schliesslich dort für die kommenden 80 oder 100 Jahre stehen.Die Rasenflächen werden immer kleiner.Alte große Bäume werden zugunsten von Neubebauungen und Fahrradwegen abgeholzt.Nachgepflanzte Bäumchen und Sträucher sind so mickrig,wie der Schatten den sie werfen!Hat Hamburg seine natürliche Wachstumsgrenze erreicht?

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr S.,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 14. Oktober 2022 zur Nachverdichtung in Hamburg und deren Auswirkungen auf Lebensqualität und Mikroklima.

Der Hamburger Wohnungsmarkt befindet sich seit Jahren an seiner Kapazitätsgrenze. Der Zuzug nach Hamburg ist nach wie vor ungebrochen hoch. Nach Berechnungen des Statistikamtes wird die Einwohnerzahl Hamburgs von rund 1,831 Mio. Ende 2017 auf 1,949 Mio. im Jahr 2040 steigen (Variante W1 mit geringerer Zuwanderung). In der Variante W2 mit moderater Zuwanderung wächst die Bevölkerungszahl auf 1,988 Mio. und in der Variante mit der höchsten Zuwanderung (W3) auf 2,051 Mio. Personen. Dies zeigt, wie dringend der Bedarf an neu zu errichtetem Wohnraum ist.

Die Freizügigkeit, d.h. sich dort niederzulassen wo man es möchte, ist ein grundgesetzlich geschütztes hohes Gut unserer Verfassung. Damit dieser Zuwachsdruck nicht derart durchschlägt, dass die Mieten völlig durch die Decke gehen bzw. eine drastische Verdrängung von Menschen mit geringeren Einkommen ins Umland stattfindet, müssen wir dem entgegensteuern. Hamburg hatte aus diesem Grund ein Bündnis für das Wohnen in Hamburg mit der Wohnungswirtschaft geschlossen. Seit 2011 wurde der Bau von über 100.000 neuen Wohnungen genehmigt, davon sind bisher 77.000 fertiggestellt.

Alle Vorgaben und Verabredungen verbinden die Bündnispartner mit einem klaren Bekenntnis zum flächeneffizienten und ökologischen Bauen. Die Entwicklung neuer Flächen soll stets verbunden werden mit einer ausgleichenden Gestaltung von Grün- und Freiräumen, die die Menschen bedarfsgerecht nutzen können. Hamburg ist und bleibt somit eine grüne Metropole am Wasser. Senat und Wohnungswirtschaft fühlen sich gemeinsam den Klimazielen auf verschiedenen Ebenen und den im Klimaplan festgelegten Maßnahmen verpflichtet. Gemeinsam wollen sie alle erforderlichen Schritte ergreifen, um diese Klimaziele fristgerecht zu erreichen - dies insbesondere vor dem Hintergrund der kürzlich veröffentlichten Studie zu den Einsparpotentialen im Wohnungsbestand und der Überarbeitung des Klimaplans.

Von zentraler Bedeutung ist für uns, bereits gebauten Wohnraum effizient zu nutzen und ihn beispielsweise nicht der Spekulation anheim fallen zu lassen. Dazu gehört auch, Anreize zu setzen, Wohnraum kreativ zu nutzen, etwa durch Wohnprojekte mit vielen Gemeinschaftsflächen (wie es derzeit am Gröninger Hof geschieht). Die Idee, Tauschbörsen einzurichten, so dass Senior*innen nach der Familienphase in großen Wohnungen diese mit jungen Paaren in der Familiengründungsphase tauschen, die mehr Platz benötigen, scheitert leider regelmäßig an den teureren Mieten, die dann für die Senior*innen bedingt durch die Mietsteigerungen der letzten Jahre auch für kleinere Wohnungen fällig werden, sowie an der emotionalen Bindung, die diese meist zu ihrer Wohnung haben.

In Bezug auf Ihre Frage zu den „Würfel-Häusern“ ist es etwas komplizierter. Die Eigentümer*innen, die meist das kleine Haus/große Grundstück geerbt haben, haben dort gemäß dem vorhandenen Planrecht einen Rechtsanspruch auf sowohl Abriss als auch Neubau. Die Bebauungspläne sind oft sehr alt und weisen vielfach eine zweigeschossige Bebauung aus, die zudem mit einem Staffelgeschoss versehen werden kann. Auch darauf haben die Eigentümer*innen einen Rechtsanspruch. Vielfach sind dies auch junge Familien, die dort selbst bauen und mehr Wohnfläche für ihre Familie brauchen als es ihnen durch die kleinen Häuser geboten werden kann. In anderen Fällen wollen die neuen Eigentümer*immen das Erbe verwerten. Dass die Architektur manchmal eher fragwürdiger Natur ist, können wir (leider) auch nicht immer so beeinflussen, wie wir gerne würden – in Deutschland gilt die Architekturfreiheit. In heutigen Zeiten bauen die Architekt*innen nicht mehr mit einer Dachlandschaft, wie man sie früher gebaut hat – und zwingen kann man sie nur, wenn es eine Gestaltungssatzung in dem entsprechenden Gebiet gibt oder ein neuerer Bebauungsplan dort gestalterische Festsetzungen beinhaltet. Diese müssen aber juristisch einwandfrei begründet werden, denn auch dies ist ein Eingriff in das Eigentumsrecht. Das gilt im Übrigen auch für die – aus Grüner Sicht sehr bedauerlichen – Tatsache, dass auch Bäume die auf dem Grundstücksteil stehen für die es ein Baurecht gibt, gefällt werden dürfen. Es blutet auch mir das Herz, wenn ein über 100 Jahre alter Baum gefällt werden darf, weil jemandem das Grundstück gehört und es bebauen darf. So ist aber leider die Rechtslage.

Abschließend sei angemerkt, dass der Senat seiner Pflicht der Abwägung von verschiedenen Problemlagen verantwortungsbewusst nach kommt. Eine verträgliche Mietenentwicklung, die Kraftanstrengung der Bevölkerungsentwicklung, die Schaffung von Arbeitsplätze, die Herausforderung des Klimaschutzes und auch des Hochwasserschutzes müssen selbstverständlich im Interesse aller Hamburger und Hamburgerinnen bewältigt werden.

Mit freundlichen Grüßen
Rosa Domm

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