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Renate Künast
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Frage von Christoph R. •

Frage an Renate Künast von Christoph R. bezüglich Verkehr

Sehr geehrte Frau Künast,
Ihre Partei und Sie persönlich setzen sich ja stets für öffentliche Verkehrsmittel ein. Ich selbst benutze diese ständig, um meinen Arbeitsplatz zu erreichen. Leider ist dabei mein Eindruck (der sich ja auch in der Presse niederzuschlagen scheint), daß die Gewalt gerade in UBahnen und Bussen hier in Berlin zuzunehmen scheint. In den UBahn Stationen, die ich nutze, wird fast ständig geraucht und auf dem Boden liegen zahllose Kippen. Ein höfliches Ansprechen der Mißstände kann schnell Gewaltausbrüche zur Folge haben. Abends gewisse Linien benutzen zu müssen, ist aus Furcht vor Randale fast schon eine Strafe.
Meine Fragen an Sie:
Gibt es Statistiken, wie viele Pesonen aus Angst vor Gewalt öffentliche Verkehrsmittel nicht mehr nutzen?
Gibt es eine Abschätzung, wie viel Geld zusätzliches Personal der BVG nutzen würde (weniger Sachbeschädigung, mehr Kunden)?
Empfinden Sie die Zustände in unseren Verkehrsmitteln insgesamt als gut oder nicht?
Was kann in Zukunft unternommen werden, um die Situation zu verbessern?
Herzlichen Dank für Ihre Antwort
Christoph Ritter

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Ritter,

herzlichen Dank für Ihren Beitrag in dem Sie sich besorgt über die Situation im öffentlichen Personen- und Nahverkehr (ÖPNV) zeigen. Im Namen von Renate Künast möchte ich Ihnen gerne darauf antworten.

Sie haben Recht, dass es im ÖPNV immer wieder zu Vandalismus, Verschmutzung und in Einzelfällen leider auch zu Gewalt kommt.

Grundsätzlich lässt sich jedoch feststellen, dass die öffentlichen Verkehrsmittel in Berlin insgesamt sicher sind. Die Kriminalitätsstatistik zeigt, dass die Gefahr, in Berlin in Fahrzeugen oder Bahnhöfen Opfer einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit zu werden, geringer ist als andernorts im öffentlichen Raum - also etwa auf der Straße. Allerdings ist bei kleinen Vorfällen wie etwa Belästigungen von einer hohen Dunkelziffer auszugehen.

Obgleich die Sicherheitslage im ÖPNV objektiv betrachtet gut ist, nahmen die Verkehrsunternehmen in den vergangenen Jahren eine zunehmende Kriminalisierung wahr. Anzeichen für dieses breitere gesellschaftliche Problem auch im ÖPNV sind vor allem:

* nicht unbedingt mehr, aber schwerere Gewalttaten gegen Fahrpersonal und
Fahrgäste;

* Entwicklung des Vandalismus von Sachbeschädigung zu einem

Sicherheitsproblem: Zunahme von irreparablen und teilweise gefährlichen
Beschädigungen durch Säure;

* zunehmender Organisationsgrad der "Szene" gepaart mit höherer
Gewaltbereitschaft gegenüber dem Betriebs- und Überwachungspersonal.

Sie fragen danach, ob die gefühlte Sicherheit der Fahrgäste einen Einfluss auf die Nutzung des ÖPNV hat. Untersuchungen haben ergeben, dass Sicherheit vor Kriminalität, Bedrohungen oder Belästigungen für die Kundenzufriedenheit und die Fahrgastzahl eine Bedeutung hat und zwar vor allem bei Frauen, älteren Fahrgästen sowie Selten- und Nichtnutzern. Demnach ist Sicherheit für 22% der weiblichen Befragten, 18% der männlichen Befragten und 23% der über 60-Jährigen das wichtigste Kriterium für die Nutzung des ÖPNV in Berlin.

In Hamburg hat eine Studie ergeben, dass 12 % der Nicht- oder Seltennutzer
Bus und Bahn häufiger nutzen würden, wenn die Sicherheit verbessert würde.

Es gibt also einen hohen Bedarf, die Sicherheit im ÖPNV zu verbessern. Dafür muss vor allem mehr Personal eingesetzt werden. Wir, Bündnis 90/Die Grünen sind strikt gegen aufsichtslose Bahnhöfe. Hier hat der Senat es verpasst, entsprechende Regelungen in den (bis 2017) geltenden Vertrag mit der S-Bahn aufzunehmen. Die S-Bahn hat die Lücke prompt genutzt und nach Vertragsabschluss von zahlreichen Bahnhöfen Personal abgezogen - und so den Gewinn erhöht, der an die Bahn AG abgeführt werden kann. Im letzten Jahr waren es fast 35 Millionen Euro! Und auch die BVG hat mit Billigung des Senates aus Kostengründen auf ihren Bahnhöfen oft kein Personal mehr. Zur Erhöhung der Sicherheit wäre ein einfaches - von uns unterstütztes Mittel -

allen PolizistInnen freie Fahrt mit dem ÖPNV zu gewähren, weil diese verpflichtet sind auch außerhalb ihrer Dienstzeit bei Straftaten einzugreifen. Doch damit tun sich die Verkehrsbetriebe schwer.

Eine Möglichkeit für Sie, sich direkt mit dem Thema Sicherheit im öffentlichen Raum auseinanderzusetzen, besteht mit den vom Landeskriminalamt (LKA) angebotenen Seminaren zum Umgang mit Gewalt in der Öffentlichkeit. Sie sind kostenlos und werden regelmäßig angeboten. Das nächste Seminar findet statt am Mittwoch, den 07.01.2009, 18.00 Uhr bis 21.00 Uhr. Ort: Kaiserdamm 1, Saal 316. Telefonische Anmeldung unter 4664-979415.

Ich verbleibe mit freundlichen Grüßen

Katrin Langenbein

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