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Frage von Markus H. •

Frage an Knut Fleckenstein von Markus H. bezüglich Verkehr

Sehr geehrter Herr Fleckenstein,

die EU-Kommission hat eine Verordnung zu "Regeln und Verfahren für lärmbedingte Betriebsbeschränkungen auf Flughäfen" entworfen (KOM(2011) 828). Darin wird der Begriff "Lärmminderungsmaßnahme" definiert als

"jede Maßnahme, die sich auf die Lärmsituation in der Umgebung von Flughäfen auswirkt und für die die Grundsätze des ausgewogenen Ansatzes der ICAO gelten, einschließlich anderer, nicht betriebsbezogener Maßnahmen, die die Zahl der vom Fluglärm betroffenen Menschen beeinflussen können"

Frage 1: Halten Sie es für akzeptabel, dass demnach auch die Auflösung von Gemeinden und Stadtteilen solche Maßnahmen darstellen?

Frage 2: Erfüllen nicht reine Flugroutenverlagerungen ebenfalls diese Definition, als danach gewisse Bereiche weniger, andere mehr belastet werden, "Auswirkungen" also gegeben sind?

Artikel 7 erlaubt es Behörden, besonders laute Maschinen von gewissen Flughäfen auszuschließen. Doch wird eingeschränkt, dass dies nicht mehr als 20% der Flugzeuge einer Fluglinie betreffen darf.

Frage 3: Wie soll diese Bestimmung bei einem Unternehmen angewendet werden, welches seine Flotte konsequent aus Maschinen aufgebaut hat, die anderswo ausgemustert wurden? Mit dieser Quote wird die sachliche Grundlage unterlaufen, nämlich der vor allem von Maschinentyp und Triebwerk abhängige Lärm.

In dem Entwurf wird eine Prognose wiedergegeben, derzufolge zwischen 2006 und 2036 die Zahl der von einem Dauerfluglärm über 60 Dezibel betroffenen Menschen von 0,8 auf 2,1 Millionen steigen wird.

Frage 4: Bitte beziehen Sie zum Luftverkehrsaufkommen als Ursache Stellung. Politisch ist dieses beispielsweise beeinflussbar durch eine Kerosinsteuer, den CO2-Zertifikatshandel, die Luftverkehrsabgabe [1]

Mit freundlichen Grüßen
Markus Hiereth

[1] die Ihr Parteikollege Hans-Joachim Hacker zwar kritisiert; zu der er aber in http://www.abgeordnetenwatch.de/hans_joachim_hacker-575-37622--f320670.html#q320670 bislang keine Alternativen nannte.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Hiereth,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Vorab möchte ich Ihnen sagen, dass ich den Vorschlag der Kommission (KOM(2011) 828) ebenfalls sehr kritisch sehe. Das ordentliche Gesetzgebungsverfahren hat erst begonnen, so dass der Vorschlag bislang noch nicht im zuständigen Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr des Europäischen Parlaments ausgiebig diskutiert werden konnte. Dennoch kristallisiert sich bereits jetzt heraus, dass bei mehreren Punkten des Vorschlags dringender Änderungsbedarf besteht. Die übermäßigen Kontroll- und Vetobefugnisse, die sich die Europäische Kommission gibt (Artikel 10), sind hier als erstes zu nennen. Der Kommission sollte nicht erlaubt werden, Betriebsbeschränkungen auszusetzen. Starke Zweifel bestehen zudem an der Bewertung der Kosteneffizienz lärmbedingter Betriebsbeschränkungen, die nach Auffassung der Kommission nicht verpflichtend die gesundheitliche Beeinträchtigung durch Lärmemissionen berücksichtigen soll. Generell ist in diesem Zusammenhang zu sagen, dass der Vorschlag einen einseitigen Schwerpunkt auf kosteneffiziente Maßnahmen legt, denen eine rein wirtschaftliche Definition zu Grunde liegt. Belange der betroffenen FlughafenanwohnerInnen werden zu wenig berücksichtigt. Die "Auflösung" von Gemeinden halte ich natürlich nicht für akzeptabel, bisher ist mir auch kein dahingehender Vorschlag bekannt. Flugroutenänderungen können sicherlich eine Rolle bei der Lärmreduzierung für betroffene Anwohner spielen, ob diese als effektive Maßnahme ausreichen, muss von den jeweiligen zuständigen Behörden im Gespräch mit den Betroffenen diskutiert werden.

Für ihre Frage zu Artikel 7 Absatz 3 des Verordnungsvorschlages möchte ich Ihnen besonders danken, da dies ein weiterer Aspekt sein wird, den wir klären müssen. Die EU-Kommission spricht von "Luftfahrzeugen", allerdings geht es um "Luftfahrzeugbewegungen" (Start / Landung mit dem angesprochenen Flugfahrzeugtypus), die als Lärmquelle identifiziert werden sollten. Sprich: Nicht 20% Flugzeuge sollten reduziert werden, sondern 20% der Luftverkehrsbewegungen mit diesen Flugzeugtypen. Es muss zudem klar gestellt werden, dass eine jährliche Minderung um 20% dieser Flugbewegungen gemeint ist, d.h. dass nach 5 Jahren keine "knapp die Vorschriften erfüllenden Luftfahrzeuge" (bzw. Flugbewegungen) mehr genutzt werden können, sollte die zuständige Behörde das so festlegen.

Sicherlich werden wir einen Anstieg des Luftverkehrs in den nächsten Jahrzehnten verzeichnen. Umso dringender ist es geboten, einvernehmliche Lösungen zwischen dem volkswirtschaftlichen Gesamtinteresse eines Staates und den von Fluglärm betroffenen Bürgerinnen und Bürgern zu finden. Generell kann zudem davon ausgegangen werden, dass das Fliegen nicht billiger werden wird, da die externen Kosten in Zukunft bei allen Verkehrsträgern internalisiert werden sollen. Eine Einpreisung der tatsächlich verursachten Kosten halte ich für richtig, jedoch ist hierbei immer eine internationale Vorgehensweise bzw. wenn das nicht möglich erscheint, eine europäische vor dem nationalen Vorgehen zu bevorzugen.

Mit freundlichen Grüßen
Knut Fleckenstein