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Lothar Binding
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Frage von Friederike B. •

Frage an Lothar Binding von Friederike B. bezüglich Energie

Sehr geehrter Herr Binding,

werden Sie gegen das Kohleausstiegsgesetz in der jetzigen Fassung stimmen?
Ich bitte Sie darum, weil wir mit diesem Gesetz das 1,5 °C Ziel nicht mehr erreichen können. Auch der Kohlekompromiss wird in keiner Weise eingehalten.
Siehe auch
https://www.klimareporter.de/energiewende/koalition-verwaessert-und-verteuert-kohleausstieg-weiter

und
https://www.de.clientearth.org/absprachen-mit-kohlelobby-juristinnen-fordern-transparenz-per-eilverfahren

Herzlichen Gruß,

Friederike Benjes

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Benjes,

vielen Dank für Ihre Frage auf Abgeordnetenwatch.de. Da ich einige wortgleiche oder nur leicht variierte Zuschriften zum Kohleausstiegsgesetz erhalten habe, werde ich Ihnen inhaltlich auf Ihre E-Mail antworten wie auf die anderen ähnlichen Zuschriften.

Ja, das Kohleausstiegsgesetz (KAG) hat einerseits – gemessen an unserer klimapolitischen Zielsetzung – eine massive Schwäche. Andererseits regelt es auch ein sozial vertretbares Ende der Kohleindustrie. Leider stehen wir bei der Entscheidung um das KAG zwischen „nichts tun“ oder einem ungeliebten Kompromiss mit CDU und CSU, die keinen Kohleausstieg wollen, wie sie schon keinen Ausstieg aus der Atomstromproduktion wollten.

Ihre Frustration kann ich sehr gut verstehe und wenn Sie meine politische Arbeit beobachtet haben, werden Sie wissen, dass es mir ebenso geht. Den politischen Durchbruch für das Ende der Atomkraftwerke in Deutschland verdanken wir der Katastrophe Fukushima. Ich hoffe dass die Erkenntnisse zum Ausstieg aus der Kohle sich nicht erst nach einer Klimakatastrophe einstellen. Deshalb brauchen wir weiterhin den Protest auf der Straße, damit wir alle in Deutschland, insbesondere die Abgeordneten, nicht vergessen, dass der Strukturwandel in Deutschland beschleunigt werden muss.

Leider setzt sich das Parlament nach dem Wahlergebnis von 2017 zusammen. Die SPD hätte gerne mit Grünen zusammen eine progressive Politik umgesetzt. Natürlich nicht a la Kretschmann in Baden-Württemberg, aber entlang der Programmatik der grünen Bundestagsfraktion. Stattdessen befinden wir uns aber bei den derzeitigen Mehrheitsverhältnissen in der dritten Großen Koalition dieses Jahrtausends und müssen CDU und CSU jede kleine Veränderung in Richtung Klimaschutz oder sozialer Sicherung durch lange Verhandlungen abringen.

Sie sind mit der Umwelt- und Klimapolitik der SPD unzufrieden? Dann kommen Sie in die Partei und reformieren sie intern mit. Werden Sie Teil innerhalb des politischen Prozess. Vielleicht wissen Sie, dass nur zwei Prozent unserer 80 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner in Parteien sind. Unter den 98 Prozent anderen finden sich aber sehr viele gute Politikerinnen und Politiker…

Sie wünschen sich starke klimapolitische und soziale Reformen in Deutschland? Dann helfen Sie eine schwarz-grüne Regierung ab 2021 zu verhindern. Die Grünen werden sich mit CDU und CSU genauso abmühen, wie die SPD in der derzeitigen Koalition. Klimagerechtigkeit geht nur mit Roten und Grünen. Wir sollten uns im links-progressiven Spektrum nicht mit gegenseitigen Anschuldigungen lähmen. Streit auf der linken führt zu Stärkung der rechten Seite.

Warum stimme ich für das Kohleausstiegsgesetz? Wenn wir nichts tun, vergeht wertvolle Zeit. Wenn das KAG kommt, gehen bereits dieses und kommendes Jahr die ersten Kraftwerke vom Netz. Ja, der Ausstiegspfad der danach folgt ist zu lang, aber die ersten Schritte und ein Enddatum für Kohleverbrennung in Deutschland sind zwei große Durchbrüche, die mit dem KAG erreicht werden. Wenn wir gegen das Gesetz stimmen passiert auf unbestimmte Zeit – nichts. Denn nach dem Sommer bereiten sich alle Parteien auf den Wahlkampf vor. Wenn wir für das KAG stimmen, könnten wir nach der Wahl 2021 in einer Koalition mit den Grünen und Linken die Fehler im Gesetz korrigieren.

Wird das KAG nicht alles für die nächsten 18 Jahre fest vorschreiben? Nein. Das KAG regelt beispielsweise nur die maximale Leistung die Kohlekraftwerke bis 2038 leisten dürfen. Derzeit werden die Kraftwerke teilweise schon vom Netz genommen, weil die Erneuerbaren Energien den Strombedarf decken. Nur weil es rechtlich erlaubt ist, müssen die Kraftwerke also nicht zwangsweise bis in die 2030er im Betrieb bleiben. Ein schnellerer Ausstieg bleibt möglich.

Die Verträge, die mit den Braunkohlekraftwerkbetreibern geschlossen werden sollen, werden erst im September im Parlament diskutiert. Gerade hier müssen wir auf eine frühere Ausstiegsoption hinarbeiten! Durch das KAG wird also nichts zementiert. Aber jeder nächste Schritt, von den Verträgen bis zur Überprüfung ob unsere Maßnahmen Erfolg haben, sollte weiter kritisch von Ihnen begleitet werden. So merkwürdig es klingt, wir brauchen den Druck auf der Straße und im Internet, damit sich in dieser schwierigen Koalition etwas in die richtige Richtung bewegt.

Der Kampf gegen den Klimawandel geht weiter. Das Pariser Klimaabkommen wird aber nicht begraben. Eine Stellungnahme unserer Parteivorsitzenden Saskia Esken, der ich mich gern anschließe, finden Sie hier: https://twitter.com/EskenSaskia/status/1277901228257804288

Ich danke Ihnen und allen Aktivist*innen die sich seit 1,5 Jahren verstärkt auf der Straße engagieren und den Fortschritt diese Woche möglich gemacht haben. Ich hoffe, dass wir in Zukunft schnellere und größere Schritte zusammen gehen können.
Viele Grüße, Lothar Binding

P.S: Sie schreiben, dass mit dem Kohleausstiegsgesetz das 1,5 Grad Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Als Quelle geben Sie zwei Onlineartikel an, leider geht keiner dieser Artikel auf das 1,5 Grad Ziel ein.

P.S. 2: Sie stellten Fragen nach der Anzahl meiner Flüge, nach den von mir verfolgten Klimaschutz-maßnahmen im Kontext von Energieerzeugung, Wohnen, Bauen, Industrietransportverkehr oder Landwirtschaft, zum Klimawandel und den Bericht des Weltklimarates IPPC. Sie schickten vom Umweltinstitut München oder dem NABU vorformulierte Massenmails zum Thema Klimawandel oder Baugesetzbuch. Sie schrieben mich an zum Thema Solardeckel, nun zum Kohleausstiegsgesetz, Jüngst auch zum Klimapaket. Oft schreiben Sie auch mehrere Abgeordnete an. Auf die Bitte meines Büros nach Ihren Kontaktdaten und der Möglichkeit eines persönlichen Gespräches habe ich hingegen aber leider noch keine Antwort von Ihnen erhalten. Ich finde Politik sollte auch ein direkter Dialog sein, keine Brieffreundschaft.