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Michael Roth
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Frage von Bernd W. •

Frage an Michael Roth von Bernd W. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Roth,

er sozialdemokratische Arbeitsminister plant derzeit die bestehenden Arbeitszeit(schutz)vorschriften für bestimmte Berufsgruppen auszuweiten.

Mit welcher Begründung glauben sie als sozialdemokratischer Abgeordneter, dass diese Massnahme in der derzeitigen Situation allgemein und im besonderen den davon betroffenen Menschen helfen soll?
Gibt es keine anderen Möglichkeiten an dieser Stelle mehr Personal einzusetzen?

Gerade diese Berufsgruppen müssen derzeit weit mehr als andere leisten und stehen unter besonderen Anspannungen. Glauben sie als sozialdemokratischer Abgeordneter, dass man den davon Betroffenen Arbeitnehmern einen Gefallen macht oder man sie nicht eher für die "Volksgesundheit" schlicht verbrennt und noch mehr ausnutzt?

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Wiesenthal,

für Ihre Frage zur Verordnung, die die Abweichungen vom Arbeitszeitgesetz infolge der Corona-Epidemie regelt, danke ich Ihnen und nehme gerne dazu Stellung. Durch die Änderung des Arbeitszeitgesetzes vom 28. März 2020 ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zeitlich befristet ermächtigt worden, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit im aktuellen außergewöhnlichen Notfall bundeseinheitliche Ausnahmen vom Arbeitszeitgesetz zu erlassen. Auf dieser Basis werden durch eine Rechtsverordnung ab dem 10. April 2020 nur für bestimmte Tätigkeiten und nur für einen befristeten Zeitraum bis zum 30. Juni 2020 Ausnahmen von den Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes zugelassen.

Diese Ausnahmen müssen wegen der Corona-Epidemie zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, des Gesundheitswesens und der pflegerischen Versorgung, der Daseinsvorsorge oder zur Versorgung der Bevölkerung mit existenziellen Gütern notwendig sein. Das aktuelle Infektionsgeschehen durch das neuartige Coronavirus und die hierdurch verursachte Krankheit COVID-19 zeigen, dass in der aktuellen Lage das ordnungsgemäße Funktionieren des Gemeinwesens erheblich gefährdet sein kann. Im Verlauf der Ausbreitung des Infektionsgeschehens ist in Deutschland unter anderem mit einem stark erhöhten Kranken- und Quarantänestand bei den Beschäftigten zu rechnen. Auch durch etwaige Verpflichtungen zur Kinderbetreuung auf Grund der behördlichen Schließung von Schulen und Kitas können zusätzliche Fehlzeiten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern entstehen. Außerdem gibt es etwa bei der Herstellung und dem Vertrieb von Arzneimitteln einschließlich Betäubungsmitteln, Hygieneartikeln, Medizinprodukten oder Epidemie relevanten Produkten einen erheblichen Mehrbedarf.

Konkret werden befristet folgende Ausnahmen zugelassen:

- Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kann auf bis zu zwölf Stunden verlängert werden. Dies gilt nur, soweit die Verlängerung nicht durch vorausschauende organisatorische Maßnahmen einschließlich notwendiger Arbeitszeitdisposition, durch Neueinstellungen oder sonstige personalwirtschaftliche Maßnahmen vermieden werden kann. Wie im Arbeitszeitgesetz üblich, muss innerhalb von sechs Monaten ein Ausgleich auf acht Stunden werktäglich (48 Stunden wöchentlich) erfolgen.

- Die tägliche Ruhezeit darf um bis zu zwei Stunden verkürzt werden, wobei eine Mindestruhezeit von neun Stunden nicht unterschritten werden darf. Jede Verkürzung der Ruhezeit ist innerhalb von vier Wochen auszugleichen. Der Ausgleich ist nach Möglichkeit durch freie Tage zu gewähren, ansonsten durch Verlängerung anderer Ruhezeiten auf jeweils mindestens 13 Stunden.

- Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dürfen auch an Sonn- und Feiertagen beschäftigt werden, sofern die Arbeiten nicht an Werktagen vorgenommen werden können. Der Ersatzruhetag für Sonntagsbeschäftigung kann innerhalb von acht Wochen gewährt werden, er muss spätestens bis zum Außerkrafttreten der Verordnung am 31. Juli 2020 gewährt worden sein.

- Wird von den Abweichungen Gebrauch gemacht, darf die Arbeitszeit 60 Stunden wöchentlich nicht überschreiten. Nur in dringenden Ausnahmefällen darf die Wochenarbeitszeit auch über 60 Stunden hinaus verlängert werden, soweit die Verlängerung nicht durch vorausschauende organisatorische Maßnahmen einschließlich notwendiger Arbeitszeitdisposition, durch Einstellungen oder sonstige personalwirtschaftliche Maßnahmen vermieden werden kann.

Die außergewöhnlichen Umstände im Zuge der Corona-Epidemie verlangen außergewöhnliche Maßnahmen – und auch besondere Anstrengungen von Arbeitgebern sowie von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Die beschriebenen Ausnahmen von den Arbeitszeitvorschriften gelten nur für bestimmte Tätigkeiten und befristet bis zum 31. Juni 2020. Lassen Sie mich in diesem Kontext aber auch nochmal klarstellen: Die SPD hat in den vergangenen Wochen deutlich gemacht, dass wir das außerordentliche Engagement derer, die derzeit in Krankenhäusern, in Arztpraxen, in Pflegeeinrichtungen oder an der Supermarktkasse Unvorstellbares leisten, auch finanziell deutlich besser anerkennen wollen. So hat das Bundesfinanzministerium bereits beschlossen, dass im Zuge der Corona-Krise Sonderzahlungen für Beschäftigte bis zu einem Betrag von 1.500 Euro im Jahr 2020 steuer- und sozialversicherungsfrei gestellt werden. Außerdem kämpfen wir gemeinsam mit den Gewerkschaften für eine rasche Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro pro Stunde.

Weitere ergänzende Informationen zu den Arbeitszeitregelungen finden Sie auf den Internetseiten des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und des Deutschen Gewerkschaftsbundes:

- https://www.bmas.de/DE/Schwerpunkte/Informationen-Corona/faq-arbeitszeitverordnung.html

- https://www.dgb.de/themen/++co++93e8c514-7a89-11ea-a50b-52540088cada

Mit freundlichen Grüßen

Michael Roth

 

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