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Frage von Hannes K. •

Frage an Lothar Binding von Hannes K. bezüglich Verbraucherschutz

Am 27. November 2015 habe ich in einem Spiegel-Online-Artikel: „SPD-Kritik an Bankenregulierung: Verbraucherschutz droht zu einer Ideologie zu werden.“ gelesen, was dieses Forum von Verbraucherschutz und Bankenregulierung hält. Der Spiegel erhebt diese Äußerungen einzelner Wirtschaftsleute gegen den Verbraucherschutz und gegen Regulierung in seiner Überschrift zu einer „SPD-Kritik“.

Ich war bisher immer der Ansicht, die SPD würde sich um Verbraucherschutz kümmern und sich für Verbraucher einsetzen. Nun wundere ich mich, dass Sie als Finanzpolitiker einfach schweigen? Warum haben Sie dieses vom Spiegel beförderte neoliberale Grundrauschen, das besser zur CDU/FDP passt, vier Wochen lang nicht öffentlich kritisiert?

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Sehr geehrter Herr Kaden,

vielen Dank für Ihre Frage. Sie beziehen sich auf einen Artikel im Spiegel mit der Überschrift: „SPD-Kritik an Bankenregulierung - Verbraucherschutz droht zu einer Ideologie zu werden".

Schlagzeilen müssen kurz sein. Dabei geht dann gelegentlich die Differenzierung zwischen Einzelmeinung und Beschlusslage einer Partei durcheinander. Im Artikel selbst wird es dann genauer. Dort steht: „Der Wirtschaftsflügel der SPD schlägt sich in der Debatte um die Zähmung der Finanzindustrie auf die Seite der Banken.“ Gemeint ist hier das neu gegründete Wirtschaftsforum der SPD e.V. Ich denke, es gehört zur journalistischen Freiheit, von einem eingetragenen Verein als „Wirtschaftsflügel der SPD“ zu sprechen.

Sie schreiben: „Ich war bisher immer der Ansicht, die SPD würde sich um Verbraucherschutz kümmern und sich für Verbraucher einsetzen“. Und damit haben Sie Recht. In der Bundestagsfraktion wird Verbraucherschutz sehr ernst genommen. Auch in der Arbeitsgruppe Finanzen (also die Mitglieder der SPD Fraktion im Finanzausschuss) kümmern sich mehrere Kolleginnen und Kollegen darum - dies wurde in Folge der Bankenkrise und mit den inzwischen bekannt gewordenen unseriösen Geschäften in dieser Branche (z.B. Cum Ex Betrügereien oder Libor-Manipulation) noch wichtiger.

Um es kurz zu machen: Mir ging es wie Ihnen. Deshalb hatte ich auch eine Replik auf den Artikel geschrieben. Ein Korrespondent des Spiegel schrieb mir: „Leider habe ich das Stück nirgendwo unterbekommen. Vielleicht können wir bei Gelegenheit nochmal darauf zurückkommen.“ Deshalb erschien meine Reaktion nicht und der einseitige Eindruck konnte sich verfestigen.

Unten zitiere ich daher der Einfachheit halber meinen damals unveröffentlichten Text vom 4. Dezember 2015:

Replik auf den Spiegel-Online-Artikel: „SPD-Kritik an Bankenregulierung - Verbraucherschutz droht zu einer Ideologie zu werden“ vom 27. November 2014

„Ruf nach Regulierungspause oder Deregulierung falsch: Bankenregulierung schützt Steuerzahler und die Realwirtschaft“

Das im Jahr 2015 neu gegründete Wirtschaftsforum der SPD veranstaltete am 26. November ein Fachforum zum Thema "Finanzen und Kapitalmarkt“. Es ist sehr zu begrüßen, dass die SPD - gerade als Volkspartei - auch mit einem Wirtschaftsforum die Wirtschaft und ihre hochgradig leistungsfähigen Unternehmen unterstützt. Dies stärkt vor allem auch die in Deutschland bestehenden Arbeitsplätze und prosperierende und innovative Unternehmen schaffen im Regelfall neue Arbeitsplätze. Der Erfolg sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik zeigt sich auch an der Arbeitslosenquote von 6,0%, einem der niedrigsten Werte seit der Wiedervereinigung.

Es ist aber unangebracht, wenn aus dem SPD-Wirtschaftsforum die Behauptung zu hören ist: „Verbraucherschutz droht zu einer Ideologie zu werden“ oder „Wir brauchen jetzt eine Regulierungspause in der Bankenbranche“. Solche Forderungen sind wohl mit der mittlerweile größeren zeitlichen Entfernung der Finanzmarktkrise in den Jahren 2007 und 2008 zu erklären. Je länger die Finanzmarktkrise und die darauf folgende Weltwirtschaftskrise zeitlich entrückt sind, desto stärker werden auch - und insbesondere aus der Finanzbranche - die Rufe nach einer Regulierungspause oder sogar einer Deregulierung. Natürlich müssen Regulierungen stetig auf ihre Wirksamkeit, auf ihre Widerspruchsfreiheit bzw. Konsistenz und auch auf ihre Notwendigkeit hin überprüft werden. In einer Branche allerdings, in der alles erlaubt zu sein scheint, was nicht verboten bzw. reguliert ist, scheint eine Regulierung zu viel besser zu sein als eine zu wenig.

Wir erinnern uns daran, dass die Finanzmarktkrise von Experten gemacht wurde, bei der LIBOR von Fachleuten manipuliert und die vornehmsten Finanzinstitute die höchsten Strafen zu bezahlen hatten und wohl noch haben. Ein wenig mehr Rücksicht auf die Verbraucher, mit deren Geld spekuliert wurde, könnte da nicht schaden. Die Schuldigen für den Ausbruch der Finanzmarktkrise waren unbestritten habgierige Akteure der internationalen Finanzmarktbranche. Ohne die von der Politik initiierten Bankenrettungs- und anschließenden Konjunkturprogramme wäre es auch in Deutschland zu einer wirtschaftlichen, finanziellen und sozialen Katastrophe gekommen. Geholfen haben also die Steuerzahler, also ein großer Teil der Verbraucher. Es ist kein Zufall, dass der Staat über die Mehrwertsteuer und die Lohnsteuer den größten Anteil seiner Einnahmen erhält.

Und die deutsche Politik hat sich seit dem Ausbruch der Finanzmarktkrise völlig zu Recht dafür eingesetzt, dass wir vor allem durch internationale und europäische Regulierungen künftige Krisen verhindern wollen. Von daher sind die Schritte hin zu einer gemeinsamen europäischen Bankenunion zu begrüßen. Die großen systemrelevanten Banken mit einer Bilanzsumme von über 30 Milliarden Euro unterliegen seit dem November 2014 der Aufsicht durch die Europäische Zentralbank, die zuvor einen umfassenden Stresstest für diese Banken durchgeführt hat. Zudem wurde im letzten Jahr im Deutschen Bundestag die europäische Bankenabwicklungsrichtlinie umgesetzt. Bis zum Jahr 2024 wird hierbei ein europäischer Abwicklungsfonds in einer Größenordnung von 55 Milliarden Euro geschaffen. Bevor aber dieser Fonds für eine mögliche Bankenabwicklung in Anspruch genommen wird, werden zuvor noch im Rahmen des so genannten „Bail-in-Prinzips“ die Aktionäre und finanzstarken Gläubiger bei der Finanzierung einer Abwicklung zur Kasse gebeten.

Durch diese politischen Regulierungsmaßnahmen zum Schutz der hart arbeitenden Steuerzahlerinnen und Steuerzahler fällt endlich das Erpressungspotenzial der Banken „too-big-to-fail“ gegenüber dem Staat weg. Die Ratingagentur Standards & Poors hat im Juni 2015 die Konsequenzen aus diesem neuen europäischen Abwicklungsregime gezogen. Sie senkte die Bonitätsnoten der Deutschen Bank, zu deren Konzern auch die Postbank zählt, der Commerzbank und zahlreicher weiterer europäischer Institute. Diese könnten nach den neuen Abwicklungsregelungen nicht mehr wie in der Finanzkrise auf Rettungsmaßnahmen des Staates zählen. Sicher wird die Bankenaufsicht über kurz oder lang alle Institute dazu zwingen, stärkere Eigenkapitalpuffer auf- und Investitionen in Risikopapiere abzubauen.

Dies zeigt: Die Banken müssen sich endlich selber anstrengen, ihr Kapitalpuffer zu stärken und damit ihre Bonität zu verbessern. Mit einer Haftung des Steuerzahlers sollten sie besser nicht mehr rechnen.

Und gerade die systemrelevanten Banken müssen sich darauf einstellen, dass sie aufgrund des deutschen Trennbankengesetzes und der anstehenden europäischen Trennbankenregelungen zu entsprechenden strategischen und organisatorischen Restrukturierungen gezwungen werden. Das Einlagengeschäft soll dabei vom zum Teil hoch risikoreichen Investmentgeschäft abgespalten werden. Diese Zielrichtung der Trennbankenregulierung ist absolut richtig, da das Investmentbanking größtenteils keinen Nutzen für die Realwirtschaft und die Gesellschaft insgesamt stiftet. Sie dient zumeist einzig und allein dem Gewinnmaximierungsprinzip in den Großbanken.

Nun behauptet die Deutsche Bank in dem Spiegel Online Artikel „Verbrauchschutz droht zu einer Ideologie zu werden“ vom 27. November 2015 allen Ernstes, dass es einer Deregulierung der Finanzbranche bedarf, da sie ansonsten im Wettbewerb gegenüber den amerikanischen Finanzkonzernen noch weiter zurückfallen würde. Diese Aussage ist zweifelsohne falsch. Der Grund, warum der neue Chef der Deutschen Bank, John Cryan, für das dritte Quartal 2015 einen Verlust von über sechs Milliarden Euro feststellen musste, lag in keiner Weise an der zu großen Regulierungsdichte in Deutschland und Europa oder gar am Verbraucherschutz. Vielmehr ist diese verheerende Bilanz insbesondere auf die Abschreibungen des Buchwerts der Postbank und weiterer bilanzieller Altlasten zurückzuführen. Missmanagement zu Höchstdotierungen und kriminelle Machenschaften der Deutschen Bank, wie die Manipulation bei den Euribor- und Libor-Referenzzinsätzen, haben in den letzten Jahren zu milliardenschweren Strafzahlungen geführt. In Folge der schlechten Erfahrungen mit Bankgeschäften ist das Geschäft des Investmentbankings auch nicht mehr so lukrativ wie vor der Krise. Man kann also mit Fug und Recht behaupten, dass Planungs- und Managementfehler - aber nicht die Regulierung - die einst hoch angesehene Bank in eine Bad Bank verwandelt haben. Die Deutsche Bank ist selbstverschuldet in Schieflage geraten. Gleichwohl: Auch wenn viele Banken in Stressszenarien noch große Aufgaben vor sich haben - die Deutsche Bank, wie alle Banken, die sich inzwischen einen Kulturwandel verordnen, sind auf einem guten Weg.

Eine weiter geführte Deregulierungskampagne wird aber weder der Deutschen Bank noch der international agierenden Finanzbranche insgesamt helfen. Sie führt allenfalls dazu, dass kurzfristige, überzogene Renditeerwartungen einzelner Banken erneut in den Vordergrund treten, zuungunsten der Sicherheit der Finanzmärkte und der Realwirtschaft insgesamt. Das wäre ein Rückfall in die Zeit vor der Finanzmarktkrise.

Dies ist und darf kein Ziel sozialdemokratischer Finanzpolitik sein. Von daher wäre es dem SPD-Wirtschaftsforum zu wünschen, sich künftig mehr um die Belange der Realwirtschaft und der qualifizierten und aktiven Unternehmerinnen und Unternehmer, sowie den hoch qualifizierten und motivierten Beschäftigten zu kümmern. Und wenn es dabei den Kunden der Unternehmen bzw. den Verbrauchern gut geht, geht es auch der Wirtschaft gut.

Soweit meine Replik.

Mit freundlichen Grüßen, Ihr Lothar Binding