Wie stehen Sie denn dazu, daß es Menschen mit Impfschäden gibt und keine Versorgung und Unterstützung für an ME CFS Erkrankte? Inwiefern setzen Sie sich für diese Menschen ein?
ME/CFS ist eine besonders schwere und einschränkende Erkrankung, die seit vielen Jahren von der Forschung über ärztlicher Aus- und Fortbildung bis hin zur Versorgung vor Ort vernachlässigt wurde. Erst die vielen Fälle von ME/CFS als eine schwere Ausprägung von Long COVID brachten mehr Aufmerksamkeit, teils auch Verbesserungen – aber auch Versprechungen, die nicht eingehalten wurden. Noch immer fehlen die angekündigten Spezialambulanzen weitgehend, die Therapieforschung lahmt, der Kenntnisstand viele Ärzt*innen und anderes Gesundheitspersonals bleibt lückenhaft. Ebenso groß sind die Lücken im Wissen über die tatsächliche Versorgungs- und Lebensqualität der Betroffenen, die erst allmählich gefüllt werden.
Bereits eine Parlamentarische Anfrage der Linksfraktion vom Februar 2013 brachte ein katastrophal schlechtes Lagebild der Situation von ME/CFS-Betroffenen und der fehlenden Aktivitäten der Bundesregierung zutage (https://dserver.bundestag.de/btd/17/124/1712468.pdf). Seitdem ist bis zur Corona-Pandemie wenig geschehen. Immer wieder wurde und wird ME/CFS als rein psychosomatische Erkrankung abqualifiziert und die Situation und Schilderungen der Betroffenen nicht ernst genommen.
Die Probleme müssen nun endlich angegangen werden. Seit vielen Jahren fordert die LINKE bei den Haushaltsberatungen, dass der Bund in die gemeinwohlorientierte Therapieforschung einsteigt. Die kommerzielle Forschung der Industrie hat ME/CFS und andere Erkrankungen sehr vernachlässigt. Wir wollen, dass die Arzneimittelentwicklung demokratisch legitimiert und nicht nach Profitinteressen stattfindet. Schließlich bezahlt die Allgemeinheit die Gesundheitsforschung auch jetzt schon über Steuergelder (Grundlagenforschung) oder über die Beiträge zu den Krankenversicherungen (klinische Arzneimittelentwicklung). Trotzdem besteht kaum Einfluss darauf, was beforscht wird und auch die Qualität und Transparenz der Forschung müssen durch kleinteiligste Regelungen vorgeschrieben werden. Darunter hat auch die ME/CFS-Forschung gelitten. Für den Einstieg in einen Paradigmenswechsel hin zu einer Gesundheitsforschung im Gemeinwohlinteresse fordern wir jährlich 2 Milliarden Euro. Zusätzlich beantragen wir jährlich mehr als 250 Mio. Euro speziell für die ME/CFS- und Long COVID-Forschung. Hier müssen neben wirksamen Therapieoptionen auch verlässliche Biomarker im Forschungsmittelpunkt stehen.
Das notwendige Netz an Spezialambulanzen oder Schwerpunktpraxen muss endlich in Angriff genommen werden. Wir fordern jährlich 50 Millionen Bundesinvestitionen für den Aufbau dieser spezialisierten ambulanten Behandlungseinrichtungen. Die Politik darf nicht darauf warten, bis die Selbstverwaltung die Versorgungsprobleme von selbst angeht. Die Gesundheitsversorgung ist für uns öffentliche Daseinsvorsorge und muss demokratisch gestaltet werden.
Die Versorgung der vielen Betroffenen wird auch längerfristig nicht allein in Spezialambulanzen erfolgen können. Um alle Ärzt*innen und vor allem die Hausärzt*innen hier weiter zu qualifizieren, müssen Fortbildungen durch die Ärztekammern angeboten werden. Die Bundesregierung und die Landesregierungen sollten auf die Ärztekammern einwirken, damit diesem Thema die angemessene Aufmerksamkeit geschenkt wird – auch wenn hier kein Pharmakonzern im Hintergrund steht, der solche Fortbildungsveranstaltungen finanziert. Analog müssen die Regierungen auf die medizinischen Hochschulen und Berufsschulen einwirken, damit ME/CFS und Long COVID im Medizinstudium und anderen Gesundheitsberufen wie der Pflege berücksichtigt werden. Neben der Differentialdiagnostik muss ein Kernmerkmal der ME/CFS, die „post-exertionelle Malaise“ (PEM), für das Verständnis der Erkrankung im Mittelpunkt der Aufklärung stehen. Auch das neugegründete Bundesinstitut für öffentliche Gesundheit muss verpflichtet werden, in der breiten Öffentlichkeit über die verschiedenen Ausprägungen von ME/CFS, Long COVID und anderen postinfektiösen Erkrankungen aufzuklären. Denn die Dunkelziffer von nicht diagnostizierten Erkrankungsfällen ist nach wie vor hoch. Skandalös sind weiterhin die vielen Fälle, in denen Betroffenen die ihnen zustehende Anerkennung von Pflegebedarf, Schwerbehinderung oder Arbeitsunfähigkeit nicht oder nur mit Widersprüchen oder Gerichtsverfahren genehmigt werden.
Trotz einiger Fortschritte etwa in der Versorgungsforschung ist bislang viel zu wenig geschehen, um die Situation der an ME/CFS erkrankten Menschen spürbar zu verbessern. Der vom früheren Bundesgesundheitsminister Lauterbach ausgelobte „Wendepunkt in der Long COVID Versorgung“ lässt weiter auf sich warten. Leider werden unsere jährlichen Haushaltsanträge auf mehr Therapieforschung und Bundesinvestitionen in neue Versorgungsstrukturen von den anderen Fraktionen regelmäßig abgelehnt. Wir werden weiter für die bessere Versorgung, den erheblichen Ausbau der öffentlichen Forschung und mehr Aufklärung kämpfen.

