Portrait von Matthias Miersch
Matthias Miersch
SPD
98 %
43 / 44 Fragen beantwortet
Frage von Joachim D. •

Frage an Matthias Miersch von Joachim D. bezüglich Finanzen

Wie stehen Sie als Kandidat für die Bundestagswahl zur Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE)?

Portrait von Matthias Miersch
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Debor,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Bereits vor einiger Zeit habe ich einen Vortrag von Götz Werner besucht und im Anschluss intensiv mit ihm über seine Thesen diskutiert.

Die heutige Zeit verlangt ein neues Denken und ich finde, die Anhänger des Bedingungslosen Grundeinkommens verfolgen einen interessanten Ansatz. Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb die "ePetition" zum Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) auf der Internetseite des Bundestages zu einem echten Renner geworden ist.

Für mich ist das Thema der solidarischen Grundsicherung des einzelnen Bürgers eine ganz zentrale Aufgabe der Politik. Deshalb arbeite ich aktuell mit den verschiedenen Akteuren z.B. an einem Projekt "Stadt ohne Arbeitslosigkeit". Diese Grundsicherung betrifft auch die Altersversorgung und die Krankenversicherung.

Das Thema BGE kann als eine weitere Grundlage für Überlegungen dienen, wie wir an unserem aktuellen System etwas verändern können.

Dennoch gibt es offene Fragen, die in die Diskussion gehören: So besteht nach meiner Einschätzung die Gefahr, dass das Modell genau das Gegenteil von meinen politischen Zielen und den Zielen der SPD erreicht: Wir wollen, dass die Leistungsfähigkeit des einzelnen Bürgers auch beim individuellen Beitrag an der Grundversorgung des Staates berücksichtigt wird und wir wollen die Teilhabe der Menschen am gesellschaftlichen Leben und nicht die "Stillstellung" durch finanzielle Leistungen.

Bei genauerer Befassung mit den Modellen ist festzustellen: Die Zahlung von 1500 Euro netto (das sind brutto etwa 2300 Euro) ist individuell sehr hoch, ganz besonders in der Addition mehrerer Grundeinkommen. Wir können heute sehen, dass viele Menschen, die Vollzeit arbeiten, viel weniger an Lohn bekommen – leider! Deshalb kämpfen wir aktuell um einen gesetzlichen Mindestlohn. Wenn nun eine Pauschalzahlung ohne Arbeitsleistung erfolgt, fragt sich, ob noch ein Anreiz besteht, entsprechende Arbeitsstellen anzunehmen. Ob die Zahlung des Grundeinkommens dazu führt, dass diese Jobs entsprechend höher bezahlt werden, wird zumindest bezweifelt. Damit kommen wir zur Frage der Finanzierung:

Da der Staat sich aus Steuergeldern finanziert, ist besonders der Vorschlag nach Ersetzung aller Steuern durch eine Konsumsteuer nach meiner Einschätzung nur schwer durchführbar. Denn durch die Konsumsteuer müssten ja nicht nur die Grundeinkommen finanziert werden, sondern weiterhin alle weiteren Aufgaben des Staates wie Bildung, Straßenbau… Es klingt natürlich immer gut, das Steuersystem einfacher und transparenter zu gestalten. Auch ich bin dafür. Jedoch habe ich bei vielen Verfechtern den Eindruck, dass es vor allem um Steuerentlastungen geht. Wenn CDU und FDP aktuell diese Forderungen erheben, weiß ihr Klientel, dass es sich im Zweifel Bildung, Gesundheit etc. auch privat finanzieren kann.

Natürlich ist klar, dass durch das Grundeinkommen auch die Steuereinnahmen höher sein können, die Binnennachfrage gestärkt werden könnte und somit auch Steuereinnahmen verstetigt werden könnten. Ich würde jedoch ein Steuersystem ablehnen, dass die finanzielle Leistungsfähigkeit unberücksichtigt lässt. Nun wird sicher entgegnet, dass derjenige, der viel konsumiert, auch mehr zahlt. Auch das hört sich erst einmal gut an. Entscheidend ist jedoch, dass am Ende ausreichend Geld für die wichtigen Aufgaben des Staates da ist. Wenn man bedenkt, dass in den letzten Jahrzehnten stets zu wenig Geld vorhanden gewesen ist, halte ich jedenfalls ein Versprechen, das Steuererleichterungen verspricht, für nicht einlösbar, wenn nicht die Solidarität auf dem Spiel stehen soll. Die finanzielle Gestaltungskraft des Staates (und damit der Gesellschaft) ist für mich unerlässlich. Wohin das Fehlen von solcher Gestaltung führt, zeigt uns die aktuelle Krise der Finanzmärkte.

Zusammenfassend komme ich deshalb zu dem Ergebnis, dass es gute Aspekte gibt, sich mit der Idee des Grundeinkommens zu beschäftigen. Allerdings sind die Fragen der Finanzierbarkeit, des Anreizes und die künftige Rolle des Staates stets mit zu diskutieren und aufzuklären. Dieses wird nach meiner Einschätzung bislang vernachlässigt.

Mit freundlichen Grüßen

Matthias Miersch

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Matthias Miersch
Matthias Miersch
SPD