Portrait von Lothar Binding
Lothar Binding
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Lothar Binding zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Gabriele Elisabeth Prof. Dr. P. •

Frage an Lothar Binding von Gabriele Elisabeth Prof. Dr. P. bezüglich Verbraucherschutz

Sehr geehrter Herr Binding,
sicher haben Sie bereits von den absurden Konsequenzen der Weiterverkäfe von Grundschulden gehört, die beinhalten, dass trotz regelmässiger Ratezahlung der neue Forderungs-Besitzer vom Hausbesitzer die gesamt Grundschuld plus 18% Zinsen rückwirkend für drei Jahre verlangt und zur sofortigen Zwangsvollstreckung pübergehen kann. Dies wurde durch Ihre Partei (Gesetzeänderungen 2002 ff.) ermöglicht, die Konsequenzen wurden offensichtlich übersehen oder gar billigend in Kauf genommen. Was haben Sie bzw. die SPD unternommen, um diesem unhaltbaren Zustand ein rasches Ende zu bereiten? Millionen von Hausbesitzern sind vollkommen verunsichert. In Heidelberg ein einigermassen bezahlbares Haus in Campusnähe zu finden war schwer genug (10 Jahre gesucht), dort habe ich durch erhebliche Investitionen auch Wohnraum für vier Studierende geschaffen, und nun kann das alles verloren gehen? Bitte antworten Sie zeitnah, danke!

Portrait von Lothar Binding
Antwort von
SPD

Sehr verehrte Frau Prof. Dr. Pollerberg,

für Ihre Frage vom 5. Februar zur Praxis des Weiterverkaufs von Kreditforderungen danke ich Ihnen herzlich. Sie sprechen ein Thema an, mit dem sich der Bundestag im Rahmen der parlamentarischen Beratungen des Risikobegrenzungsgesetzes kritisch auseinandersetzt.

Der Referentenentwurf bzw. Gesetzentwurf mit der Drucksachennummer 16/7438 wurde durch die Bundesministerien der Finanzen und der Justiz gemeinsam erarbeitet, im Dezember in erster Lesung im Deutschen Bundestag beraten und anschließend an die Ausschüsse zur weiteren Beratung überwiesen. Der Finanzausschuss hat am 12. Dezember 2007 eine Ausschussberatung sowie am 23. Januar 2008 eine Öffentliche Anhörung abgehalten.

Die Vorschläge des Gesetzentwurfs und die Stellungnahmen der eingeladenen Sachverständigen werden derzeit in der SPD Arbeitsgruppe Finanzen geprüft, unter Beteiligung der Fachministerien erörtert und mit den Koalitionspartnern abgestimmt. Ich möchte im Folgenden nur einige Aspekte herausgreifen, die mir bedeutsam erscheinen und meine Überlegungen in den übergeordneten Kontext der Verbesserung des Verbraucherschutzes einordnen.

Die gesetzliche Reglementierung der Abtretung von Kreditforderungen an den Kapitalmarkt ist ein komplexes und sehr sensibles Sachgebiet, denn es berührt Fragen des Schuldner- und Verbraucherschutzes, aber auch des Bankgeheimnisses und des Datenschutzes. Gerade das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wird ernsthaft beeinträchtigt, wenn vertrauliche Kundendaten und Vertragsinformationen ohne Wissen und Zustimmung des Kunden an einen neuen Gläubiger weitergegeben werden.

Der Abschluss eines langfristigen Darlehensvertrags stiftet ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Kunde und Bank und überträgt Darlehensnehmer und -geber Rechte und Pflichten. Dies gilt im Besonderen für Immobiliendarlehen, die aufgrund der Höhe der Investitionssumme oftmals einen hohen Fremdkapitalanteil aufweisen. Ihre Absicherung erfolgt oft über langfristig terminierte, grundpfandrechtlich gesicherte Kredite, die auf ein hohes Maß an Verlässlichkeit, Berechenbarkeit und Loyalität zwischen Gläubiger und Schuldner bauen.

Dieses Verhältnis muss einen besonderen gesetzlichen Schutz genießen, denn für viele Menschen stellen das eigene Haus oder die eigene Wohnung eine tragende Säule ihrer Altersvorsorge dar. Der Markt alleine kann diesen Schutz nicht gewährleisten. Gesetzliche Regelungen ebenso wenig. Denn Intransparenz auf den nationalen und internationalen Finanzmärkten und das Versagen zentraler Funktionsprinzipien bestärken mich in meiner Skepsis gegenüber der Wirksamkeit einer Selbstregulierung des Marktes, freiwilliger Selbstverpflichtungen und risikoangemessener Strategien der vielen „Experten“, die sich auf den Finanzplätzen der Welt tummeln. Ich unterstütze daher alle Regelungen, die Markttransparenz und Berechenbarkeit erhöhen und dem Verbraucherschutz dienen. Aber auch dies wird nicht genügen um in allen Fällen den Schaden zu begrenzen.

Dieser Absatz enthält eine etwas zu persönliche Anmerkung: Auch die nachfolgenden Vorschläge, Regelungen und Überlegungen unterliegen diesen Einschränkungen, denn obwohl wir in Deutschland die beste Finanzaufsicht haben, die besten Finanzmarktgesetze und natürlich die besten Finanzpolitiker, sind Verwerfungen und Risiken nicht vermeidbar, weil Banken bzw. Kreditinstitute oder Finanzdienstleister international agieren, Produkte irgendwo in der Welt anbieten, grenzüberschreitend handeln und so weiter. Insofern der deutsche Rechtsraum enger begrenzt ist als der Handlungsraum im Finanzplatz, ist es für den Käufer von Finanzmarktprodukten unerlässlich einen Partner zu suchen, der sein Vertrauen am Ende auch verdient. Da gilt es wachsam zu sein und sich nicht vom smarten Bänkertypen der so freundlich ist wie er viel verspricht blenden zu lassen. Ich war erschrocken, was sich manche Anbieter, denen viele Menschen ihre Ersparnisse anvertrauen, einfallen lassen um ihre kurzfristige Gewinnsituation nochmals zu verbessern. Wetten auf die Zukunft mit dem Geld anderer Leute. Was für ein Geschäftsmodell. Etwa Geschäfte in speziell gegründeten Zweckgesellschaften zu verlagern um außerhalb der Bilanz agieren zu können. Heimlicher Wechsel der Vertragspartner etc.. Ich denke, dass nicht alles erlaubt ist, was nicht gesetzlich verboten ist. Und oft sind es die gleichen Leute, die von der Politik verlangen, so wenig wie möglich zu regeln, um sich anschließend Unanständiges zu erlauben, mit der Begründung, dies sei ja nicht gesetzlich verboten. Gleichwohl wollen wir natürlich die Regelungen verschärfen – zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher.

Bei der Weitergabe einer Darlehensforderung muss etwa gewährleistet sein, dass der neue Gläubiger dem Darlehensnehmer nach Auslaufen einer festen Zinsbindung oder eines Finanzierungsabschnitts eine Anschlussfinanzierung anbietet. Da es sich bei den Erwerbern dieser Kreditforderungen allerdings auch um spezialisierte Finanzdienstleister oder Fonds handeln kann, die nicht als Kreditinstitute lizenziert sind, kann mit der Darlehensweitergabe auch eine Änderung des Vertragsinhaltes verbunden sein. In diesem Fall liegt das Interesse des neuen Gläubigers eher im Bereich der Kreditverwaltung und der Verwertung der Kreditsicherheiten als im langfristig orientierten Vermögensaufbau der Kunden – zum Schaden des privaten Darlehensnehmers und in Widerspruch zum ursprünglich vereinbarten Vertrag. Ein Verbot der Kreditveräußerung an Nicht- Kreditinstitute könnte hier eine deutliche Verbesserung des Verbraucherschutzes bewirken.

Darüber hinaus halte ich es auch für wichtig, die im sog. Sicherungsvertrag geregelte Verbindung von Darlehensschuld und Sicherheit in Form der Grundschuld zu stärken – gerade auch bei der Darlehensweitergabe. Denn nur wenn bei Abtretung der Grundschuld auch die Sicherungszweckerklärung weitergegeben wird, kann verhindert werden, dass der neue Gläubiger bei notleidenden Krediten sofort eine Zwangsvollstreckung aus der Grundschuld betreibt.

Hintergrund ist folgender Sachverhalt: Bei der Grundschuld handelt es sich um eine sog. abstrakte Kreditsicherheit, die nicht vom Bestand und der Höhe der abgesicherten Forderung – meist eines Immobiliendarlehens – abhängt. Auch wenn der Kunde also die Tilgungsraten und Zinsleistungen für sein Darlehen regelmäßig und pünktlich bedient, bleibt die Grundschuld in der Höhe des gesamten eingetragenen Betrags erhalten. In einer Sicherungszweckerklärung legen beide Seiten üblicherweise fest, dass die Bank die als Sicherheit dienende Grundschuld nicht verwertet, solange der Kredit ordnungsgemäß bedient wird. Dies ist ein gängiges und probates Mittel der Kreditabsicherung, das die Vertragsbeziehung zwischen Kunde und Bank stabilisiert – solange sich Grundschuld und Kredit in der Hand einer Bank befinden.

Gerade diese Konstellation ist aber nicht mehr notwendigerweise gegeben, wenn eine Darlehensforderung verkauft wird. Denn weil es sich bei der Grundschuld um eine abstrakte Kreditsicherheit handelt, kann sie auch getrennt vom Kredit, den sie eigentlich besichern soll, verkauft und verwertet werden. Der neue Gläubiger kann damit vom privaten Schuldner, der mit seinen Tilgungsleistungen kurzzeitig in Rückstand geraten sein mag oder eine Umschichtung seiner als Sicherheit dienenden Vermögensverhältnisse vornimmt, die Zahlung der Grundschuld und der eingetragenen Zinsen verlangen. Manche Kreditinstitute geben zwar an, dass sie bei der Weitergabe einer Kreditforderung auf die Sicherungszweckerklärung verweisen und der Darlehenserwerber somit daran gebunden sei; dies gilt allerdings nicht, wenn dieser die Forderung erneut weiterverkauft oder glaubhaft versichern kann, von der Sicherungsvereinbarung keine Kenntnis gehabt zu haben.

Dieses Verhalten der Banken und Darlehenskäufer verstößt gegen moralische Prinzipien der Redlichkeit und der Loyalität, die auch in finanziellen Angelegenheiten oberstes Gebot sein müssen. Ich setze mich daher wie meine Fraktionskolleginnen und -kollegen für Regelungen ein, die Transparenz und Verbraucherschutz verbessern. Deutsche Kreditinstitute haben sich im Allgemeinen großes Vertrauen in ihre Seriosität und Kundenorientierung erworben. Daher bin ich zuversichtlich, dass sie diese Zielsetzungen schon aus eigenen ökonomischen Interessen unterstützen werden. Denn eine zentrale Voraussetzung und Grundlage des Abschlusses eines Darlehensvertrags stellt Vertrauen in die Ehrlichkeit und Seriosität des jeweiligen Vertragspartners dar – Kategorien, die auf Erfahrungswerten beruhen und sich am besten in einem stabilen und berechenbaren gesetzlichen Regelungsrahmen entfalten können. Aber wie gesagt: Gesetzliche Regelungen sind notwendig aber könne leider nicht hinreichend sein diese Zuversicht in allen Fällen zu begründen.

In der Hoffnung, Ihre Bedenken konstruktiv reflektiert zu haben, verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen
Ihr Lothar Binding