Wenn Sie einen Blankocheck über 5 verkehrspolitische Massnahmen hätten, was wären sie? Und gibt es eine Unterscheidung zwischen idealistischer Ideen und solchen, die Sie tatsächlich umsetzen würden?
Sehr geehrter Herr Gastel,
ich finde Ihre Themen und Standpunkte sehr toll! Als junge Person zwischen Grün und Gelb (letzte Wahl Grün gewählt), als Enthusiast für Verkehrssysteme aller Art und auch als jemand, der aus der Region Stuttgart kommt, sind Sie natürlich "ein gefundenes Fressen" für mich - im bestmöglich positiven Sinne!
In Ihren Veröffentlichungen gibt es viele Forderungen und Ideen Ihrerseits - aber an welche fünf Massnahmen denken Sie denn zuerst? Und wenn Sie alles machen könnten ohne negative bspw. politische oder wirtschaftliche Folgen, was wäre anders wie wenn Sie die "reale Welt" mitberücksichtigen würden?
Und abschliessend noch: Als tief verwurzelter und einflussreicher Verkehrspolitiker ohne - so darf ich doch wohl sagen - konkrete exekutive Macht, da Sie nicht Verkehrsminister o.Ä. sind; wie würden Sie Ihre Gedanken auf der Skala Konkret-Punktuell-vs.-Weitreichend-Generell einschätzen? Und warum?
Vielen Dank Ihnen für Ihre Arbeit und Antwort,
Kevin W.
Sehr geehrter Herr W.,
zunächst einmal vielen Dank für die Rückmeldungen, über die ich mich sehr freue.
Ihre Frage ist nicht einfach zu beantworten, weil natürlich an mehr als nur fünf Stellschrauben gedreht werden muss, um die Bahn so stark zu machen, dass sie in erheblichem Umfang Verkehrsanteile von der Straße und dem Flugverkehr abnehmen und einen umwelt- und klimaverträglicheren Personen- und Güterverkehr in guter Betriebsqualität ermöglichen kann.
Handlungsbedarf sehe ich zunächst bei den Mittelzuweisungen zu den Verkehrsträgern. Da ich die Straßen in Deutschland für weitgehend ausreichend ausgebaut halte, die Schienenwege jedoch in den letzten Jahrzehnten geschrumpft wurden, sollten Finanzierungsmittel von der Straße (Aus-/Neubau; Investitionen in den Erhalt müssen sogar erhöht werden) zur Schiene umgeschichtet werden. Mit dem Geld müssen dann auch Planungskapazitäten hin zur Schiene verschoben werden. Die Lkw-Maut wollen wir ausbauen und die Einnahmen auch dem Ausbau der Schienenwege zukommen lassen (ein Teil davon findet sich im Koalitionsvertrag wieder). Des weiteren brauchen wir den Abbau der auf über 50 Milliarden Euro angewachsenen ökologisch schädlichen Subventionen. Hier denke ich bspw. an das Dienstwagenprivileg und die Steuervergünstigung von Dieselkraftstoffen sowie die Förderung von Regionalflughäfen ohne ausreichende Verkehrsnachfrage. Um den Ausbau der Schienenwege schneller voran zu bringen, braucht es eine längerfristig verlässlich aufwachsende Finanzierung und Maßnahmen zur Beschleunigung von Planungs-, Genehmigungs- und Bauprozessen. Einige Maßnahmen haben wir im Koalitionsvertrag konkret benannt, andere werden wir in der "Beschleunigungskommission Schiene", der ich angehöre, ausarbeiten. Für den Schienengüterverkehr ist schließlich ein ganzes Bündel an Maßnahmen erforderlich, so die bessere Förderung von Gleisanschlüssen in Gewerbegebieten und bei Industriebetrieben, der Ausbau der KV-Terminals und die dauerhafte Senkung der Trassenpreise.
Die Einflussmöglichkeiten einzelner Verkehrs-Abgeordneter lässt sich zu Beginn einer Regierungsbeteiligung noch schwer genau einordnen. Wir bauen noch Kommunikations- und Abstimmungsstrukturen auf und aus und drängen darauf, die beschriebenen und im Koalitionsvertrag vereinbarten Punkte zügig umzusetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Gastel