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Marius Weiß
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Frage von hasko h. •

Frage an Marius Weiß von hasko h. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrter Herr Weiß

Wie stehen Sie zu der von Herrn Koch so wahlkampfwirksam aufgeworfener Frage einer Verschärfung des Jugendstrafrechts, der Jugendgerichtsbarkeit und des Jugendstrafvollzugs?
Sollte dieses Thema nicht außerhalb des Wahlkampfes nüchtern analysiert werden? Ich bin kürzlich pensioniert worden, war vorher viel im Ausland und bin nach meiner Rückkehr sehr betroffen von der Ausbreitung von Gewalt,die sich schon im Ton der Jugendlichen untereinander und gegenüber Älteren ausdrückt.

Mit freundlichen Grüßen
Hasko Haberlah

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Haberlah,

vielen Dank für Ihre Frage und Ihr damit bewiesenes Interesse an der Landespolitik und den Personen, die in Ihrem Wahlkreis kandidieren. Ich will Ihnen gerne meine Meinung zur Debatte um eine Verschärfung des Jugendstrafrechts, der Jugendgerichtsbarkeit und des Jugendstrafvollzugs darlegen, da dieses Thema nicht nur politisch-theoretisch sondern auch praktisch durch meinen Beruf als Jurist mein Fachgebiet ist.

Wir brauchen keine schärferen Gesetze für kriminelle Jugendliche (gleich welcher Nationalität), sondern die bestehenden Möglichkeiten müssen konsequenter angewendet werden. Wir haben ein Vollzugsdefizit, an dem diese Landesregierung eine erhebliche Schuld trägt. Kein jugendlicher Gewalttäter wird sich von einer Straftat abhalten lassen, wenn der Strafrahmen dafür nun z.B. von zehn auf 15 Jahre erhöht wird. Viel wichtiger ist, dass solche Delinquenten schnell von der Polizei erwischt werden und ebenso zügig durch die Justiz abgeurteilt werden. Dass dies nicht in ausreichendem Maße passiert, liegt an folgender innen- und justizpolitischer Bilanz, die Roland Kochs Regierung verantwortet:
Seit 2003 wurden in Hessen 1.186 Stellen bei der Polizei gestrichen, 130 Stellen bei Richtern und Staatsanwälten abgebaut und sämtliche Mittel für Präventionsmaßnahmen gestrichen. Hessische Polizisten haben 2 Millionen Überstunden angehäuft. Die Gewerkschaft der Polizei in Hessen protestiert aktuell gegen die Stellenstreichungen von Roland Koch.
Laut aktueller Statistik werden 80 % der jugendlichen Straftäter in Hessen wieder straffällig. Warum? Weil die Landespolitik dabei versagt hat, straffällig gewordene Jugendliche wieder in die Gesellschaft zu integrieren. Dieses Versagen bezieht sich im Übrigen sowohl auf ausländische, als auch auf deutsche Jugendliche. Im Jahr 2006 wurden 26.394 deutsche Tatverdächtige unter 21 Jahren in Hessen ermittelt und 9.618 nichtdeutsche Tatverdächtige. Drei Viertel der Tatverdächtigen unter 21 waren in Hessen deutsche Staatsbürger.
Die Maßnahmen-Forderungen von Roland Koch, die er unter gütlicher Mithilfe der BILD-Zeitung unters Volk streut, lösen bei Juristen Kopfschütteln aus, weil diese Sanktionsmöglichkeiten alle schon jetzt bestehen. So steht der von Roland Koch geforderte „Warnschussarrest“ gegen jugendliche Gewalttäter schon lange im Gesetz (§ 16 Jugendgerichtsgesetz). Auch das von Koch als Strafe verlangte Fahrverbot ist heute möglich (als Weisung nach § 10 JGG). Arrest, Zuchtmittel und Jugendstrafen können heute schon von den Gerichten ausgesprochen werden. Insbesondere Intensivtäter können in so genannte Erziehungscamps eingewiesen werden.
Wir befürworten Ansätze, die rechtstaatlich und menschenrechtlich einwandfrei sind und den Jugendlichen klare Regeln setzt. Für jene jugendlichen Täter, die auch nach Verbüßung ihrer Jugendstrafe eine Gefahr für die Öffentlichkeit darstellen, hat die Bundesjustizministerin ein Gesetz vorgelegt, dass auch für jugendliche Straftäter die Anordnung der Sicherungsverwahrung über ihre Strafe hinaus anordnen kann. Wer wie Roland Koch über Jugendkriminalität redet, darf über ihre Ursachen nicht schweigen.
Viele jugendliche Straftäter kommen aus problematischen sozialen Verhältnissen. Soziale Ausgrenzung und Perspektivlosigkeit sind keine Entschuldigung für Kriminalität. Aber sie sind dennoch ihre Ursache. Wir brauchen bessere Betreuung, bessere Bildung, mehr Ganztagsbetreuung mehr Chancen und Ausbildungsplätze für Jugendliche. Wer Chancen und Arbeit hat, kommt auch weniger auf dumme Gedanken.

Abschließend darf ich Ihnen sagen, dass ich wie Sie der Meinung bin, dass dieses Thema außerhalb des Wahlkampfes nüchtern analysiert werden sollte. Ich bedauere sehr, dass die CDU dies nicht tut und es stattdessen populistisch ausschlachtet, um von ihrer miserablen landespolitischen Bilanz abzulenken.
Ich hoffe, dass ich Ihrem berechtigten Informationsinteresse mit meiner Antwort gerecht werden konnte und verbleibe

mit freundlichen Grüßen
Marius Weiß

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