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Kerstin Schreyer
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Frage von Sina B. •

Frage an Kerstin Schreyer von Sina B. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrte Frau Abgeordnete Schreyer-Stäblein

1.
Viele Familienangehöriger von Mordopfern erholen sich Zeitlebens nicht mehr von solchen schrecklichen Taten. Krankenkassen bezahlen aber oft gar keine oder nur eine zeitlich eng begrenzte Therapie, die Familienangehörige dabei unterstützt, mit dem Verlust leben zu lernen.
Wurde je der Kontakt zu Familienangehörigen der Mordopfer z.B. des Roland S. gesucht und wurde den Familienangehörigen Unterstützung angeboten?

2.
Ich habe mehrfach gelesen, dass Familienangehörige von Mordopfern ganz alleine für die Beerdigungskosten aufkommen müssen.
Stimmt dies?

3.
Wenn Täter sich außerhalb der Forensik / Gefängnis aufhalten und von Sicherheitspersonal / Ärzten begleitet werden, müssen dann für das Personal Überstunden- bzw. ein Sonntagszuschlag bezahlt werden?
3.1. Wenn ja, wer muss diese Kosten bezahlen?

4.
Es ist überhaupt nichts dagegen einzuwenden, wenn Straftäter arbeiten.
Aber warum fließt das Geld nicht an die Einrichtung, in der diese Straftäter untergebracht sind?
Oder an die Familienangehörigen der Opfer?

5.
Wenn Straftäter so viel billiger arbeiten, als Arbeitnehmer außerhalb von Forensik bzw. Gefängnis, dann schädigen die Täter doch letztendlich die unbescholtenen Arbeitnehmer. Unbescholtene Arbeitnehmer können nicht für Cent-Beträge arbeiten, denn sie müssen Lebensmittel bezahlen, Miete, Strom, Heizung, ihre Familie ernähren.

Zudem besteht auch noch die Gefahr, dass die Arbeitnehmer außerhalb von Forensik bzw. Gefängnis ihre Arbeit verlieren, weil sie nicht so billig arbeiten können.
5. 1.
Wie viel Firmen gibt es in Deutschland, die auf diesem Wege äußerst günstig produzieren lassen?
5. 2. Warum wird in Forensik / Gefängnissen nicht der Mindestlohn bezahlt?

Mit ausgezeichneter Hochachtung
Sina Berg

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau Berg,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Leider muss ich Sie mit einer ausführlichen
Antwort noch etwas vertrösten, da die von Ihnen gestellten Fragen sehr
umfangreich sind. Um diese korrekt und ausführlich beantworten zu können, sind
umfassende Recherchen bei mehreren Ministerien von Nöten. Derzeit warte ich
noch auf einige Rückmeldungen von verschiedenen Stellen. Daher kann ich Ihnen
leider erst im Laufe der nächsten Woche antworten. Ich bitte Sie, die
Verzögerung zu entschuldigen, jedoch ist es mir wichtig, Ihnen gehaltvolle und
gut recherchierte Antworten zukommen zu lassen.
Mit freundlichen Grüßen
Kerstin Schreyer-Stäblein

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CSU

Sehr geehrte Frau Berg,

vielen Dank für Ihre freundliche Anfrage, auf die ich erst heute ausführlich
antworten kann, da hierzu umfangreiche Recherchen notwendig waren. Ich bitte
für die längere Bearbeitungszeit um Ihr Verständnis.

Ich versuche, auf die einzelnen Fragen entsprechend zu antworten. Zum besseren
Verständnis greife ich Ihre Fragen nochmals auf.
Viele Familienangehörige von Mordopfern erholen sich Zeitlebens nicht mehr von solchen schrecklichen Taten. Krankenkassen bezahlen aber oft gar keine oder nur eine zeitlich eng begrenzte Therapie, die Familienangehörige dabei unterstützt, mit dem Verlust leben zu lernen. Wurde je der Kontakt zu Familienangehörigen der Mordopfer z.B. des Roland S. gesucht und wurde den Familienangehörigen Unterstützung angeboten?

Ob im konkreten Fall des Roland S. ein Kontakt angeregt wurde, kann ich Ihnen nicht sagen, da diese Information der ärztlichen Schweigepflicht unterliegt. Aufgabe des Maßregelvollzugs ist die Behandlung der Täter. Damit wird auch effektiv Opferschutz betrieben. Ein wesentlicher Baustein der Behandlung ist die Deliktbearbeitung. Dabei kann es je nach Erkrankung angezeigt sein, dass die Patienten zum Beispiel so genannte Opferempathiebriefe schreiben, die nicht abgesandt werden, sondern im therapeutischen Kontext sehr wichtig für die Deliktaufarbeitung sind. Die Kontaktaufnahme eines Patienten mit dem Opfer oder dessen Angehörigen kann im Einzelfall erfolgen, kann jedoch ohne vorherige Klärung der Situation Befürchtungen und Unverständnis bei den Adressaten bewirken.

Für die sicher oft nötige Hilfe und Unterstützung der Opfer und deren Angehöriger bedarf es anderer Institutionen wie beispielsweise des Weißen Rings.

Ich habe mehrfach gelesen, dass Familienangehörige von Mordopfern ganz alleine
für die Beerdigungskosten aufkommen müssen. Stimmt dies?

Meine Recherchen haben ergeben, dass dies nicht stimmt. Aufgrund einer Gewalttat kommen grundsätzlich Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) in Betracht. Diese Leistungen bestimmen sich nach den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes. Zum Leistungskatalog gehört auch die Zahlung eines Bestattungsgeldes. Nach dieser Vorschrift wird beim Tod eines rentenberechtigten Beschädigten ein Bestattungsgeld gewährt. Diese Vorschrift kann bei einem Mordfall allerdings nur zum Zuge kommen, wenn dem Mordopfer bereits wegen einer anderen Schädigung eine Rente nach dem Sozialen Entschädigungsrecht zugesprochen wurde. Dies wird nur in Einzelfällen der Fall sein. Es ist aber zusätzlich geregelt, dass ein Bestattungsgeld auch zu leisten ist, wenn ein nichtrentenberechtigter Beschädigter an den Folgen einer Schädigung verstirbt. Ein Mordopfer wird nach bundesweit gängiger Praxis als ein „nichtrentenberechtigter Beschädigter“ angesehen, so dass das Bestattungsgeld - sofern die übrigen Voraussetzungen vorliegen, was bei einem Mordfall regelmäßig der Fall sein dürfte - geleistet wird. Dieses beträgt aktuell 1 613 Euro, allerdings nur, wenn für die Bestattung Kosten in dieser Höhe entstanden sind. Ansonsten wird es entsprechend gekürzt. Anspruchsberechtigt ist die Person, die die Bestattung besorgt (bezahlt) hat. Im Übrigen möchte ich Sie auch auf das Zwölfte Buchs des Sozialgesetzbuches hinweisen. Hierin heißt es: „Die erforderlichen Kosten einer Bestattung werden übernommen, wenn den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen“. Sollten im Einzelfall einmal Leistungen nach dem OEG nicht möglich sein, können zur Bestattung Verpflichtete also einen Antrag beim Sozialamt stellen und die Übernahme der Kosten der Bestattung auf einem einfachen Niveau beantragen. Voraussetzung ist allerdings, dass der Antragsteller sozialhilferechtlich bedürftig ist, was er durch Offenlegung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse nachzuweisen hat.

Wenn Täter sich außerhalb der Forensik / Gefängnis aufhalten und von
Sicherheitspersonal / Ärzten begleitet werden, müssen dann für das Personal
Überstunden- bzw. ein Sonntagszuschlag bezahlt werden?

Für den Einsatz des Personals bei begleitetem Ausgang gelten, gleich welcher Berufsgruppe, die üblichen tariflichen Regelungen (also auch einschließlich der Sonntagszuschläge). Es können außerhalb der Dienstzeiten bei Notfällen oder unvorhersehbaren Ereignissen gegebenenfalls Überstunden angeordnet werden. Überstunden werden in der Regel mit Freizeit ausgeglichen.

Wenn ja, wer muss diese Kosten bezahlen?

Personalkosten der Maßregelvollzugseinrichtungen werden im Rahmen eines mit dem Träger der jeweiligen Einrichtung vereinbarten Budgets für die Kosten des Maßregelvollzugs vom Freistaat Bayern getragen.

Es ist überhaupt nichts dagegen einzuwenden, wenn Straftäter arbeiten. Aber
warum fließt das Geld nicht an die Einrichtung, in der diese Straftäter
untergebracht sind? Oder an die Familienangehörigen der Opfer?

Wenn Straftäter so viel billiger arbeiten, als Arbeitnehmer außerhalb von Forensik bzw. Gefängnis, dann schädigen die Täter doch letztendlich die unbescholtenen Arbeitnehmer. Unbescholtene Arbeitnehmer können nicht für Cent-Beträge arbeiten, denn sie müssen Lebensmittel bezahlen, Miete, Strom, Heizung, ihre Familie ernähren. Zudem besteht auch noch die Gefahr, dass die Arbeitnehmer außerhalb von Forensik bzw. Gefängnis ihre Arbeit verlieren, weil sie nicht so billig arbeiten können.

Diese beiden Punkte möchte ich miteinander beantworten. Dem gesetzlichen Auftrag der Besserung der untergebrachten Person im Maßregelvollzug haftet ein umfassender Therapieauftrag an. Die Arbeitstherapie ist dabei ein wesentlicher und unverzichtbarer Bestandteil der Therapie im Maßregelvollzug insbesondere zur Tagesstrukturierung, Belastungserprobung, (Weiter-)Qualifizierung und schließlich zur Resozialisierung. Die Arbeitstherapie ist eine therapeutische Einheit, keine Arbeitsstätte im herkömmlichen Sinne. Die Patientinnen und Patienten nehmen in Abhängigkeit von ihrem individuellen Therapieplan freiwillig an der Arbeitstherapie teil. Therapieziele sind das Training arbeitsrelevanter Schlüsselqualifikationen zur Vorbereitung auf die Entlassung, bei jungen Patientinnen und Patienten auch der Erwerb zusätzlicher beruflicher Qualifikationen, außerdem die Vermittlung von Befriedigung und Erfolg im Zusammenhang mit Arbeit. Die Arbeitsbedingungen entsprechen am ehesten den Anforderungen an beschützte Arbeitsplätze und sind so gestaltet, dass einerseits auf mögliche krankheitsbedingte Einschränkungen Rücksicht genommen werden kann, andererseits jedoch die Patientinnen und Patienten die Möglichkeiten zur Belastungserprobung und Weiterqualifizierung erhalten. Nach meinem Kenntnisstand ist es überwiegend schwierig Auftraggeber zu finden, die bereit sind, Aufträge an Maßregelvollzugseinrichtungen zu vergeben. Das Erzielen von Gewinnen gehört nicht zu den Zielsetzungen der Arbeitstherapie. Eine Kostendeckung auf Seiten der Maßregelvollzugseinrichtung wird zwar angestrebt, aber in der Regel nicht erreicht. Falls Erlöse entstehen, können sie von den Einrichtungen im Rahmen ihrer Aufgaben verwendet werden.
Die Gewinn-/Verlustsituation des Auftraggebers ist dem Träger der Maßregevollzugseinrichtung in der Regel nicht bekannt. Zwar kauft der Auftraggeber der Einrichtung die Ergebnisse der Arbeitstherapie zu den vereinbarten Konditionen (bspw. Stückpreis) ab. Das Risiko einer zeitnahen Lieferung und das Erlösrisiko der in der Therapie gefertigten Produkte auf dem freien Markt trägt der Auftraggeber jedoch allein. Ebenso hat er je nach vereinbarter Konstellation, die Materialien und ggf. benötigte Arbeitsgeräte der Einrichtung zur Verfügung zu stellen. Soweit ich in Erfahrung bringen konnte liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die in der Arbeitstherapie in den Maßregelvollzugseinrichtungen ausgeübten Tätigkeiten Auswirkungen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt haben.

Wie viel Firmen gibt es in Deutschland, die auf diesem Wege äußerst günstig produzieren lassen?

Dazu habe ich bedauerlicherweise keinerlei Erkenntnisse.

Warum wird in der Forensik / Gefängnissen nicht der Mindestlohn bezahlt?

Auf die in der Arbeitstherapie tätigen untergebrachten Personen im Maßregelvollzug findet das Mindestlohngesetz keine Anwendung, da diese keine Arbeitsnehmer im Sinne dieses Gesetzes sind. Die Pflichtarbeit der Gefangenen im Strafvollzug wird durch ein Arbeitsentgelt anerkannt. Es wird nach der Leistung der Gefangenen und der Art der Arbeit entsprechend der Bayerischen Strafvollzugsvergütungsverordnung in fünf Stufen gewährt. Im Jahr 2014 liegen die Tagessätze zwischen 8,96 Euro und 14,93 Euro, die Stundensätze zwischen 1,12 Euro und 1,87 Euro. Zum Grundlohn können außerdem Leistungszulagen (bis zu 30 Prozent) sowie Zulagen für Arbeit zu ungünstigen Zeiten (bis zu 5 Prozent), für Arbeit unter arbeitserschwerenden Umgebungseinflüssen (bis zu 5 Prozent) und für Arbeit über die festgesetzte Arbeitszeit hinaus (bis zu 25 Prozent) gewährt werden. Zudem erhalten Gefangene, die zwei Monate lang zusammenhängend ihre zugewiesene Tätigkeit ausgeübt haben, als Anerkennung für diese kontinuierliche Arbeitsleistung neben dem Arbeitsentgelt zusätzlich einen Freistellungstag von der Arbeit, der auch zur Vorverlegung des Entlassungszeitpunktes angespart werden kann. Hinzu kommen die nahezu vollständig vom Staat getragenen Beiträge zur Arbeitslosenversicherung. Außerdem werden von Gefangenen, die Pflichtarbeit verrichten, keine Haftkostenbeiträge erhoben, so dass zum Beispiel die Verpflegung kostenlos ist.

Abschließend möchte ich noch einen Unterschied erläutern, der in den Medien
nicht immer strikt getrennt wird.
Der psychiatrische Maßregelvollzug erfolgt in speziellen forensischen Einrichtungen der psychiatrischen Krankenhäuser, für die in Bayern die Bezirke oder (Kommunal-)Unternehmen zuständig sind. Der Vollzug der Unterbringung im psychiatrischen Maßregelvollzug erfolgt in Bayern derzeit auf der Grundlage des Bayerischen Unterbringungsgesetzes.
Der Strafvollzug erfolgt in den Justizvollzugsanstalten. Der Vollzug der Freiheitsstrafe, der Jugendstrafe, der Sicherungsverwahrung und des Strafarrests in den Justizvollzugsanstalten erfolgt in Bayern auf der Grundlage des Bayerischen Strafvollzugsgesetzes bzw. des Bayerischen Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetzes.

Sie sehen: das ist ein sehr komplexes Thema, weswegen ich auch bemüht war, Ihnen sehr ausführlich zu antworten.
Bei weiteren Fragen oder Anliegen können Sie sich gerne auch an mich
persönlich wenden unter folgender Emailadresse: mdl@schreyer-staeblein.de

Mit freundlichen Grüßen

Kerstin Schreyer-Stäblein

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