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Marcus Weinberg
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Frage von Wolfgang D. •

Frage an Marcus Weinberg von Wolfgang D. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Weinberg,

Ich (Arzt) möchte gern wissen, wie Sie im November im Bundestag zur Frage des Rechtes auf persönliche Entscheidung am Lebensende und insbesondere zur Beihilfe zum Suizid, auch der ärztlichen Beihilfe zum Suizid in besonderen und kontrollierten Fällen abstimmen werden.

Für mich als Arzt bedarf es keiner neuen gesetzlichen Regelung, sondern es ist eine Sache zwischen dem freien Willen des Patienten und dem ärztlichen Gewissen des behandelnden Arztes.

Nicht gewinnorientierte Gesellschaften, die Todkranken bei der Durchsetzung ihres Wunsches beratend und ggf. juristisch zu Seite stehen, halte ich bei der zunehmenden Vereinsamung älterer Menschen und ihrem häufigen Ausgeliefertsein an gewinnorientierte Pflegeeinrichtungen für dringend erforderlich !

Ich bin gespannt auf Ihre Antwort, mit freundlichem Gruß,
Wolfgang Kausch

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Dr. Kausch,

vielen Dank für Ihre Anfrage über abgeordnetenwatch.de.

Die Gesetzgebung rund um das Thema der Sterbehilfe ist eine der anspruchsvollsten und schwierigsten in dieser Legislaturperiode. Wir diskutieren in diesen Monaten intensiv, wie unsere Gesellschaft mit Alter, Krankheit und Tod umgeht. Darf der Staat eingreifen, wenn sich Menschen mit Hilfe Anderer das Leben nehmen wollen? Für die kommende Abstimmung zu den vorliegenden Gesetzesentwürfen haben die Parteien vereinbart, den Fraktionszwang aufzuheben. Jeder Abgeordnete soll dann in dieser schwierigen Frage nach seinem Gewissen entscheiden können. Bei einem so wichtigen und bewegenden Thema ist es meine feste Überzeugung, dass weiterhin ein öffentlicher Diskurs vorangetrieben werden muss. Es gilt die Öffentlichkeit für dieses Thema zu sensibilisieren und die öffentliche Wahrnehmung zu stärken. Nur durch eine breit angesetzte Debatte, in der alle Seiten gehört werden, wird es gelingen, einen tragfähigen Konsens zu finden. Wie weit darf ein Verbot gehen? Jeder Mensch hat ein selbstbestimmtes Leben. Hat jeder Mensch das Recht auf einen selbstbestimmten Tod? Oder droht hier eine neue Form der „Sterbekultur“?

Vier Gruppenanträge liegen derzeit vor. Diese reichen von einem umfassenden Verbot der Suizidbeihilfe, über die ausdrückliche Ermöglichung der ärztlichen Suizidbeihilfe bis zur Straffreiheit der Suizidbeihilfe, die explizit auch für Sterbehilfeorganisationen gilt. Ich persönlich unterstütze wahrscheinlich den Antrag, der die derzeitige Rechtslage weitestgehend beibehalten will. Ich gebe Ihnen Recht, dass der bereits vorhandene gesetzliche Rahmen zu großen Teilen ausreichend ist. Aus dem Recht auf Selbstbestimmung folgt das Entscheidungsrecht des Patienten über die medizinischen Behandlungen, einschließlich des Rechts, „über den eigenen Tod zu entscheiden”. Deshalb soll eine gesetzliche Überregulierung vermieden und die Möglichkeit der straflosen Suizidbeihilfe im einzelnen Konfliktfall nicht eingeschränkt werden. Suizidhilfe soll deshalb grundsätzlich straffrei bleiben.

Ich stimme jedoch nicht mit Ihnen überein bezüglich der Genehmigung von nicht gewinnorientierten Suizidhilfe-Organisationen. Ich glaube, dass Beihilfe zum Selbstmord nie zur "Normalität" werden sollte. Es darf kein „Gewöhnungseffekt“ eintreten. Kranke oder alte Menschen sollen durch ein solches Angebot nicht dazu verleitet werden, einen assistierten Suizid zu wählen. Durch die „Normalisierung einer Sterbekultur“ entstünde für viele Schwerkranke gesellschaftlicher Druck, aus dem Leben zu scheiden. Viele Einsame oder Kranke würden den Suizid in Erwägung ziehen, nur weil sie denken, dass sie für die Familie oder die Gesellschaft zum Ballast geworden sind. Im Hintergrund dieses Argumentes stehen die Erfahrungen in den Niederlanden, wo die sogenannten Sorgfältigkeitskriterien bei der aktiven Sterbehilfe offensichtlich in immer mehr Fällen nicht korrekt eingehalten werden. Deshalb sollte der geschäftsmäßige oder organisierte Suizid verboten werden. Denn nicht alleine eine mögliche Kommerzialisierung der Suizidbeihilfe ist meiner Auffassung entscheidend, sondern „jedes Eigeninteresse” der Suizidhelfer, ihr „Geschäftsmodell” umzusetzen und ihre Dienstleistungen anzubieten. Hierzu könnte ein Straftatbestand geschaffen werden, der einen Strafrahmen von bis zu drei Jahren vorsieht. Einzelpersonen oder Organisationen, die die Sterbehilfe zu einem Geschäftsmodell erkoren haben, soll damit das Handwerk gelegt werden. Ziel muss es sein, dem verfassungsrechtlichen Spannungsfeld zwischen Lebensschutz und Selbstbestimmungsrecht gerecht zu werden.

Die Möglichkeit der straflosen Suizidbeihilfe im einzelnen Konfliktfall sollte jedoch, wie bereits erwähnt, nicht eingeschränkt werden. Noch wichtiger ist es meiner Meinung nach, dass die Palliativ- und Hospizversorgung, die Pflege und vor allem die menschliche Zuwendung für die Sterbenden gestärkt werden. Die Potenziale der Palliativmedizin, Leidenssymptome in der Sterbephase wirkungsvoll zu mindern, sollten wir flächendeckend nutzten und die gesundheitliche Versorgungsangebote verbessern.

Vor diesem Hintergrund möchte ich Sie und weitere Interessierte herzlich zur Podiumsdiskussion „In Würde sterben“ am 30. Oktober 2015 ab 17:30 Gemeindesaal St. Marien in Ottensen einladen. Gemeinsam sollen die seelsorgerischen und religiöse Aspekte, die ärztlichen und medizinischen Aspekte sowie die rechtlichen Dimensionen beleuchtet werden. Hierzu habe ich den Erzbischof von Hamburg, Dr. Stefan Heße, den Strafrechtler und Rechtsphilosophen Prof. Reinhard Merkel und die Palliativmedizinerin Dr. Maja Falkenberg eingeladen, die in Hamburg die ambulante Schmerzhilfe gegründet hat. Weitere Informationen finden Sie auf meiner Homepage www.marcusweinberg.de oder auf Facebook unter https://www.facebook.com/Marcus.Weinberg.

Mit freundlichen Grüßen

Marcus Weinberg