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Frage von Peter-Michael K. •

Frage an Marco Bülow von Peter-Michael K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Hallo Herr Bülow,
wer soll Ihnen allen dies nachsehen ?

Den hohen Tarifabschluss im öffentlichen Dienst als schwere Last den privaten Haushalten in der absehbar kaum endenden Zeit extremer Belastungen und toller Steuerquellen zuzumuten, schien kaum zu überbieten. Nun auch noch diesen zur Begründung einer beabsichtigten Diätenerhöhung dem Bürger "zu verkaufen", macht eigentlich fassungslos. Was passiert, wenn diesmal in unserem Land "der Bogen überspannt wird"?
Gruss aus Dortmund
P.-M. Keil

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Die PARTEI

Sehr geehrter Herr Keil,

vielen Dank für Ihre Anfrage auf abgeordnetenwatch.de. Ich kann Ihren Unmut sehr gut verstehen. Ich habe eine persönliche Erklärung zur Diätenerhöhung verfasst, die ich auch auf meiner Homepage http://www.marco-buelow.de veröffentlicht habe.

Persönliche Erklärung zur geplanten Diätenerhöhung

Ich persönlich stehe der zusätzlich geplanten Diätenerhöhung sehr kritisch gegenüber. Ich halte den Zeitpunkt und das Ausmaß dieser Erhöhung für völlig unangebracht und kann deshalb im Deutschen Bundestag dieser Diätenerhöhung nicht zustimmen. Ich möchte hierzu folgende Erklärung abgeben:

Gute Bezahlung von Abgeordneten ist notwendig Ich kann die sachliche Grundlage für die Diätenerhöhung nachvollziehen. Es war richtig, die Diäten an die Einkommen von Richtern und Bürgermeister kleinerer Städte anzupassen. Bundestagsabgeordnete sollen gut entschädigt werden. Die große Mehrheit aller Bundestagsmitglieder hat eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 55, 60 oder noch mehr Stunden. Sie tragen eine hohe Verantwortung, viele Belastungen und müssen sich alle vier Jahre erneut um ihr Mandat bewerben. Im Vergleich zu anderen Einkommen von Entscheidungsträgern, sind die Diäten eher moderat. Wer im Parlament eine Mindestqualität sicherstellen und nicht riskieren will, dass die qualifizierten Leute direkt von der Wirtschaft abgeworben werden, der muss eine möglichst hohe Unabhängigkeit durch die Diäten garantieren. Eine angemessene Abgeordnetenentschädigung ist daher notwendig. Auch deshalb, weil es leider immer noch zu viele Abgeordnete gibt, die nebenbei in Aufsichtsräten/ Beratergruppen sitzen und dann womöglich noch bezahlte Lobbyarbeit im Parlament machen.

Debatte über Diäten ist die falsche Diskussion Insgesamt halte ich die Debatte über die Diätenhöhe von beiden Seiten für unangemessen und verfehlt. Einige kritisieren jede Vergütung für politische Arbeit und glauben anscheinend, dass ein demokratisches System von alleine funktioniert. Zudem muss eine Lanze gebrochen werden für die vielen ehrenamtlich tätigen Politiker, die bis zum Rat höchstens eine geringe Entschädigung erhalten. Häufig genug bringen sie nicht nur Zeit, sondern auch ihr eigenes Geld für ihr Engagement auf. Viele gut bezahlte Abgeordnete haben sich häufig ebenfalls jahrelang ohne Entlohnung politisch engagiert. Auf der anderen Seite überreizen einige Politiker ihre Verantwortung und sollten sich in ihren Ansprüchen begrenzen. Für problematisch halte ich vor allem die unbegrenzt möglichen Nebenverdienste. Erstens, weil die Abgeordneten durch „Nebenjobs“ weniger Zeit zur Ausübung ihres Mandats haben. Zweitens, weil die Mitgliedschaft in Aufsichtsräten oder anderen Positionen in der Wirtschaft, den Abgeordneten in seiner freien Meinungsfindung zumindest beeinflussen. Dies unterläuft meiner Ansicht nach den demokratischen Willensbildungsprozess. Diese Nebenverdienstmöglichkeiten sollten deshalb begrenzt werden. Zudem sollten sie völlig transparent gemacht werden. Ich lege jedenfalls all meine Bezüge und Einkommen offen. Ich gehöre auch keinem Aufsichtsrat an. Meine anderen Funktionen in meiner Partei, Verbänden oder Initiativen sind alle vollständig ehrenamtlich, ohne jegliche Entschädigung oder Bezahlung.

Weitere Diätenerhöhung ist überzogen und nicht vermittelbar, viele Bürgerinnen und Bürger aus meinem Dortmunder Wahlkreis haben mir ihre Empörung und ihr Unverständnis zu dieser Diätenerhöhung zum Ausdruck gebracht. Ich kann diesen Unmut gut verstehen, ich persönlich hatte schon im November vergangenen Jahres Bauchschmerzen, als eine Diätenerhöhung in zwei Schritten beschlossen wurde. Damals war es schon schwierig genug, diese Erhöhung zu vermitteln. Dies war aber nur nach vielen Erklärungen und Diskussionen möglich. Ich hatte damals mit meinen Kollegen Dr. Matthias Miersch, MdB, und Garrelt Duin, MdB auch eine Erklärung zur Abstimmung über die Änderung des Abgeordnetengesetzes nach §31 GO verfasst. (Siehe Anhang).

Die jetzt dazu vorgesehene erneute Diätenerhöhung ist überzogen und sie ist nicht vermittelbar. Ich werde sie im Parlament ablehnen und habe meine hier formulierte Kritik auch gegenüber der Fraktionsgeschäftsführung und unserem Fraktionschef deutlich gemacht. Die Erhöhung steigert den Unmut der Bevölkerung gegenüber der Politik und erschwert es zumindest zeitweilig, dass wir mit unseren politischen Inhalten die Menschen erreichen. Es kostet immens viel Zeit, der ganzen Kritik zu begegnen und bei jeder Veranstaltung immer wieder auf diese Diskussion einzugehen. Diese Zeit würde ich lieber für die Sacharbeit nutzen. Mit solchen Debatten zur Unzeit verliert die SPD in einer schwierigen Phase weiter an Glaubwürdigkeit. Wir setzen uns zu Recht für die Verbesserung der Situation von Geringverdienern und Leiharbeitern ein, wir fordern die Begrenzung von Managergehältern, dann dürfen wir aber auch bei unseren eigenen Bezügen das Augenmass nicht verlieren.

Zusätzlicher Nettoverdienst wird gespendet. Falls das Parlament trotzdem diese zusätzliche Diätenerhöhung beschließt, werde ich den Nettoverdienst dieser Erhöhung spenden und in zusätzliche Fördermitgliedschaften investieren. Bereits heute leiste ich monatlich Abgaben, Spenden, Mitgliedsbeiträge von etwa 1.450 Euro. Dieser Betrag beläuft sich auf mehr als 1/5 meiner bisher bezogenen Diäten (vor Steuern).

Im Anhang findet sich neben meiner Erklärung zur ersten Diätenerhöhung noch eine Ausführung zur sachlichen Grundlage der Diätenerhöhung.

Marco Bülow, 14. Mai 2008

1. Anhang
Zu der sachlichen Grundlage der Diätenerhöhung: Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass der Bundestag selbst über die Diäten entscheiden muss und dies keinem unabhängigen Gremium überlassen darf. Daraufhin hat der Bundestag 2007 beschlossen, dass die Abgeordnetenentschädigung sich an dem Gehalt anderer Amtsinhaber, wie zum Beispiel einem Bürgermeister einer kleineren Stadt, mit ähnlicher Verantwortung und Belastung orientieren soll. Dass finde ich grundsätzlich in Ordnung.

Um die Abgeordnetenentschädigung auf diese Vergütung anzuheben wurde entschieden, die Entschädigung in zwei Schritten anzuheben: Zum 1. Januar 2008 wurde um 330 Euro auf 7.339 Euro und zum 1.Januar 2009 um 329 Euro auf 7.668 Euro. Das entspricht dem Stand der Eingruppierung R6 im Jahr 2007. Zugleich wurde die Steigerungsrate für die Altersversorgung von 3 auf 2,5 Prozent pro Mandatsjahr abgesenkt. Während früher ein Abgeordneter nach 8 Mandatsjahren bereits 35 Prozent der Abgeordnetenentschädigung als Altersversorgung erhielt, waren es nach 1995 nur 24 Prozent, seit 2008 sind es nur noch 20 Prozent. Ich finde es gut, dass die SPD-Bundestagsfraktion darauf bestanden hat, die Diätenerhöhung an die Reduzierung der Altersbezüge zu koppeln. Die Union wollte das nicht. Diese Tatsache spielt leider in der öffentlichen Debatte keine Rolle und wird von den Medien kaum kommuniziert. Ich werde mich dafür einsetzen, dass die SPD darauf dringt, die Rentenbezüge weiter zu reduzieren. Auch die Höhe der Sachleistungskosten sollten noch einmal überprüft werden.

Nun haben die Tarifpartner im April 2008 einen Tarifabschluss erreicht, mit dem die Gehälter im öffentlichen Dienst in 2008 um 50 Euro zuzüglich 3,1 Prozent und in 2009 um weitere 2,8 Prozent steigen. Diese Erhöhung ist richtig, denn nach Jahren der Lohnzurückhaltung können damit endlich auch die Arbeitnehmer an der guten wirtschaftlichen Entwicklung teilhaben. Es ist daher sachlich betrachtet auch in Ordnung, dass der Tarifabschluss auf die Beamten und Pensionäre des Bundes übertragen und damit deren Bezüge entsprechend erhöht werden.

Damit soll es nun zum ersten Mal zu einer Anpassung kommen, wie sie in 2007 bei der Neuregelung der Abgeordnetenentschädigung vorgesehen wurde. Denn mit der Übertragung des Tarifabschlusses auf die Beamten steigt auch die Besoldung eines Bürgermeisters einer kleinen Stadt mit B6 bzw. die Besoldung eines einfachen Bundesrichters mit R6.

Die jetzt vorgesehene Anpassung der Abgeordnetenentschädigung vollzieht dieses Ergebnis nach. Deshalb hat die Regierungskoalition letzte Woche das Bundesbesoldungsanpassungsgesetz 2008/2009 beschlossen und als Entwurf in den Bundestag eingebracht. Damit soll die Abgeordnetenentschädigung zum 1.Januar 2009 um weitere 278Euro (3,63 Prozent) auf 7.946Euro und zum 1.Januar 2010 um 213 Euro (2,68 Prozent) auf 8.159 Euro steigen.

Das entspricht dem Tarifabschluss von Verdi für den öffentlichen Dienst. Im Ergebnis wird die Abgeordnetenentschädigung zum 1. Januar 2010 genau dem dann erhöhten Niveau von B6 bzw. R6 entsprechen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Die Anpassung soll zeitlich versetzt um ein Jahr später als bei den Beamten erfolgen. Auch wird die von Verdi für 2009 erreichte Einmalzahlung von 225 Euro nicht berücksichtigt. Die Abgeordneten müssen ihre Diäten voll versteuern und erhalten auch keine jährlichen Sonderzahlungen wie Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld oder ein 13. Monatsgehalt. Dabei wird es auch bleiben. Ich glaube ein großer Fehler des Deutschen Bundestages war es, diese Koppelung an die Beamtenbezüge erst im Jahr 2007 gesetzlich beschlossen zu haben. Diese Regelung hätten wir schon viel eher haben müssen. Dann wären die ganzen Diskussionen nicht nötig gewesen.

2. Anhang:

Erklärung zur Abstimmung über die Änderung des Abgeordnetengesetzes nach § 31 Geschäftsordnung (Berlin, den 16.11.2007)

Wir werden der Änderung des Abgeordnetengesetzes nicht zustimmen, weil wir die Änderungen nicht für zeitgemäß und auch nicht für sachgerecht erachten. Gleichzeitig möchten wir nicht die teilweise populistischen Stimmen unterstützen, die in pauschaler und ebenso unsachlicher Art und Weise Politik und Politiker angreifen. Deshalb werden wir uns der Stimme enthalten.

Vor einer Änderung des Abgeordnetengesetzes hätte eine breite Diskussion über die Alternativen der Diätenbemessung und der Altersentschädigung geführt werden müssen. Gerade die Reform der Altersversorgung war ein erklärtes Ziel, welches nun nur unzureichend erreicht wird.

Wir verkennen nicht, dass die Altersgrenze für die Altersentschädigung auf das 67. Lebensjahr angehoben wird, der Altersversorgungsanspruch von 3 auf 2,5 Prozent pro Jahr gesenkt wird und ein dauerhafter Orientierungsmaßstab für die Entschädigung durch die Anpassung an die Vergütung der Bürgermeister von Städten und Gemeinden mit 50 bis 100 Tausend Einwohnern erreicht werden soll. Auf der anderen Seite entsteht nunmehr ein Anspruch auf Altersentschädigung nach einem Jahr. Vor allem bleibt es aber weiter dabei, dass die Abgeordneten nicht selbst für die Altersversorgung aufkommen müssen und das Leitbild der Beamtenversorgung weiterhin gilt.

In einem breit angelegten Diskurs hätte geklärt werden müssen, welches Modell am besten geeignet gewesen wäre, eine gute Grundlage für das schwierige Amt des Abgeordneten zu bilden. Dabei wäre z.B. auch zu erörtern gewesen, wie ein breiter Querschnitt der Bevölkerung im Parlament abgebildet werden kann, wie Unabhängigkeit und Qualifikation gesichert werden können.

Leider ist auch die Opposition nicht bereit gewesen, im Rahmen einer Anhörung diese grundsätzlichen Fragen aufzuklären. Ohne zeitlichen Druck hätte durchaus eine externe Sachverständigenkommission gebildet werden können. Die Beschlussfassung hätte dann möglicherweise in einer Zeit erfolgen können, in der die positive wirtschaftliche Entwicklung auch für einen größeren Anteil der Bevölkerung spürbar ist, was die Akzeptanz für eine entsprechende Regelung sicher erhöht hätte.

Dr. Matthias Miersch
Mitglied des Deutschen Bundestages

Garrelt Duin
Mitglied des Deutschen Bundestages

Marco Bülow
Mitglied des Deutschen Bundestages

Mit freundlichen Grüßen

Marco Bülow