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Frage von Bernhard K. •

Frage an Niels Annen von Bernhard K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Wie werden Sie sich angesichts der Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung verhalten?

MfG
Bernhard Kaiser

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Kaiser,

vielen Dank für Ihre Frage.

Am 20.6.2015 hat der SPD-Parteikonvent nach einer offenen und engagierten Debatte einen Antrag zur Einführung einer Speicherpflicht und Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten im Einklang mit Datenschutz und Grundrechten beschlossen. Damit haben wir uns gegen eine Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung in der bisherigen Form ausgesprochen. Sie finden den Beschluss unter http://www.spd.de/linkableblob/129450/data/20150620_beschluss_hoechstspeicherfristen.pdf .

Mit dem neuen Gesetzentwurf zur Einführung einer Speicherpflicht und Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten hat die Bundesregierung am 27. Mai 2015 einen deutlich restriktiveren Gesetzentwurf beschlossen. Die strengen Maßstäbe des Parteitagsbeschlusses vom Dezember 2011 sind umgesetzt und zum Teil sogar übertroffen. Zudem sind die verfassungs- und europarechtlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs eingehalten.

Dieser Gesetzentwurf ist deutlich restriktiver als das, was früher als Vorratsdatenspeicherung bezeichnet wurde, denn:

- Jegliches Abrufen von gespeicherten Daten unterliegt einem qualifizierten Richtervorbehalt. Das bedeutet, dass die Strafverfolgungsbehörden nur dann einzelne Daten abrufen können, wenn ein Richter oder eine Richterin dies für den konkreten Einzelfall nach Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen und Verhältnismäßigkeitsprüfung erlaubt.

- Des Weiteren schafft das neue Gesetz weitgehende Transparenz: Der Abruf der Daten ist keine verdeckte Maßnahme. Die betroffenen Personen sind grundsätzlich vor dem Abruf der Daten zu benachrichtigen, im Übrigen werden die Betroffenen nachträglich benachrichtigt. Der Abruf ist zu protokollieren.

- Es wird sehr viel kürzer gespeichert; die alte EU-Richtlinie sah eine Speicherung bis zu zwei Jahren vor, das deutsche Gesetz eine Speicherung von sechs Monaten. Der Gesetzentwurf liegt mit zehn bzw. vier Wochen sogar deutlich unter der im Beschluss des Parteitags angestrebten Speicherfrist („deutlich unter sechs Monaten“)

- Es werden weniger Daten gespeichert als zuvor; so sind etwa E-Mail-Daten jetzt komplett ausgenommen.
- Die Voraussetzungen für den Abruf auf die Daten sind strenger; der Kreis der Taten, für deren Aufklärung die Daten genutzt werden dürfen, ist enger.

- Der Abruf von Standortdaten wurde generell verschärft. Zu geschäftlichen Zwecken gespeicherte Standortdaten dürfen nicht mehr abgerufen werden. Abgerufen werden dürfen nur noch die verpflichtend gespeicherten Standortdaten unter den oben genannten strengen Voraussetzungen.

- Die Erstellung von Bewegungs- und Persönlichkeitsprofilen soll durch die verkürzte Speicherfrist und hohe Hürden für den Abruf von Standortdaten verhindert werden.

- Erstmals gibt es ein klares Verwertungsverbot von Daten von Berufsgeheimnisträgern. Eine „Whitelist“ mit von allen Berufsgeheimnisträgern in Deutschland, mit all ihren Telefonnummern, IP-Adresse etc., die für ein Erhebungsverbot erforderlich wären, ist bei genauer Betrachtung kein Gewinn an Datenschutz, sondern angesichts der Brisanz einer solchen umfassenden Liste das Gegenteil.

- Eine Eilkompetenz der Staatsanwaltschaft gibt es nicht. Nur ein Gericht darf den Zugriff der Ermittlungsbehörden auf die Kundendaten bei den Unternehmen erlauben - ausdrücklich ohne die sonst vielfach übliche Eilkompetenz des Staatsanwalts, die letztendlich dem Richter nur noch nachträglich die Entscheidung überlässt, ob er eine bereits erfolgte Abfrage genehmigt oder andernfalls für rechtswidrig erklärt.

- Erstmals werden enorm hohe Datenschutzstandards bei den Providern gesetzlich verpflichtend vorgeschrieben. Bisher gibt es hier keine einheitlichen Schutzstandards. Das Gesetz wird zum ersten Mal bestimmen, welche Anonymisierungs-, Kryptorisierungs-Standards, etc. von den Telekommunikationsunternehmen verpflichtend eingehalten werden müssen – mit massiven Geldbußandrohungen, falls ein Unternehmen dem nicht nachkommt.

- Außerdem sieht das Gesetz strenge Sanktionen vor: Bei Verstößen drohen den Unternehmen Geldbußen von 100.000 bis 500.000 Euro Der Gesetzentwurf sieht zugleich vor, den neuen Straftatbestand der „Datenhehlerei“ zu schaffen. Damit wird sichergestellt, dass Daten nicht nur vor Ausspähung geschützt sind, sondern auch der Handel mit ausgespähten Daten unter Strafe steht.

Aufgrund der oben aufgeführten Änderungen bin ich der Meinung, dass das neue Gesetz die Balance zwischen den Grundrechten der Freiheit und der Sicherheit hält. Es handelt sich meiner Meinung nach nicht um eine Reanimierung des alten, verfassungswidrigen Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung, sondern um einen Ansatz, bei dem die Rechte der Bürgerinnen und Bürger durch umfassende Restriktionen bewahrt werden.

Eine berechtigte Sorge sehe ich viel mehr noch bei der Sammlung von Daten zu privaten Zwecken. Hier herrscht ein Datenschutzniveau, das bei Weitem nicht an das geplante Gesetz zur Regelung der strafrechtlichen Nutzung von gespeicherten Daten heranreicht. Unabhängig von dem staatlichen Zugriff auf Verkehrsdaten im Einzelfall zur Strafverfolgung speichern private Anbieter in umfangreichster Weise Daten von Kunden und Nutzern. Auch in Zukunft wird sich die SPD-Bundestagsfraktion dafür einsetzen, dass für die Erhebung, Verarbeitung, Speicherung und Weitergabe von Daten durch private Anbieter sowie für den Zugriff durch Dritte ein klarer gesetzlicher Rahmen geschaffen wird.

Mit freundlichen Grüßen,

Niels Annen

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