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Marco Bülow
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Frage von Stephan W. •

Frage an Marco Bülow von Stephan W. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Bülow,

ich würde gerne ihre Meinung zum offenen Brief, den sie von der Firma manitu erhalten haben, erfahren.

Wie stehen sie zu dem Aufruf, den Gesetzentwurf gegen Kinderpornografie abzulehnen?
Können sie die Erläuterungen und angebrachten Kritikpunkte nachvollziehen und stimmen sie den Aussagen des Briefes zu?

Mit freundlichen Grüßen,
Stephan Willmeroth

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Die PARTEI

Sehr geehrter Herr Willmeroth,

zunächst vielen Dank für ihre Anfrage vom 13.05.2009 zum Thema Sperrung von Internetseiten mit kinderpornographischem Inhalt.

Als Umweltpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion liegt mein Arbeitsschwerpunkt im Bereich Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Die Abgeordneten haben sich auf die verschiedenen Themenbereiche aufgeteilt, weil sonst eine sachverständige Diskussion und politische Arbeit nicht zu gewährleisten ist. Dennoch habe ich mir auch Gedanken zu diesem wichtigen Thema gemacht.

Sexuell orientierte Gewalt gegen Kinder ist ein schreckliches und zu verabscheuendes Vergehen. Mit Sorge beobachten wir, dass die Verbreitung von Kinderpornographie insbesondere im Internet in den letzten Jahren dramatisch zugenommen hat und gleichzeitig eine Tendenz zu immer jüngeren Opfern festzustellen ist. Der kommerziellen Verbreitung von Kinderpornographie über das Internet muss daher dringend Einhalt geboten werden.

Das Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen trägt dieser Problematik Rechnung und möchte vor allem den Zugang zu kinderpornographischen Inhalten deutlich erschweren. Der Gesetzentwurf befindet sich momentan im parlamentarischen Verfahren und hat für einige Diskussionen gesorgt. Sie sprechen in ihrer Mail den offenen Brief des Internetanbieters manitu an, in dem alle Bundestagsabgeordneten aufgefordert werden gegen das Gesetz zu stimmen.

Die Hauptkritikpunkte der Firma manitu am Gesetzentwurf sind, dass die geplante Stoppseite, die beim Aufruf einer kinderpornographischen Internetseite erscheinen soll, unwirksam sei. Nicht die Inhalte selber, sondern nur der Zugang zu diesen Inhalten würde gesperrt. Es sei selbst für technisch unversierte Internet-Nutzer ein leichtes, diese Sperre zu umgehen und so doch auf die entsprechenden Seiten zu gelangen. Des Weiteren wird vor Risiken gewarnt, die eine geheime Liste, mit den zu sperrenden Seiten, mit sich bringen würde. Ähnlich wie in einer viel beachteten E-Petition aus Teilen der Internet-Community wird hier die fehlende Transparenz der Liste angemahnt und ein Eingriff in die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger befürchtet.

Ich bin der Meinung, dass wir die geäußerten Bedenken ernst nehmen und uns mit ihnen auseinandersetzen sollten: Natürlich ist es möglich, die Sperrung von Internetseiten mit kinderpornographischem Inhalt technisch zu umgehen. Bei dem Gesetzentwurf geht es jedoch vor allem darum, die Hemmschwelle in diesem Bereich, die in den letzten Jahren deutlich gesunken ist, wieder signifikant zu erhöhen. Dem dient neben der Sperrung einzelner Seiten die Umleitung auf eine Stoppseite mit entsprechenden Informationen.
Die weiteren inhaltlichen und rechtlichen Fragen, die der Gesetzentwurf ohne Zweifel noch aufwirft, waren am 27. Mai Thema in einer öffentlichen Anhörung des Wirtschaftsausschusses. Die Ergebnisse belegen, wie wichtig und notwendig es war, dass die SPD-Bundestagsfraktion auf die Durchführung einer solchen Anhörung bestanden hat. Die überwiegende Mehrheit der Sachverständigen war sich in folgenden Punkten weitgehend einig:

1. Der wirksame Kampf gegen Kinderpornographie erfordert eine Vielzahl von Maßnahmen.
2. Die Sperre der Seiten könne umgangen werden, deshalb sei es richtig, dass der Gesetzentwurf lediglich von einer Erschwerung spricht.
3. Keiner der Sachverständigen war der Auffassung, dass prinzipielle Gründe gegen Internetsperren gegen Kinderpornographie sprechen.
4. Entscheidend sei, dass das Gesetz bezüglich Rechtsstaatlichkeit des Vorhabens und der Effektivität der Sperrung von kinderpornographischen Inhalten auf ausländischen Servern noch erheblich überarbeitet werden muss.

Für die SPD-Bundestagsfraktion geht es nun vor allem um die Frage der Verhältnismäßigkeit der Sperrmaßnahmen, also um eine Abwägung zwischen dem Schutz gegen kinderpornographische Darstellungen und den damit verbundenen Eingriffen in die Grundrechte. Die inhaltlichen und rechtlichen Fragen die der Gesetzentwurf noch aufwirft sind aus Sicht der SPD-Fraktion insbesondere die Forderung nach einer spezialgesetzlichen Regelung anstelle einer Änderung des Telemediengesetzes und die datenschutz- und verfahrensrechtliche Absicherung. Hierzu gehören aus unserer Sicht die gerichtliche Kontrolle der BKA-Sperrliste sowie die Klärung der Problematik im Zusammenhang mit der Weitergabe der Daten an Strafverfolgungsbehörden. In diesen Punkten sind wir für Änderungen am Gesetzentwurf. Die SPD-Fraktion lehnt – wie im übrigen auch alle Sachverständigen – eine Ausweitung der Internetsperren auf andere Strafbestände in aller Deutlichkeit ab.

Insgesamt werbe ich dafür, sowohl das Thema Kinderpornographie als auch das freie Internet mit der gebotenen Sensibilität zu behandeln. Der wichtige Kampf gegen Kinderpornographie im Internet und die Rechte der Internet-Nutzer müssen sich nicht ausschließen. Aber eine Internet-Zensur darf es in keinem Falle geben. Die Politik muss Sorge dafür tragen, dass durch eine unabhängige Kontrolle gewährleistet wird, dass ausschließlich Internetseiten mit kinderpornographischem Inhalt gesperrt werden.

Eines bleibt für mich jedoch klar: Wir dürfen einer kommerziellen Verbreitung von Kinderpornographie über das Internet und auch in allen anderen Bereichen nicht tatenlos zusehen. Ich werde daher, nachdem hoffentlich alle datenschutz- und verfahrensrechtlichen Bedenken ausräumt wurden, für das Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen stimmen.

Lassen Sie mich abschließend noch einige Dinge sagen, die mir auch sehr wichtig sind: Die Sperrung von Seiten mit kinderpornographischem Inhalt im Internet ist nur ein erster Schritt in eine richtige Richtung. Was wir aber insgesamt brauchen ist eine umfassende Strategie im Kampf gegen sexuell orientierte Gewalt gegen Kinder. Eine solche Gesamtstrategie ist längst überfällig. Der 2003 aufgelegte Aktionsplan der Bundesregierung zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung muss dringend fortentwickelt und ein Aktionsplan II aufgelegt werden. Vor allem die Familienministerin sollte ihr Engagement hier erheblich verstärken, insbesondere beim Opferschutz und bei der Täterverfolgung.

Einen weiteren Schwerpunkt müssen wir nach meiner Ansicht außerdem auf den gesamten Bereich der Prävention legen. Bisher beschränken sich Maßnahmen zur Vorbeugung sexueller Übergriffe auf Kinder vor allem auf pädagogische Präventionskampagnen für potentielle Opfer (Kinder), Erzieher und Eltern. Diese Art von Prävention ist sehr wichtig und muss weiter ausgebaut werden. Daneben fehlt es jedoch an Konzepten zu vorbeugenden Therapiemöglichkeiten für potentielle Täter. Zur Verhinderung von sexuell orientierter Gewalt gegen Kinder muss es auch ein Ziel sein, therapeutische Präventionsangebote für potentielle Täter zu entwickeln, die schon greifen bevor es überhaupt zu sexuellen Übergriffen kommt. Hier ist die Politik gefragt weitere Schritte zu unternehmen und Projekte, die solche Präventionsmaßnahmen entwickeln und anbieten, anzustoßen und umfassend zu unterstützen.

Mit freundlichen Grüßen
Marco Bülow