Welche Rolle sollen Ergotherapie und andere Heilmittelberufe in Zukunft spielen?
Sehr geehrte Frau Kappert-Gonther, wie positionieren Sie sich hinsichtlich der Forderungen des Spitzenverbandes der Heilmittelverbände hinsichtlich:
1. der dringend notwendigen Akademisierung und damit einhergehenden Novellierung des Berufsgesetzes,
2. der Einführung und Erprobung eines Direktzugangs im Rahmen von Modellvorhaben,
3. der Mitbestimmung durch stimmberechtigte Sitze im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA),
4. sowie dem Abbau unnötiger Bürokratie durch die Abschaffung der Prüfpflicht für Verordnungen und die Übertragung der Zuzahlungseinziehung auf die gesetzlichen Krankenkassen?

Sehr geehrter Herr B.,
vielen Dank für Ihre Anfrage zu den Forderungen des Spitzenverbandes der Heilmittelverbände. Wir schätzen das große Engagement der Heilmittelerbringer*innen, die mit hoher fachlicher Kompetenz einen unverzichtbaren Beitrag zur gesundheitlichen Versorgung, insbesondere der Prävention und Rehabilitation der Bevölkerung leisten. In einer älter werdenden Gesellschaft und angesichts zunehmender chronischer Erkrankungen kommt der therapeutischen Arbeit dieser Berufsgruppen eine wachsende Bedeutung zu.
Dabei ist uns als Fraktion Bündnis 90/Die Grünen besonders wichtig, therapeutische Berufe als eigenständige Professionen zu fördern und strukturelle Hürden im Gesundheitswesen abzubauen.
Für Gesundheitsberufe, etwa in der Physio-, Logo- und Ergotherapie, sowie in der Pflege und im Rettungsdienst wollen wir mehr Kompetenzen zur eigenständigen heilkundlichen Behandlung. Durch ein eigenes Heilberufegesetz wollen wir die Qualität der Versorgung weiter fördern und darin auch weitere qualitätsgesicherte Heilberufe integrieren und deren weitere Akademisierung regeln.
Wir setzen uns seit Jahren dafür ein, die Ausbildung der Therapieberufe grundlegend zu reformieren und eine primärqualifizierende akademische Ausbildung weiterzuentwickeln. Die Akademisierung kann die Attraktivität des Berufsbildes erhöhen, die fachliche Eigenständigkeit stärken und die Versorgung verbessern.
Angesichts der wachsenden Bedarfe an qualifizierten Fachkräften in Pflege und Gesundheit sieht die Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAWs) und Fachhochschulen (FHs) eine Notwendigkeit, die dazu erforderliche Finanzierungsgrundlage zwischen Bund und Ländern für die neuen Studienangebote zu schaffen. Im Bundestag haben wir frühzeitig die Abschaffung des Schulgelds, die Einführung einer Ausbildungsvergütung sowie die bessere finanzielle und strukturelle Förderung hochschulischer Ausbildungsangebote gefordert.
Auch für die Erprobung eines Direktzugangs im Rahmen evidenzbasierter Modellvorhaben setzen wir uns ein. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (SVR) hat schon vor Jahren den Direktzugang in der Heilmittelversorgung thematisiert, speziell in der Physiotherapie. Auch wir sehen den dringenden Bedarf für größere Gestaltungsspielräume für Heilmittelerbringer. Der Direktzugang hat sich in vielen europäischen und außereuropäischen Ländern schon seit langem bewährt. Er stärkt die Eigenverantwortung der Berufsgruppen, beschleunigt die Versorgung und reduziert Bürokratie. Wir fordern hohe wissenschaftliche Standards für die Durchführung von Modellversuchen, damit die Ergebnisse bei der Weiterentwicklung der Gesundheitsberufe berücksichtigt werden könne.
Mit freundlichen Grüßen
Kirsten Kappert-Gonther