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Frage von Horst W. •

Frage an Lothar Binding von Horst W. bezüglich Soziale Sicherung

S.g. Herr Binding,

Die neue Abgeltungssteuer zielt eindeutig auf Umverteilung hin. Diejenigen, die mehr haben, sollen denen, die weniger haben, etwas abgeben. Dh. aber auch, dass diejenigen, die nichts sparen, von den Sparern profitieren. Zeitgleich führen Sie dem desolaten Staatshaushalt neue Mittel zu. Durch Riestern lassen Sie die Bürger glauben, sie würden die Rentenlücke schließen. Die Riesterberechnungen sind aber brutto. Später wird der Staat, so, wie er es zur Zeit bei den Betriebsrenten praktiziert, sie durch hohe Abzüge für Soziales netto schmälern. Da er sie fördert, kann er später mit einem Federstrich auch leicht a l l e Riesterrenten erfassen. Sie besteuern demnächst alle Kursgewinne und schöpfen unglaubliche Summen ab, wenn man jahrzehnte-langes Fondssparen betreibt. Kein Anleger würde in schlechten Börsenzeiten seine Anlageform opfern, so, wie Sie es suggerieren, womit er dann auch Verluste gegenrechnen könnte. Das ist ein Scheingefecht. Außerdem verwechseln Sie Leistungsfähigkeit mit Leistungsbereitschaft. Frage: Wer gibt Ihnen das Recht, von der dringend nötigen zusätzlichen privaten Altersvorsorge der Sparer aus bereits versteuertem Einkommen noch einmal 25 % der Erträge abzukassieren? Diese Zusatzvorsorge ist notwendig geworden, weil die bisherigen Regierungen die Rentenkassen geplündert haben - und nun vollziehen Sie dies auch im Privatbereich, nur wesentlich verschleierter - aber Betrug bleibt es trotzdem! Wie unsozial Ihr System ist erkennt man daran, dass Sie Besserverdiener weniger besteuern.Glauben Sie tatsächlich, dadurch deren Kapitalflucht verhindern zu können? Diese erhalten Schützenhilfe in Luxemburg (ab 1,25 Mio. €) und die Kleinen werden, wie eh und je, wieder einmal betrogen und abgezockt. Die Bürger haben längst bemerkt,mit wem sie es zu tun haben.Haben Sie vor 2009 keine Angst? Die SPD könnte dann als Volkspartei in der Bedeutungslosigkeit verschwinden?

Mit hoffnungslosen Grüßen
H. Weise

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Weise,

für Ihre Frage vom 16. August 2007 danke ich Ihnen. Bevor ich Ihre inhaltlichen Ausführungen reflektiere, möchte ich zwei Vorbemerkungen machen:

Sie schreiben „Rentenkassen geplündert“. Diese Formulierung ist oft zu hören. Sie ist aber falsch. In „der Rentenkasse“ war noch niemals ein nennenswerter Geld-Betrag. Im „Rententopf“ ist etwas viel Wichtigeres, nämlich ein Versprechen. Das Versprechen, dass die jeweils aktiv Arbeitenden einen Teil Ihres Einkommens an diejenigen abgeben, die nicht mehr aktiv im Arbeitsprozess stehen. Im Prinzip wird jede monatliche Einzahlung schon ein oder zwei Monate später an die Rentner ausbezahlt. Ganz grob gerechnet: Für die 20 Millionen Rentner werden ca. 260 Milliarden Euro pro Jahr benötigt. Diese werden aus drei Quellen finanziert: Ein Drittel bezahlen die Arbeitnehmer, ein Drittel die Arbeitgeber und ein Drittel kommt aus dem Steuertopf des Bundes. Mehr als wenige Monate Reserve war noch niemals in diesem Topf… es gab also nicht zu „plündern“. Was manchmal mit solchen Formulierungen gemeint ist: Die Beiträge für die Sozialkassen wurden angehoben um damit indirekt Kosten für die Vereinigung zu begleichen. Aber das ist etwas Anderes.

Sie schreiben „Besserverdiener weniger besteuern“. Das Gegenteil ist der Fall und widerspricht sogar unserer grundsätzlichen Systematik der progressiven Einkommensbesteuerung. Früher gab es hier Probleme aufgrund steuerlicher Sondertatbestände, die sich für hohe Einkommen stärker auswirkten, als für niedrige. Inzwischen haben wir sehr viele, in 2000 bzw. 2001 z.B. mehr als 70 Sondertatbestände abgeschafft. Deshalb möchte ich Sie bitten sich ein wenig auf meiner Website http://www.lothar-binding.de umzusehen und z.B. den kleinen Aufsatz Entlastung hat einen Namen: Steuersenkungsgesetz zu lesen. Sehr gute Informationen gibt es auch auf der Website http://www.bundesfinanzministerium.de/DE/Home/homepage__node.html__nnn=true

Bitte schreiben Sie mir an Lothar.Binding@Bundestag.de die Quelle für Ihre Informationen, ich würde gern dort anrufen und diese Fehlinformationen korrigieren.

Nun möchte ich die Zielsetzungen, die die Koalitionspartner mit der Abgeltungssteuer und der privaten Altersvorsorge in Form von Riester- Rentenverträgen verfolgen, mit Blick auf Ihre Bemerkungen erläutern.

Ihr zentrales Argument lautet, die Besteuerung von Einkünften im Alter – sei es aus Riester- Rentenprodukten, sei es aus privaten Geldanlagen – sei ungerecht. Dieser Ansicht bin ich nicht, wie ich Ihnen im Folgenden darlege. In meiner Antwort auf die Frage von Herrn Haas vom 15. August habe ich mich ausführlich zu Verteilungseffekten der Abgeltungssteuer geäußert und mögliche Auswirkungen auf die individuelle Planung der privaten Altersvorsorge aufgezeigt. Soweit sich Ihre Frage auf diese Aspekte bezieht, möchte ich Sie gerne auf diese Antwort verweisen.

Sie schreiben, „dass diejenigen, die nichts sparen, von den Sparern profitieren“. Sie meinen sicher, dass über die Besteuerung von Zinsen von Sparern ein Beitrag für die Gesellschaft geleistet wird, von Menschen, die nicht sparen oder nicht sparen können, aber nicht. Dieses Prinzip entspricht genau der Besteuerung nach der Leistung (Einkommen) bzw. dem Zuflussprinzip. Sie übersehen, dass gerade Haushalte mit geringem Einkommen, beispielsweise arbeitslose Menschen, kinderreiche Familien, alleinerziehende Mütter, eine hohe Konsumquote haben. Sie benötigen einen hohen Anteil ihres verfügbaren Einkommens für Miete, Kleidung, Essen und andere Dinge des täglichen Bedarfs und können daher bestenfalls geringe Mittel für Zwecke der privaten Altersvorsorge einsetzen.

Steuerliche Entlastungen für Haushalte mit geringem Leistungsvermögen, steuerliche Belastung für leistungsstarke Haushalte halte ich für ein gerechtes und gut begründbares Besteuerungsprinzip. Dies gilt nicht nur für die Kapitaleinkünfte, sondern auch für Alterseinkünfte.

Bislang wurden die sog. Leibrenten aus der Gesetzlichen Rentenversicherung mit ihrem Ertragsanteil besteuert. Allerdings wurden die Rentner von den Finanzämtern oft von der Pflicht zur Steuererklärung ausgenommen, wenn erkennbar war, dass deren zu versteuerndes Einkommen unterhalb des steuerlichen Grundfreibetrages liegen würde. Der Ertragsanteil richtete sich nach dem Lebensalter zu Beginn der Rentenzahlung. Er wurde vom Gesetzgeber bei einem Renteneintritt im Alter von 65 Jahren, der sog. Regelaltersgrenze, auf 27 Prozent festgesetzt. Nur dieser Anteil der Rentenzahlleistung unterlag also der Steuerpflicht, er galt für die gesamte Dauer der Rentenzahlung bis zum Lebensende. Daher hatten die meisten Rentner bisher keine Steuererklärung einzureichen. Auch Rentnerehepaare lagen meist unter der Besteuerungsgrenze.

Mit dem 2005 beschlossenen Alterseinkünftegesetz wurde die Rentenbesteuerung von der Ertragsanteilsbesteuerung auf die nachgelagerte Besteuerung umgestellt. Das Gesetz setzt ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts um, demzufolge die unterschiedliche Besteuerung der Beamtenpensionen nach § 19 EStG und der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a EStG mit dem Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz unvereinbar sei. Auch Renten aus der betrieblichen Altersversorgung unterliegen damit seit 2005 der nachgelagerten Besteuerung und sind voll steuerpflichtig. Lediglich Renten aus der privaten Rentenversicherung werden noch mit dem Ertragsanteil versteuert. Der steuerpflichtige Ertragsanteil für diese Renten wurde gesenkt. Der Besteuerungsanteil bestimmt sich künftig nicht mehr nach dem Lebensalter bei Renteneintritt, sondern ausschließlich nach dem Jahr des Renteneintritts.

Ertragsanteilsätze lebenslanger Leibrenten (siehe Anhang)

Der Einstieg in die neue Rentenbesteuerung wird nicht in einem Schritt vollzogen, vielmehr ist eine Übergangsphase zur Vermeidung einer Zweifachbesteuerung vorgesehen. Alle Bestandsrenten und die im Jahr 2005 neu gewährten Renten werden einheitlich mit 50% der Besteuerung zugeführt. Der zu versteuernde Anteil der Rente wird für jeden neu hinzukommenden Rentnerjahrgang bis zum Jahr 2020 in Schritten von zwei Prozentpunkten auf 80 Prozent und anschließend in Schritten von einem Prozentpunkt bis zum Jahr 2040 auf 100 Prozent angehoben, so dass am Ende der Übergangsphase Rentenleistungen voll zu versteuern sind.

Dieser steigende Besteuerungsanteil ist wegen der im Gegenzug wachsenden steuerlichen Abzugsmöglichkeit der Beiträge zur Altersvorsorge gerechtfertigt. Dafür werden die während der Erwerbsphase in die Altersvorsorge eingezahlten Beiträge für jeden Erwerbstätigen über die Jahre allmählich von der Einkommensteuer freigestellt. Der steuerfreie Teil der Rente wird auf Dauer festgeschrieben. Der Besteuerungsanteil einer individuellen Rente steigt somit nicht an.

Der sich nach Maßgabe dieser Prozentsätze ergebende, steuerfrei bleibende Teil der Rente wird für jeden Rentnerjahrgang auf Dauer festgeschrieben. Die Festschreibung gilt erst ab dem Jahr, das auf das Jahr des ersten Rentenbezugs folgt. Damit wird vermieden, dass in Abhängigkeit vom Renteneintrittsmonat im Jahr des Rentenbeginns sowie vor oder nach einer Rentenanpassung bei ansonsten gleichem Sachverhalt ein unterschiedlicher steuerfreier Teil der Rente dauerhaft festgeschrieben wird.

Für die Empfänger von Rentenleistungen bedeutet das konkret:

Alle, die vor 2040 erstmals Rente beziehen, erhalten einen sog. Rentenfreibetrag. Das ist der Teil der Rente, der nicht versteuert werden muss und sich in der Regel während der Laufzeit der Rente nicht mehr ändert. Rentenzahlungen bis zur Höhe dieses Rentenfreibetrages bleiben steuerfrei. Der Rest, einschließlich regelmäßiger Rentenanpassungen, unterliegt der Besteuerung. Dieser steuerpflichtige Anteil der Jahresbruttorente richtet sich nach dem Renteneintritt.
Für diejenigen, die bereits 2004 oder davor Rente bezogen haben, beträgt der Rentenfreibetrag 50% in Form eines festen Eurobetrages, der während der Rentenkarriere konstant bleibt. Der steuerfreie Anteil der Rentenzahlleistung schwindet also im Zeitablauf, da die Rentenzahlleistung sich an der Entwicklung der Bruttoarbeitslöhne orientiert und damit einen dynamischen Verlauf annimmt.
Für diejenigen, die ab 2005 erstmals Rente beziehen, wird der Prozentsatz des Rentenfreibetrags allmählich abgeschmolzen, während der Besteuerungsanteil entsprechend steigt.

Bei 19.000 Euro Jahresbruttorente beträgt der Rentenfreibetrag für Alleinstehende im Jahr 2005 50%, was einem Betrag von 9.500 Euro entspricht; der andere Teil ist steuerpflichtiges Einkommen. Von diesem können dann Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge abgezogen werden. In der Regel liegt das zu versteuernde Einkommen dann unterhalb des jährlichen steuerlichen Grundfreibetrages von derzeit 7.664 Euro, bis zu dem keine Steuern zu entrichten sind und der für alle Steuerbürger gilt. Wenn keine weiteren Einkünfte aus Betriebsrenten, Mieten, Zinsen, Pachten o. ä. vorliegen, hat der Rentner also erst bei einer Jahresbruttorente über 19.000 Euro Steuern zu bezahlen. Die genaue Höhe des steuerfreien Rentenzahlbetrags hängt in erster Linie von der Höhe des Krankenversicherungsbeitrages ab. Bei Verheirateten verdoppeln sich die jeweiligen Beträge.
Wird die Besteuerungsgrenze überschritten, greift der progressive Einkommenssteuertarif - eine gerechte Lösung, denn damit werden höhere Einkommen nach dem Grundsatz der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit stärker besteuert als geringe Einkommen.

Schätzungsweise werden drei Viertel aller Rentnerhaushalte steuerfrei bleiben, die volle Besteuerung greift erst ab Renteneintritt ab 2040. Für Personen, die im Jahr 2040 oder später in Rente gehen, unterliegt die Rente unter Berücksichtigung der dann geltenden Freibeträge in voller Höhe der Besteuerung. Damit werden Renten und Pensionen einkommensteuerrechtlich gleich behandelt. Eine steuerliche Mehrbelastung durch die Umstellung der Besteuerung von Alterseinkünften wird überwiegend nur in Fällen entstehen, in denen neben einer hohen gesetzlichen Rente noch andere Einkünfte aus Werkspensionen oder Betriebsrenten, Vermietung und Verpachtung, Kapitalvermögen oder Einkünfte eines erwerbstätigen Ehepartners dazukommen.

Die nachgelagerte Besteuerung ist angesichts der demographischen Herausforderung ein wichtiger Schritt zu einer langfristigen Rentensicherung für künftige Generationen. Die parallel zur schrittweisen Besteuerung der Altersrenten erfolgende schrittweise Steuerfreistellung der Beitragszahlungen sorgt dafür, dass den Bürgern während ihrer aktiven, berufstätigen Lebenszeit mehr Geldmittel für private Altersvorsorge zur Verfügung stehen. Mit der nachgelagerten Besteuerung werden somit tragfähige und verlässliche steuerliche Rahmenbedingungen für die Altersvorsorge geschaffen. Die nachgelagerte Besteuerung ist somit ein wichtiges Element einer vorausschauenden sozialdemokratischen Politik der Absicherung im Alter.

In der Hoffnung, Ihre Frage zu Ihrer Zufriedenheit beantwortet zu haben, verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen, Ihr Lothar Binding