Wie wird sich Ihre Partei dafür einsetzen, dass Medizinische Behandlungszentren, die aufgrund einer Versorgungslücke für Menschen mit Behinderungen gegründet wurden, auch für Autisten zugänglich sind?
Sehr geehrter Herr Stegner,
mein Name ist Sabine G. .und ich bin Autistin.
Im Vorfeld der Bundestagswahl schreibe ich Ihnen, um zu erfahren, wie Sie und Ihre Partei autistische Menschen in Deutschland unterstützen wollen.
Autistische Menschen werden durch Versäumnisse in den Bereichen Bildung, psychische Gesundheit, Beschäftigung sowie Gesundheits- und Sozialfürsorge im Stich gelassen. Ich würde es sehr begrüßen, wenn Sie sich für die Rechte autistischer Menschen einsetzen und die sinnvollen und realistischen politischen Empfehlungen eines auf europäischer Ebende entwickelten Manifests (kann ich Ihnen auf Anfrage zukommen lassen) unterstützen würden. Dies wird mein Leben und das Leben aller autistischen Menschen wirklich verändern.
Ich möchte mehr über meine Erfahrungen mit Ihnen teilen, und zwar auf eine Weise, die meinen
Kommunikationsbedürfnissen als autistischer Mensch entspricht. Bspw wäre eine Videokonferenz machbar.
Vielen Dank für Ihre Zeit!
Beste Grüße,
Sabine G.

Sehr geehrte Frau G.,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Ich freue mich sehr, dass Sie Ihre Erfahrungen mit mir teilen und die strukturellen Probleme klar ansprechen. Die Sichtbarkeit dieses Thema ist meines Erachtens besonders wichtig, da es in Institutionen (Kindergarten, Schule, Arbeitsplatz) oft an Fachkräften mangelt, die speziell auf die Bedürfnisse von Menschen im Autismus-Spektrum geschult sind. Und das obwohl eine frühzeitige Diagnose und gezielte Unterstützung den Betroffenen in ihrem Alltag erheblich helfen können. Deshalb müssen wir den Ausbau der therapeutischen Ausbildung dringend vorantreiben, um sowohl Kindern als auch Erwachsenen bessere Perspektiven zu bieten. Leider musste ich feststellen, dass wir zwar das Thema Inklusion klar adressieren, Autismus im aktuellen Regierungsprogramm jedoch nicht explizit betrachtet wird.
Dennoch setzt sich die SPD konsequent für eine inklusivere Gesellschaft ein, in der alle Menschen gleichberechtigten Zugang zu medizinischer Versorgung und sozialer Teilhabe erhalten. Unsere Maßnahmen, wie der kürzlich veröffentlichte Aktionsplan für ein diverses, inklusives und barrierefreies Gesundheitssystem, zielen darauf ab, die bestehenden Versorgungslücken effektiv zu schließen. Konkret sollen hierbei insbesondere die medizinischen Behandlungszentren für Erwachsene mit geistiger oder schwerer Mehrfachbehinderung (MZEB) bundesweit ausgebaut werden, um Barrieren beim Zugang abzubauen. Das BMG möchte in diesem Zusammenhang gemeinsam mit den Ländern und Verbänden den Fachdialog ausbauen, um einheitliche Rahmenbedingungen für die Ermächtigung medizinischer Versorgung in den MZEBs zu setzen. Es sollen entsprechende gesetzliche Änderungen vorgenommen werden, durch die eine regelhafte (medizinische) Versorgung von Menschen mit geistiger oder schwerer Mehrfachbehinderung gesichert wird (vgl. Maßnahmen im Aktionsplan auf S. 26/27). An der Erstellung des genannten Aktionsplans waren über 100 Verbände beteiligt. Darunter unter anderem die BAG Selbsthilfe und Der Paritätische. "Autismus Deutschland e.V." (der Bundesverband zur Förderung von Menschen mit Autismus) ist Mitglied in der BAG Selbsthilfe und auch im Paritätischen. Insofern ist ein Interessenverband für Menschen mit Autismus durch die Mitgliedschaft in den genannten Verbänden am Entstehungsprozess des genannten Aktionsplan beteiligt gewesen.
Darüber hinaus wird sich die psychotherapeutische Versorgung aufgrund eines Beschlusses des Bundesrates am 14.2.25 nun endlich verbessern. Dafür haben wir als SPD, insbesondere unser Berichterstatter für Inklusion im Gesundheitswesen und Berichterstatter für seelische Gesundheit Dirk Heidenblut, lange Zeit gekämpft. Dies hatte zur Folge, dass im Bundesrat vor 2 Wochen neue Ermächtigungen für 'vulnerable Gruppen' beschlossen wurden, wozu meiner Auffassung nach auch Menschen mit Autismus-Spektrums-Störungen zählen. den Zugang zu Behandlungen für vulnerable Gruppen erleichtern soll. Diese Maßnahmen tragen dazu bei, dass auch Menschen im Autismus-Spektrum in den Genuss einer besseren, ganzheitlichen Gesundheitsversorgung kommen. Hierbei soll konkret die psychotherapeutische Versorgung von Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen, Suchterkrankungen sowie intellektuellen Beeinträchtigungen dadurch verbessert werden, dass der Ermächtigungstatbestand in der Psychotherapie mit einer Änderung der Zulassungsordnung für Vertragsärzte ausgeweitet wird. Besonders vulnerable Patient*innen erhalten dadurch einen leichteren Zugang zu einer psychotherapeutischen Behandlung. Die psychotherapeutischen Behandlungsangebote können dadurch sowohl in Einrichtungen der Eingliederungshilfe, der Suchthilfe oder auch gemeindepsychiatrischen Verbünden ausgebaut werden. (Quelle: https://www.bptk.de/pressemitteilungen/psychotherapeutische-versorgung-schwer-psychisch-kranker-menschen-verbessert/ ) Und Menschen mit einer Autismus-Spektrums-Störung werden in all diesen Angebots-Formen, insbesondere in der Eingliederungshilfe, versorgt.
Mir ist bewusst, dass dies noch nicht ausreichend ist, um die Lebensrealitäten von Personen im Autismus-Spektrum anzuerkennen und zu verbessern. Ich sehe diese Entwicklung jedoch ganz klar als einen Schritt in die richtige Richtung. Ich hoffe inständig auf weitere Zusammenarbeit mit den Interessensverbänden behinderter Personen, um die Inklusion schneller und effektiver heranzutreiben und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken.
Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass die SPD die Arbeitsgruppe Selbst Aktiv hat. Diese befasst sich explizit mit der Mitentscheidung von Menschen mit Behinderung, Inklusion im Bereich Bildung, Wohnen, Arbeit, Pflege, Freizeit und Sport. Schreiben Sie gerne eine Nachricht mit konkreten Verbesserungsvorschlägen etc. an die Kolleginnen und Kollegen oder wirken Sie, wenn gewünscht, aktiv in der Arbeitsgruppe mit.
Mit freundlichen Grüßen
Ralf Stegner